Mitten in Bayern:Akademiker in Not

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Es gab mal eine Zeit, da war es noch ganz lustig, wenn man sich seiner zwei linken Hände rühmte - so als Studierter. Doch denen könnte bald das Lachen vergehen, wenn sich der Fachkräftemangel bis in den eigenen Haushalt auswirkt

Glosse von Maximilian Gerl

Der Fachkräftemangel im Freistaat hat enorme Ausmaße angenommen; manchmal beginnt er bereits im eigenen Haushalt. Zum Beispiel, wenn die Toilettenspülung läuft und läuft und läuft und der Wasserzähler mit. Theoretisch ließe sich das Problem leicht beheben, Wasser abdrehen, Schwimmer kontrollieren, entkalken, vielleicht einen neuen Dichtungsring einsetzen. Praktisch scheitert die Theorie schon am Ventil. Das dreht leer. Und für alles andere fehlt Werkzeug, Wissen und Geschick.

Die Gefahr ist groß, dass defekte Toilettenspülungen bald in Serie zu schier unlösbaren Problemen werden. Bis 2030, rechnete jüngst der Bayerische Industrie- und Handelskammertag vor, werden hierzulande mehr als 1,3 Millionen Menschen dem Arbeitsmarkt fehlen, darunter allein rund 640 000 Fachkräfte. Auch Betriebe klagen seit Jahren, sich bei der Suche nach neuen Azubis und Lehrlingen zunehmend schwer zu tun. Auf der einen Seite gehen mehr und mehr Beschäftige in den Ruhestand, auf der anderen stagniert die Zahl der Schulabgänger. Von denen wiederum entscheidet sich nur ein Teil für eine Berufsausbildung als Karriereweg. Und so drängt sich der Eindruck auf, dass die Älteren unter uns vergleichsweise häufig Schlosser, Installateure und Mechaniker ihre Freunde nennen, die man bei Alltagsproblemen um Hilfe bitten könnte - während die Jüngeren eher andere Studierte kennen und mit ihrem Latinum schnell am Ende sind. Politologinnen, Arbeitsrechtler und Käferforscherinnen machen zwar auch tolle Jobs. Doch in Handwerksfragen sind sie leider nicht erste Anrufwahl.

So gesehen kann sich glücklich schätzen, wer nur mit der Klospülung kämpft. Das sei nämlich noch gar nichts, versicherte ein Kollege, der sich schon qua Lebenslauf in vergleichbarer handwerklicher Misere befindet. Demnach riss er allein an einem Tag eine Vorhangstange von der Wand, zerstörte ein Ofentürscharnier und sprengte eine Glasplatte im Kühlschrank. Tags drauf pumpte seine Waschmaschine das Wasser nicht mehr ab. Immerhin, hier war der Übeltäter schnell gefunden, hinter dem Flusensieb hatte sich ein Tüchlein verfangen. Seitdem sei er voller Stolz, prahlte der Kollege scherzend. Er will nun einen Waschmaschinenreparaturservice eröffnen.

© SZ vom 24.08.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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