Nach der bayerischen Landtagswahl:Servus, Volkspartei CSU

Lesezeit: 3 min

Vorbei die Zeiten, als die bayerischen Lodenmachos gelegentlich sogar ihre große Schwesterpartei überrollten. Was so von der CSU übrigbleibt, ist nur ein CDU-Landesverband in Dirndl und Lederhose.

Kurt Kister

Nun ist auch in Bayern Westdeutschland zu Ende. Zum eisernen Bestand der Bundesrepublik, des alten Bonner Staates, gehörte die Grundregel, dass es in Deutschland zwei konservative Volksparteien gibt: außerhalb Bayerns die CDU, in Bayern die CSU. In keinem anderen Bundesland regierte eine Partei so lange mit so klaren Mehrheiten allein. Daraus bezog die CSU ihr Selbstbewusstsein, aber auch ihre Chuzpe. Die CDU arrangierte sich mit der sogenannten Schwesterpartei mehr, als dass man sich freudig umarmte. Gelegentlich überrollten die Lodenmachos sogar die CDU; zweimal schwangen sich CSU-Chefs zur letztlich erfolglosen Kanzlerkandidatur auf.

(Foto: Foto: dpa)

Seit Sonntag ist klar, dass zwar die Alpen und die Donau lebensnotwendig zu Bayern gehören, nicht aber die CSU. Die Mehrheit hat der Partei den Rücken zugewandt, um nicht zu sagen: den Hintern gezeigt. Die Sonderstellung der CSU beruhte auf zwei Dingen. Zum einen identifizierte eine klare Mehrheit die Partei erstaunlich weitgehend mit dem Positiven in Bayern: Wohlstand, Heimatverbundenheit, Tradition, Lebensart. Das ist nicht mehr so - und zwar keineswegs nur wegen der Tröpfe Huber und Beckstein.

Zum zweiten konnte die CSU mit ihren Ergebnissen der Union im Bund stets den Rücken stärken. Auch das ist nicht mehr so. Angela Merkel kann sich nicht darauf verlassen, dass die CSU 2009 in Bayern stärker sein wird als die CDU insgesamt im Bund. Was so von der CSU übrigbleibt, ist nur ein CDU-Landesverband in Dirndl und Lederhose. Pfüat di, servus, auf Wiedersehen, Volkspartei CSU.

Bei künftigen Wahlen wird dieser Trend anhalten - in Bayern und anderswo. Die Zeiten, in denen Volksparteien 40 und mehr Prozent der Wähler angezogen haben, sind vorbei. In Italien und Frankreich sind die alten Volksparteien auseinandergeflogen, in Österreich klammern sie sich in Überlebensangst aneinander und nähren die Rechtsradikalen. In Deutschland, wo alles langsamer geht, blühen erst einmal die kleinen Parteien unterschiedlichster Provenienz auf. Bald aber wird es die Großen noch härter erwischen - zuerst die SPD, dann die CDU.

Es ist kein Linksruck, der durch Deutschland geht. Das sieht nur manchmal so aus, weil die Linkspartei die neueste, lauteste und radikalste der Kleinen ist. In Bayern blieb sie Splitterpartei; die Leute wandten sich den Freien Wählern, der FDP oder den Grünen zu. Immer mehr wählen alles Mögliche, nur nicht CDU oder SPD. Ganz viele bleiben auch schlichtweg daheim. Nicht jede Wahlenthaltung erfolgt bewusst, aber Wahlenthaltung wird immer häufiger zu einem, übrigens legitimen, Ausdruck der Unzufriedenheit. Von Franz Müntefering stammt der Satz: "Opposition ist Mist." Gerade unter den bewussten Nichtwählern aber gibt es viele, die denken: "Regierung ist Mist" oder gar "Politik ist Mist".

Die strauchelnden Volksparteien tun das Ihre, um solche Gefühle zu bestärken. Bei der CSU fällt alles darunter, was unter die Überschrift "Arroganz der Macht" passt. Auch die SPD liefert jetzt ein abschreckendes Beispiel dafür, wie man die Leute verprellt, ja geradezu verhöhnt. Franz Maget und Frank-Walter Steinmeier feiern das Desaster der CSU als ihren Sieg. Sie haben aber nichts dazu beigetragen, jedenfalls nicht in den Augen der Wähler.

Im Gegenteil: Die SPD hat ihr schlechtestes Ergebnis eingefahren, und dies bei einer Wahl, bei der die CSU granatenmäßig verloren und alle anderen, sogar die Splitterparteien, gewonnen haben. Wenn Maget behauptet, die SPD habe einen Regierungsauftrag, dann ist das Ypsilantismus hoch zehn. Weil die SPD mit dem Misserfolg nicht umgehen kann, lügt sie sich selbst in die Tasche und den Wählern ins Gesicht. Eine Prognose: Die CSU wird bald zur 40-minus-X-Partei werden. Die bayerische SPD aber wird sich mit Grünen und Freien Wählern bei 10 plus X treffen.

Beide Parteien der großen Koalition in Berlin sind vom bayerischen Ergebnis geschwächt worden. Trotz der hohen Zustimmungsraten für Angela Merkel muss die Union nach Bayern mit einem schlechteren Wahlergebnis auch im Bund rechnen. Die Bayern reißen es nicht mehr raus. Hinzu kommt der psychologische Effekt, dass jetzt sogar Bayern der Union wegbricht. Schließlich werden die CSUler in Berlin und jene aus München viel dafür tun, gerade jetzt als stark und eigenständig zu erscheinen - weil sie es ja nicht mehr sind. Es ist also mit allerhand unionsinternem Krawall sowie CSU-Machtchaos zu rechnen.

Bei der SPD wurde der bundesweit anhaltende Abwärtstrend in Bayern eindrucksvoll bestätigt. Der Kanzlerkandidat, Doktor Aktendeckel Steinmeier, wird bald damit beginnen müssen, eine Art Aufbruchsstimmung hervorzurufen. Aus eigener Kraft, gar aus dem Siechtum der SPD in den meisten Ländern heraus, kann dies nicht geschehen. Man wird sich absetzen müssen - in erster Linie von der Union, dem Koalitionspartner. Auch hier steht also Krawall ins Haus.

Wenn allerdings im September 2009 die Messe gesungen sein wird, kann es sein, dass die große Koalition bleibt. Verlieren bei der Bundestagswahl beide Volksparteien analog zu Bayern, dann wird es für Zweier-Konstellationen arithmetisch nicht reichen und vielleicht sogar für politisch ohnehin sehr schwierige Dreierkonstellationen auch nicht. Dann bleiben die einst Großen so lange beieinander, bis sie selbst klein geworden sind - so wie in Österreich.

© SZ vom 30.09.2008/ihe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

CSU: Nach dem Crash
:Wenn die Stimme wegbleibt

Trotz herber Verluste hat die CSU zwar fast alle Direktmandate in den 91 Stimmkeisen gewonnen. Einige Abgeordnete haben den Einzug dennoch verpasst.

Jetzt entdecken

Gutscheine: