Manches, mit dem die Menschen einmal angefangen und seither nicht mehr aufgehört haben, heißt irgendwann Tradition und bedarf fortan keiner weiteren Begründung. Im Raum Rosenheim zum Beispiel wird seit den Dreißigern mit der Hagelabwehr mithilfe von Silberiodid experimentiert. Das hat dort das Wetterläuten mit der Kirchenglocke als Tradition inzwischen mindestens ergänzt, wenn nicht abgelöst. Der Landkreis hat die Hagelabwehr längst zu seiner eigenen, landratsamtlichen Aufgabe gemacht. Flankiert wird er vom "Verein zur Erforschung der Wirksamkeit der Hagelbekämpfung im Raum Rosenheim", der in seinem Namen zwar zart zweifelnde Hinweise auf einen gewissen Forschungsbedarf anklingen lässt, die Wirksamkeit der Hagelbekämpfung als Gegenstand der Erforschung aber zweifellos voraussetzt.
Der Verein hat mehr als 8000 Mitglieder, der Jahresbeitrag liegt bei mindestens zehn Euro. Da mag zwar was zusammenkommen, aber zwei Flugzeuge sind auch schwer zu unterhalten, selbst wenn die Stadt Rosenheim, die Kreise Traunstein und Miesbach sowie der Bezirk Kufstein mit im Boot respektive Flugzeug sitzen. Dafür bewahren die Flieger auch diese Gebiete vor Hagel, so gut das mit dem Zerstäuben von Silberiodid in Gewitterwolken eben geht. Und dass es geht, das setzen die auch als Piloten ziemlich kühnen Hagelflieger eben voraus, während andere die Hagelfliegerei trotz steter Erforschung ihrer Wirksamkeit für eine Art Wolken-Voodoo halten.
Was immer es sei, es kostet Geld, und das lässt sich mit Werbung verdienen. So lautete vor Jahren die Verheißung eines Kleinstverlags aus dem Kreis Miesbach. Er legte ein "Hagel Flieger Journal" auf und verkaufte Anzeigen, deren Erlös den Hagelfliegern zugute kommen sollte. Doch nun hat die Internet-Zeitung Tegernseer Stimme das neue Journal zur Hand genommen und darin allerlei Anzeigen von Firmen und Wappen von Kommunen gefunden, aber keine nennenswerte Neuigkeit über die Hagelfliegerei. Die Hagelflieger selbst halten von dem Verlag schon lange nichts mehr, sagen sie. Das Journal sei ein Selbstläufer und habe mit ihnen nichts zu tun. Und falls es dem Verlag jetzt das Geschäft verhagelt, hilft ganz sicher kein Silberiodid.