Mitten in Augsburg:Rabatt bei der Trauung

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Die Stadtoberen wollten den Brautpaaren eigentlich nur eine Freude machen. Das Rechnungsprüfungsamt und die Opposition sehen das ganz anders

Kolumne von Christian Rost

Es gibt Menschen, die wollen das Glück erzwingen und bereiten sich auf ihre Hochzeit besonders gründlich vor. Wann soll der Tag der Trauung sein? Sie sei am besten bei zunehmendem Mond abzuhalten, rät ein Astro-Portal, und bloß nicht, wenn die Venus, die Hüterin der Liebe, sich in den Sternzeichen Widder, Jungfrau oder Skorpion befinde. Andere Paare suchen sich ein Datum, das sie sich auch nach 20 Jahren Ehe noch merken können: den 1.8.18 beispielsweise. Weshalb gleich 16 Brautpaare in Augsburg den 28.9.18 als Hochzeitstag gewählt haben, ist leider nicht überliefert, womöglich stand der Mond gerade günstig. Jedenfalls rief die Stadt diesen Tag kurzerhand zum "Tag der Hochzeit" aus und lud die Paare in den Fürstensaal des Rathauses. Oberbürgermeister Kurt Gribl und seine Bürgermeister-Kollegen Eva Weber und Stefan Kiefer arbeiteten die Trauungen abwechselnd im Halbstundentakt ab.

Bei dem Hochzeits-Marathon handelte es sich um eine Charmeoffensive der Stadt. Nicht ein einfacher Standesbeamter nahm die Zeremonien vor, sondern die Stadtspitze persönlich. Sozusagen als Zuckerl gab's für die Paare einen speziellen Nachlass - sie mussten für die Nutzung des Fürstenzimmers nicht die sonst übliche Raummiete von 280 Euro zahlen. Das ist zwar ein nettes Geschenk für die Brautleute, die rund anderen 1200 Paare, die jährlich in Augsburg heiraten, werden aber lange Gesichter machen, wenn sie Rechnungen präsentiert bekommen. Und noch etwas haben die Bürgermeister vergessen: Das Rechnungsprüfungsamt vermisst nun in der Kasse 4480 Euro. Die Prüfer sagen, es sei nicht zulässig, den Paaren die Gebühr zu schenken. Es handle sich um einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz und das Gebot der wirtschaftlichen Haushaltsführung.

Die Opposition in Form der Freien Wähler im Stadtrat spöttelt nun über die "Hochzeitsschnäppchen", die die Bürgermeister "in Gutsherrenart" vergeben hätten. Der Tag stand also unter keinem guten Stern, und man kann nur hoffen, dass sich das Gezänk nicht auf die jungen Ehen überträgt. Man wünscht ihnen vielmehr Friede und Eintracht und nicht das Schicksal der gut 400 Augsburger Paare, die sich jedes Jahr scheiden lassen. Was übrigens viel teurer ist als 280 Euro.

© SZ vom 10.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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