Mitten in Bayern:Schwermut in Roth

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Der mittelfränkischen Kreisstadt Roth kehren immer mehr Einzelhändler den Rücken. Was dagegen helfen soll, ist umstritten: mehr Autos oder doch ein Psychologe

Von Christoph Dorner

Der Franke hat mitunter einen recht morbiden Humor. "Lieber tot als in Roth" war in der mittelfränkischen Kreisstadt schon immer eine nur halb scherzhaft gemeinte Redensart. Bundeswehrsoldaten sagten sie auf, weil sie nicht in der Otto-Lilienthal-Kaserne stationiert sein wollten. Oder die Leute vom Land, wenn sie für eine Operation ins Kreiskrankenhaus mussten. Derzeit sind es die Einzelhändler, die der Stadt den Rücken kehren. Roth leidet: wegen des rasant zunehmenden Online-Handels, wegen der verhängnisvollen Nähe zur Einkaufsstadt Nürnberg, wegen seiner zwei mausgrauen Einkaufs-Passagen, in denen kaum jemand einkaufen mag. Als nun bekannt wurde, dass erneut zwei große Einzelhändler, eine Modekette und ein Supermarkt, ihre Verträge für die Passagen gekündigt haben, wurde das Murren der Rother so laut, dass Bürgermeister Ralph Edelhäußer (CSU) sich genötigt sah, eine Bürgerversammlung im Freien abzuhalten.

Bei dieser Marktplatz-Demokratie nach altgriechischem Vorbild musste sich Edelhäußer einiges anhören. Drei Jahre hatte die Stadt einen City-Manager beschäftigt, der für Impulse für den Einzelhandel sorgen sollte. Er organisierte die üblichen "Leuchtturm-Projekte" und wurstelte an einer Online-Plattform für die Einzelhändler herum. Die strukturellen Probleme konnte er nicht beheben, sein Vertrag wurde nicht verlängert. Die Bürger hätten blühende Landschaften erwartet, sagt Edelhäußer.

Die hat es früher freilich mal gegeben. In Roth hatte der Modeunternehmer Rudolf Wöhrl nach dem Zweiten Weltkrieg sein erstes von heute 36 Geschäften eröffnet. Mittlerweile ist Wöhrl der letzte große Einzelhändler am Platz. Der Unternehmersohn Hans Rudolf erinnerte jüngst in den Nürnberger Nachrichten an die glorreichen Zeiten der Einkaufsstadt Roth. Dann wurde eine Umgehungsstraße gebaut, später der Marktplatz für den Autoverkehr gesperrt. Dadurch sei die Stadt in eine tiefe Depression verfallen, schreibt Wöhrl. "No Parking, no Business", das hätte sein Vater schon vor 60 Jahren kapiert. Soll Roth seinen Marktplatz wieder für Autos aufsperren? Oder besser gleich einen Stadtpsychologen einstellen? Das hat der scheidende City-Manager vorgeschlagen.

© SZ vom 02.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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