Nach dem CSU-Debakel:Opposition will an die Macht

Lesezeit: 4 min

Das schlechte Abschneiden der CSU eröffnet den Oppositionsparteien in Bayern völlig neue Aussichten: Auf eine Beteiligung an einer CSU-Regierung - oder sogar die Bildung einer eigenen Vierer-Koalition.

Nach dem Verlust der absoluten Mehrheit durch die CSU können sich die bayerischen Oppositionsparteien erstmals seit Jahrzehnten Gedanken machen über die Regierungsbildung in dem Bundesland.

Hubert Aiwanger, Chef der bayerischen Freien Wähler, ist bereit zu koalieren - aber nicht um jeden Preis. (Foto: Foto: Reuters)

Die Freien Wähler in Bayern wollen nach der Landtagswahl in Bayern mit allen Seiten reden, tendieren aber in Richtung CSU. Allerdings knüpften sie die Bildung einer Koalition mit der CSU an Bedingungen. Die CSU müsse auf die Forderungen in der Bildungspolitik, für Kommunen sowie bei der Entwicklung des ländlichen Raums eingehen, sagte Landeschef Hubert Aiwanger in München.

Das letzte Kindergartenjahr müsse kostenlos, die Schulklassen auf 25 Kinder begrenzt und die Studiengebühren abgeschafft werden. Es gebe allerdings einen gewissen Verhandlungsspielraum. "Wenn alles andere passt, dann kann man da und dort einen Abstrich machen. Aber bei unseren Kernthemen muss definitiv etwas passieren."

Sollten die Freien Wähler ihre Kernforderungen in Verhandlungen mit der CSU nicht durchsetzen können, würden sie die Opposition vorziehen. "Lieber eine offene Opposition als amputiert in einer Koalition", sagte Aiwanger. Zunächst müsse allerdings abgewartet werden, welche Führungspersonen in der CSU-Spitze übrigblieben.

SPD kampfbereit

Ansprüche auf Ministerämter meldete Aiwanger noch nicht an. "Das möge eine FDP tun, die Freien Wähler tun es nicht." Es gehe zunächst darum, einen Brückenschlag zu finden. Die Freien Wähler ziehen zum ersten Mal in das bayerische Parlament ein. Sie hatten bei der Landtagswahl am Sonntag 10,2 Prozent der Stimmen erlangt.

Ob sich seine Partei auf eine Regierungsbeteiligung einlässt, sei derzeit noch völlig offen, sagte Aiwanger. "Man muss abwarten, wer mit wem in den Ring steigen wird." Die Freien Wähler würden sowohl Gespräche mit der CSU als auch der SPD, der FDP und den Grünen führen, "auch wenn ein Vierer-Bündnis nicht die größten Realisierungschancen haben wird".

Die bayerische SPD will für eine Vierer-Koalition gegen die Christsozialen kämpfen. Das Präsidium beauftragte Landtagsfraktionschef Franz Maget, Sondierungsgespräche mit Grünen, FDP und Freien Wählern zu führen.

Ungeachtet des enttäuschenden Abschneidens bei der Landtagswahl stärkte die SPD-Führung ihrem Spitzenkandidaten Maget den Rücken. "Er hat einen Top-Job geleistet", sagte SPD-Chef Ludwig Stiegler. "Er würde einen wunderbaren Regierungschef abgeben." Die bayerischen Genossen hatten bei der Landtagswahl mit 18,6 Prozent ihr schlechtestes Nachkriegsergebnis eingefahren, nachdem sie bereits 2003 auf ein historisches Tief abgesackt waren.

Die Chancen für ein Bündnis gegen die CSU gelten als gering, weil die FDP sich bereits den Christsozialen als Koalitionspartner angeboten hat. Dennoch sagte Stiegler: "Das ist die Eröffnung eines neuen politischen Spiels in Bayern." Der Vorrat an Gemeinsamkeiten sei größer als der zwischen CSU und FDP, sagte er vor allem mit Blick auf sicherheitspolitische und Bildungsfragen.

Ziel: Mehrheit jenseits der CSU

Zugleich betonte Stiegler, dass die SPD sich auch einem Gespräch mit der CSU nicht entziehen werde. Ministerpräsident Günther Beckstein hatte am Wahlabend unter anderem Gespräche mit der SPD angekündigt.

