Mittelpunkt des Deutschen Reiches:750 Pfund Bismarck

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Kanzler auf Kur: Otto von Bismarck mit seinem Leibarzt Ernst Schweninger vor der Oberen Saline. (Foto: Stadtarchiv Bad Kissingen)

Der Reichskanzler, ein Mann von Gewicht, kurte 15-mal in der Stadt

Eigentlich ist es ein Wunder, dass aus der Liebe Otto von Bismarcks zu Bad Kissingen überhaupt etwas geworden ist. Denn der Anfang der Beziehung stand unter einem schlechten Stern. Bei seinem ersten Kuraufenthalt 1874 wurde der Reichskanzler vom Böttchergesellen Eduard Kullmann angeschossen. Der fanatische Katholik wollte Bismarck ermorden, weil dieser versuchte, den Einfluss der Kirche auf die Politik zu beschneiden. Bismarck reiste trotz seiner Handverletzung nicht etwa ab, sondern kommentierte lakonisch: "Die Sache ist zwar nicht kurgemäß, aber das Geschäft bringt es eben so mit sich."

Bismarck, der an Übergewicht, Gastritis, Venenentzündungen, Gicht und Schlaflosigkeit litt, kehrte 14-mal in die Kurstadt zurück, die König Ludwig II. 1883 zum Staatsbad erhob und die zu dieser Zeit einen Aufschwung erlebte: Zum Beispiel war Bad Kissingen führend im Kanalisationsbau, 1890 war die Stadt als erste in Bayern mit allen Häusern an das Abwassersystem angeschlossen. Der Mittelpunkt des Deutschen Reiches lag also für insgesamt mehr als 60 Wochen in Bad Kissingen, genauer gesagt in der Oberen Saline.

Hier, im Anwesen des Fürstbischofs Adam Friedrich von Seinsheim, residierte der Reichskanzler und widmete sich nicht etwa gänzlich der Gesundheitspflege, sondern führte seine Amtsgeschäfte fort. Am schweren Schreibtisch unter der grün-beige-braunen Blumentapete entstand eines der politischen Schlüsseldokumente des 19. Jahrhunderts, das Kissinger Diktat, das Bismarck am 15. Juni 1877 seinen Sohn Herbert notieren ließ, weil er selbst sich seit dem Attentat mit dem Schreiben schwer tat. Bismarck skizzierte seine außenpolitische Idee, die Großmächte durch ein Bündnissystem in Schach und von Angriffen auf das Deutsche Reich fern zu halten.

Heute beherbergt die Obere Saline das Bismarck-Museum. Die Wohnräume mit ihren klobigen Möbeln sind im Original erhalten, außerdem zu sehen ist die Bismarck-Waage, auf der sich der Fürst am Anfang und Ende seiner Aufenthalte öffentlich wiegen ließ. Insgesamt 750 Pfund soll er bei seinen 15 Kuren verloren haben. Anlässlich seines 200. Geburtstags zeigt das Museum bis zum 25. Oktober eine Sonderausstellung, die sich der Entstehung und Folgewirkung des Kissinger Diktats widmet. Die Obere Saline liegt etwas außerhalb. Wer die drei Kilometer nicht zu Fuß gehen möchte, kann mit dem Dampferle fahren und dann noch 800 Meter laufen.

Auch außerhalb des Museums lässt sich auf Bismarcks Spuren wandeln: Das lebensgroße Denkmal an der Unteren Saline wurde noch zu seinen Lebzeiten enthüllt, er selbst soll es allerdings gemieden haben, weil er nicht neben sich stehen wollte. An das Attentat erinnert eine Gedenktafel, auf dem Sinnberg thront der Bismarckturm als ewiges Andenken. Und, wie es halt so ist in Jubiläumsjahren: Es gibt Bismarck-Kornschnaps, Bismarck-Schokobussis, Bismarck-Gummibärchen - mehr oder weniger geschmackvolle Gesellschaft für den guten alten Bismarck-Hering.

© SZ vom 26.05.2015 / nas - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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