Mitten in Bayern:Wortungetüme gedeihen prächtig

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Im Lallinger Winkel tut sich Großes - und dafür braucht es auch eine passende Bezeichnung

Kolumne von Hans Kratzer

Der Obstbau steht im Lallinger Winkel seit jeher in hoher Blüte. Ganz zu Recht wird dieser liebreizende Landstrich im Landkreis Deggendorf als Obstschüssel des Bayerischen Waldes gerühmt. Nun kommt es aber noch besser. Das Wissenschaftsministerium hat nämlich kundgetan, im Lallinger Winkel werde ein Streuobstwiesenkompetenzzentrum eingerichtet. Welche Aufwertung damit verbunden ist, kommt ja bereits in der wuchtigen Länge des Wortes zum Ausdruck. Immerhin reihen sich im Streuobstwiesenkompetenzzentrum 31 Buchstaben aneinander, die nicht nur die Komplexität des Obstbaus widerspiegeln, sondern auch die stete Präsenz der Administration auf dem weiten Feld der Nahrungsmittelerzeugung, auf dem auch Wortungetüme prächtig gedeihen. Das Rindfleischetikettierungsüberwachungs-aufgabenübertragungsgesetz, das 1999 in Mecklenburg-Vorpommern eingeführt wurde, hatte gar 63 Buchstaben, also doppelt so viele wie das Streuobstwiesenkompetenzzentrum. Dass hierbei die Grenze des Sagbaren möglicherweise schon überschritten ist, zeigte sich bei der Debatte im Landtag, als einige Abgeordnete bei der Nennung des Monsterwortes in Gelächter ausbrachen.

Die deutsche Sprache ist eben ein fruchtbares Mistbeet für Bandwurmwörter und komplexe Komposita. Als Paradebeispiel wird gerne der Donaudampfschifffahrtsgesellschaftskapitän erwähnt, der beileibe kein Hirngespinst ist. Tatsächlich gab es von 1829 bis 1991 eine Donau-Dampfschiffahrts-Gesellschaft (DDSG). Nicht gesichert ist indessen die Existenz einer Donaudampfschiffahrts-elektrizitätenhauptbetriebswerkbauunterbeamtengesellschaft, die trotzdem in einigen Ausgaben des Guinness-Buchs der Rekorde mit einer Länge von 79 Buchstaben als das längste je veröffentlichte und auch verwendete Wort in der deutschen Sprache angegeben wird.

Überzeugender ist auf jeden Fall die Auflistung der kürzesten Wörter im Sprachkosmos. Zu jenen Wörtern mit nur einem Buchstaben zählt etwa die Interjektion "o", die unter anderem das Lied "O du lieber Augustin" aufpeppt. Noch prägnanter ist das weltweit kürzeste Gedicht, das der Regensburger Heimatpfleger Josef Fendl verfasst hat. Darin geht es um das Thema Egoismus, es lautet: "I".

© SZ vom 25.02.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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