Missbrauch im Bistum Regensburg:Das Geheimnis des Beichtvaters

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In der Gemeinde Riekofen war nicht bekannt, dass der Pfarrer einschlägig vorbestraft ist - nun wird wegen neuer Übergriffe ermittelt

Rudolf Neumaier

Einer der beiden Beichtstühle der Pfarrkirche St. Johannes in Riekofen ist umfunktioniert zu einer Abstellkammer für Gerümpel. Eine Baumschere, eine kleine Staffelei - allerlei Gartengerät ist deponiert. Die Beichten muss Pfarrer Peter K. in dem anderen Beichtstuhl abgenommen haben. Wenn zum Beispiel die Kinder von Riekofen ihre Sünden bekennen mussten, um das Sakrament der Firmung zu empfangen.

Pfarrer K. hörte sich aber nur die Buben an, berichtet ein Mitglied des Kirchenrates, für die Mädchen war ein anderer Priester zuständig. Ob K. jemals wieder beichtsitzen wird, wie es im Bairischen heißt, ist äußerst fraglich. Erst einmal sitzt der 39-Jährige in Untersuchungshaft, dann wird er auf einer Anklagebank Platz nehmen müssen. Wegen pädophiler Übergriffe auf Ministranten.

Diese seltsame Geschlechtertrennung bei der Beichte mag den katholischen Gläubigen in dem 800-Einwohner-Dorf Riekofen bei Regensburg etwas seltsam vorgekommen sein, anstößig fanden sie es aber nicht. Es fiel ihnen auch auf, dass der Pfarrer öfter mit den Jungen im Pfarrheim feierte. Nur mit den Buben - Mädchen waren unerwünscht. Und dass er in dem neuen Pfarrhaus - das sie ihm eigens hingestellt hatten, weil sie so froh darüber waren, überhaupt noch einen Pfarrer bekommen zu haben - auf gar keinen Fall eine Haushälterin haben wollte.

Seit 2000 vorbestraft

Mein Gott, was sollte daran verwerflich sein, dachten die Riekofener. Aber da wussten sie noch nichts über die Vorgeschichte von K. Der Geistliche ist seit dem Jahr 2000 vorbestraft, weil er in Viechtach einen Buben sexuell missbraucht hatte. Als der Vater dieses Jungen erfuhr, dass K. wieder in einer Gemeinde tätig sei und wieder mit Kindern zu tun habe, schrieb er den Riekofenern, dass sie aufpassen sollen auf den Pfarrer - und auf ihre Kinder.

Ein Vater, nicht das Bischöfliche Ordinariat, informierte die Pfarrei. Bischof Gerhard Ludwig Müller hatte K. 2003 entgegen den Leitlinien der Deutschen Bischofskonferenz eingesetzt und den Riekofenern über Jahre hinweg verschwiegen, dass K. mit einer einjährigen Freiheitsstrafe auf Bewährung belangt war und, vor allem, warum. Den Dekan, den direkten Vorgesetzten des Dorfpfarrers, will er angewiesen haben, ein Auge auf den Kollegen zu werfen.

Dass dieser Dekan durch eine Schulung sensibilisiert wurde, auffällige Verhaltensweisen des mutmaßlichen Päderasten zu erkennen und richtig zu deuten, ist aber unwahrscheinlich. Der unter anderem auf solche Fälle spezialisierte Psychologe des Bistums war mit einer solchen Unterweisung jedenfalls nicht betraut. Und als sich der alte Dekan zu Beginn des Jahres 2006 in den Ruhestand verabschiedete und ein anderer nachfolgte, erfuhr auch der neue nichts von K.s Geschichte.

Flugblatt an alle Haushalte

Für den Bischof war der Fall offenbar erledigt, weil ein Gutachter den Pfarrer für nicht grundsätzlich pädophil und seine abnorme Neigung für geheilt erklärt habe. Im Ordinariat sei K. dann seit 2003 zwölf Mal befragt worden, ob es zu Vorfällen gekommen sei, und der Priester habe stets verneint, beteuert Müller. In Riekofen fragte niemand aus dem Ordinariat nach dem Verhalten des Pfarrers.

Peter K. konnte sich ungehindert an seine Opfer heranmachen, was er offenbar auch tat. Bis sich der Vater aus Viechtach meldete und den Riekofenern das Verhalten des Geistlichen plötzlich suspekt war. Der Pfarrgemeinderat berichtet in einem Flugblatt, das an alle Haushalte der Pfarrei verteilt wurde: "Es gab zahlreiche Übergriffe von Peter K. auf unsere Ministranten.'' Für die Vermutung, dass es sich um mehr als einen Fall handelt, spricht die Tatsache, dass die Vernehmungen der Justiz immer noch andauern. Ermittelt wird seit Mitte August, am 30. August wurde K. festgenommen. Die Staatsanwaltschaft hatte den starken Verdacht, dass sich der Geistliche absetzen wollte.

Keine Entschuldigung

Seit der Festnahme von K. wartet die Pfarrgemeinde auf eine Entschuldigung des Bischofs. Am 1. September faxte dieser einen Brief an sie. Ein nigerianischer Aushilfspriester, der schwer verständlich Deutsch spricht, musste ihn in der Vorabendmesse vortragen. In Müllers Brief war von Betroffenheit und Wut die Rede. Entschuldigt hat er sich bislang nicht.

An diesem Samstag empfängt er den Bürgermeister von Riekofen, acht Tage später kommt der Bischof in die Pfarrkirche St. Johannes. In Riekofen glauben nicht mehr viele, dass Gerhard Ludwig Müller einen Fehler eingestehen wird. Ein Kirchenfürst wie er bittet nicht um Absolution beim Volk.

© SZ vom 13.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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