Mitten in Bayern:Endlich digital

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Es gibt sie ja schon länger: diejenigen, die das Leben am liebsten viel mehr im Netz stattfinden lassen wollen. Jetzt schlägt anscheinend deren Stunde, auch in der Politik

Kolumne von Johann Osel

Genugtuung ist sicherlich das falsche Wort in der derzeitigen Krise, aber ein bisschen mit sich zufrieden dürften viele Digitalisierungsantreiber der vergangenen Jahre nun zu Hause sitzen, zwischen Notebook, Dosenravioli und hoffentlich genug Klopapier. Es gab ja immer jene Leute, die das ganze Leben digitaler machen, am besten alles ins Netz verfrachten wollten. Das wurde gern auch mal belächelt. Erinnert sei an die Piratenpartei, mit all ihren Ideen für den digitalen Alltag und eine "flüssige Demokratie" für innerparteiliche Meinungsbildung. Die Piraten gibt es übrigens immer noch, zur Landtagswahl 2018 hatten sie sogar offiziell einen "Herausforderer" für Ministerpräsident Markus Söder nominiert, auch wenn das am Ende nicht ganz geklappt hat. Der junge Mann, Mitte 30 aus Bad Brückenau, muss sich jedenfalls in diesen Tagen konzeptionell bestätigt fühlen - denn jetzt sind die Bürger eben meist daheim und digitalisieren ihre Leben, was das Glasfaserkabel hergibt.

Damit zu den Jungen Liberalen in Bayern. Auch der FDP-Nachwuchs ruft ständig nach mehr Digitalisierung. Im April hätte man sich in Sonthofen zum Landeskongress getroffen. Der ist natürlich abgesagt, wegen Corona. Aber es gibt einen Ausweg: Erstmals soll es einen virtuellen Landeskongress geben, nach eigenen Angaben den ersten aller Jugendorganisationen und Parteien - mit regulären Teilnehmerzahlen, mit allen Formalia wie Antragseinreichung, Stimmrechtsregistrierung oder satzungskonformer Debatte.

Bereits vor Corona hat man laut Landeschef Maximilian Funke-Kaiser die Arbeit für einen eigentlich später geplanten "e-Kongress" aufgenommen - und könne die Idee jetzt quasi pünktlich zur Krise forcieren. Man wolle nicht nur über Digitalisierung reden, sondern sie auch "vorleben". Das Problem sei, dass sich das Land da "weitestgehend in der Steinzeit" befinde. Dabei könne Digitalisierung Arbeitsprozesse, Abläufe und vieles andere vereinfachen und kosteneffizienter gestalten. Womöglich wird digitales Tagen ja bald selbstverständlich in der Politik. Und weitere Vorteile virtueller Parteitage führen die Julis gar nicht auf: Jede Partei zählt Parteifreunde, denen man eher ungern begegnet; auch der oft lästige Butterbrezen-Smalltalk im Foyer entfällt. Und überdies spart man ganz viel Klopapier.

© SZ vom 25.03.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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