Milliardenrisiken der Bayern LB:"Es könnte weitere Wertberichtigungen geben"

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Nur scheibchenweise geben die Verantwortlichen bekannt, mit welchen Verlusten und Risiken die BayernLB tatsächlich zu kämpfen hat.

Klaus Ott

1. September 2007: Die BayernLB teilt mit, mit 1,9 Milliarden Euro in sogenannten Subprime-Papieren engagiert zu sein. Man rechne nicht mit Zahlungsausfällen.

Der bayerische Finanzminister Erwin Huber sagt, er habe nichts vom Ausmaß der Misere der BayernLB gewusst. (Foto: Foto: ap)

4. Dezember: Finanzminister Erwin Huber, Vize des Verwaltungsrats, erhält von der Bank einen Zwischenbericht: Zahlungsausfälle und Wertberichtigungen würden auf 1,44 Milliarden Euro geschätzt.

5. Dezember: Die BayernLB dementiert Berichte über Wertberichtigungen von gut einer Milliarde Euro. Es bestünden "derzeit nur geringe Ausfallrisiken".

11. Dezember: Huber im Landtag: "Derzeit ist nicht überschaubar, in welchem Umfang für das Jahr 2007 Wertberichtigungen vorgenommen werden müssen."

12. Dezember: Die BayernLB veröffentlicht einen Wertberichtigungsbedarf von 100 Millionen Euro und beziffert ihr Subprime-Engagement erneut auf 1,9 Milliarden Euro. Man könne in Ruhe abwarten, wie sich diese Papiere bis zum Ende ihrer Laufzeit in den Jahren 2010 und 2011 entwickelten. Die SPD-Opposition im Landtag bezeichnet das als "Illusion" und erhebt erstmals den Vorwurf, die CSU-Regierung wolle erst nach den Kommunalwahlen am 2. März 2008 die Wahrheit sagen.

19. Dezember: SPD-Fraktionschef Franz Maget fragt in einem Brief an Finanzminister Erwin Huber, wie hoch die Belastungen der Landesbank bei Subprime seien, und will zahlreiche Details wissen. "Ich bitte Sie um eine ausführliche und aufrichtige Beantwortung", schreibt Maget an Huber.

16. Januar 2008: Huber antwortet. Er verweist auf den von der BayernLB Mitte Dezember genannten Wertberichtungsbedarf in Höhe von 100 Millionen Euro. Ansonsten vertröstet er auf die Bilanz, die im April dem Verwaltungsrat vorgelegt werde. Der gelegentlich erhobene Vorwurf, dass gerade staatliche dominierte Banken von den Folgen der Krise besonders betroffen seien, "ist nicht zutreffend".

22. Januar: Der Verwaltungsrat, das Aufsichtsgremium der BayernLB, erhält vom Vorstand Informationen über die mögliche Belastung. "Wir haben intern über die Größenordnung gesprochen", sagt ein Verwaltungsratsmitglied später. Öffentlich sprechen Verwaltungsräte damals lieber von einem "schönen Gewinn" im Jahr 2007.

23. Januar: Vor Journalisten sagt Huber, "nach unserer Einschätzung wird sich wohl ein weiterer Korrektur- und Abschreibunsbedarf" bei der BayernLB ergeben. Später nimmt er für sich in Anspruch, damit der einzige "aus dem Verantwortungsbereich der Bank" gewesen zu sein, der "nachweislich und öffentlich auf dieses Risiko hingewiesen" habe.

27. Januar: Vorstandschef Werner Schmidt bezeichnet Presseberichte über eine Belastung in Höhe von zwei Milliarden Euro als "Mediengerüchte".

30. Januar: Huber sagt im Landtag, Zahlen gebe es erst Ende April. "Ich kann eine solche Zahl nicht nennen, weil sie nicht feststeht."

31. Januar: Diverse Vertreter des Sparkassenverbandes besprechen sich mit Naser. Er will dabei "Näherungswerte" über die Ausfälle und Wertberichtigungen genannt haben. Jedem, berichtet einer aus der Runde, sei klar gewesen, dass es nicht bei ein paar hundert Millionen Euro bleiben werde.

4. Februar: Ein knappes Dutzend Vertreter des Sparkassenverbands informiert sich in New York über die Situation. Sie sind ziemlich erstaunt darüber, welche Wertpapiere dort geschaffen und gehandelt werden.

6. Februar: Der wöchentliche Wasserstandsbericht des Vorstands an Huber schätzt die Ausfälle und Wertberichtigungen auf 1,89 Milliarden Euro.

12. Februar: Wieder trifft sich eine Runde von Vertretern des Sparkassenverbands mit Naser. Thema: das weitere Vorgehen. Naser will noch Ende Februar, also vor den Kommunalwahlen, die Sparkassen im Land über die Lage informieren. Von neun Uhr an sitzt auch der Vorstand der BayernLB zusammen - bis in den Abend hinein.

Irgendwann im Laufe dieser Sitzung beschließt er, die bisherige Strategie zu verlassen und nun doch vorläufige Zahlen zu veröffentlichen. Mitausschlaggebend war wohl ein Bericht der Leipziger Volkszeitung, die Risiken könnten bis zu 2,5 Milliarden Euro betragen. Zwischen 15 und 15.45 Uhr spricht Huber vor dem Haushaltsausschuss des Landtags und beteuert erneut, es gebe keine "festgestellte, belastbare Zahl".

Der Vorstand habe sich entschieden, Zahlen erst dann mitzuteilen, wenn sie endgültig feststünden. Nach Angaben der Grünen sagte er auch: Der BayernLB-Vorstand "hat bisher vorläufige geschätzte Zahlen nicht genannt". Das wäre falsch gewesen - schließlich nannte der Vorstand seit Wochen an Huber solche Zahlen.

Vom Beschluss des Vorstands, nun doch Zahlen zu veröffentlichen, will Huber erst um 16 Uhr erfahren haben. Da bekommen er und Naser nach eigenen Angaben den Entwurf einer Pressemitteilung mit den Zahlen. Beide beschließen, erst müsse es eine Sitzung des Verwaltungsrates geben.

13. Februar: Um 13 Uhr tagt der Verwaltungsrat, um kurz nach 16 Uhr gibt die Bank bekannt: "Aus heutiger Sicht" summieren sich die Zahlungsausfälle auf 150 Millionen Euro, um weitere 450 Millionen vermindert sich der Gewinn wegen des gesunkenen Werts von Wertpapieren. Die Bewertung weiterer Wertpapiere führe zu "Buchwertminderungen" von 1,3 Milliarden Euro - nach den Bilanzierungsregeln wirkt sich das aber nicht auf den Gewinn aus. Trotz alledem erwartet die BayernLB für 2007 ein positives operatives Ergebnis von einer Milliarde Euro.

Interessant ist: In dem Entwurf der Mitteilung vom Vortag liegt dieser Wert nach Angaben des Finanzministeriums noch bei 700 Millionen Euro. Binnen 24Stunden vermehrt sich das geschätzte operative Ergebnis also um 300 Millionen Euro. Angeblich sollen sich die Bankexperten wegen des Zeitdrucks erst verrechnet haben, was dann tags darauf korrigiert wurde.

14. Februar: Huber im Landtag: "Ich stelle fest, dass ich zu dem Zeitpunkt, zu dem ich im Haushaltsausschuss war, diese Zahlen nicht kannte, auch nicht kennen konnte. Jede gegenteilige Behauptung ist falsch und ehrenrührig." In der CSU ist der Unmut über Bankchef Werner Schmidt groß.

16. Februar: Die BayernLB teilt mit, sie halte Subprime-Papiere in Höhe von vier Milliarden Euro. In Telefonaten sprechen die Verwaltungsräte über Schmidts Zukunft - auch die Sparkassenseite drängt auf seine Ablösung.

18. Februar: Laut Verwaltungsräten ist klar: Schmidt muss gehen, Finanzvorstand Michael Kemmer soll sein Nachfolger werden.

19. Februar: Der Verwaltungsrat tagt, Schmidt erklärt seinen Rücktritt, Kemmer wird zum Nachfolger berufen. Im Landtag schließt Huber nicht aus, dass es weitere Wertberichtigungen geben könne. Das hänge "sehr stark von der Marktentwicklung" ab.

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