Die Gründe für das neuerliche Absacken der SPD in Bayern sah Stiegler vor allem in der schwierigen Lage der Bundes-SPD. Maget habe sich "gegen widrigste Wetter durchgekämpft" und sogar an Statur gewonnen. Die Partei habe auf Bundesebene aber in diesem Jahr "nicht die tollste Figur abgegeben".

Mit Blick auf den Wahlkampf der Bayern-SPD sagte Stiegler: "Wir haben uns nichts Größeres vorzuwerfen." Personelle Konsequenzen in der Bayern-SPD lehnte Stiegler trotz des schlechten Wahlergebnisses ab. "Wenn Sie Blut sehen wollen, müssen Sie zur CSU gehen", sagte er. Für "Leute mit Haltung und Stehvermögen" sei ein Verlust von einem Prozentpunkt zu verkraften.

Wie die SPD favorisieren auch die bayerischen Grünen nach dem Ausgang der Landtagswahl eine Vierer-Koalition gegen die CSU. "Wir haben schon immer gesagt, wenn die CSU ihre absolute Mehrheit verliert, dann wollen wir eine Mehrheit jenseits der CSU", sagte der bayerische Grünen-Vorsitzende Sepp Daxenberger in München.

Er sei optimistisch, das dies gelingen werde, auch wenn die FDP sich bereits dagegen ausgesprochen hat. "Die FDP kann doch jetzt nicht auf das sinkende Schiff CSU aufspringen."

"Türen weit aufgestoßen"

Auch der Vorsitzende der Grünen-Fraktion im Bundestag, Fritz Kuhn, sprach sich für einen Machtwechsel in Bayern aus. "Es gibt vor allem einen Auftrag der Wähler: Wir wollen diese CSU nicht mehr", sagte Kuhn im rbb-Inforadio.

Daxenberger schloss Gespräche mit der CSU nicht vollständig aus. "Wir reden mit allen." Eine Koalition mit der CSU könne er sich aber nicht vorstellen. "Die regieren seit 42 Jahren alleine in Bayern, das ist hochgradiger Filz bis runter in die Amtsstuben und wir wollen nicht die Filzverlängerer für die CSU sein." Die CSU stehe einem Neuanfang in Bayern im Weg. "Lasst die erstmal fünf Jahre in die Opposition, dann schaun wir weiter."

Auch der Fraktionsvorsitzende der Grünen im Bayerischen Landtag, Sepp Dürr, sprach sich gegen ein Weiterregieren der CSU aus. Es könne doch nicht sein, dass man der CSU mit Ministerpräsident Günther Beckstein und Parteichef Erwin Huber "jetzt zum Weiterwurschtln verhilft", sagte Dürr.

"Die Türen sind weit aufgestoßen worden", so Dürr weiter, "wir werden auf alle Parteien zugehen, von denen wir erwarten, dass sie eine Koalition jenseits der CSU bilden wollen." Dies gelte auch für die FDP, obwohl diese als möglicher Koalitionspartner der CSU eine Vierer-Koalition gegen die CSU bereits abgelehnt hatte. "Ich habe das Wahlprogramm der FDP gelesen und sehe bei allem, was in Bayern interessant ist, Gemeinsamkeiten", so Dürr. "Ich weiß nicht, warum es mit uns schwerer sein sollte als mit der CSU, das abzuschaffen, was die CSU verbockt hat."

Auch Kuhn appellierte an die FDP. Es könne nicht sein, dass die Liberalen jetzt zum "Steigbügelhalter der CSU" werden, sagte Kuhn am Morgen im rrb-inforadio. "Wir stehen vor der Frage: Hilft die FDP aus, was oberpeinlich wäre und nicht dem Wählerwillen entspricht, oder kommt es zu einer neuen Regierung, die die CSU auf die Oppositionsbänke bringt", erklärte Kuhn. "Wenn die FDP denen wieder auf die Regierungssitze verhilft, macht sie einen großen Fehler."

© AP/ddp-bay/dpa/Reuters/gal/buma - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

CSU
:Pleiten und Pannen in der CSU

Jetzt entdecken

Gutscheine: