Merkel im Bierzelt:... und es wurde Ostern zu Pfingsten

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Wenigstens ein symbolisches Lob für den renitenten Minister von der CSU: Kanzlerin Angela Merkel redet ein Bierzelt in Unterschleißheim in Rage.

Lisa Sonnabend

Es ist kein Triumphmarsch. Angela Merkel geht gebückt. Nur mit Mühe schlängelt sich die Bundeskanzlerin an den Menschen im Bierzelt vorbei und erreicht das Podium. Sie lächelt nicht, sie reckt nur zaghaft die Hand.

Näher bei den Menschen: Ministerpräsident Seehofer, Kanzlerin Merkel und CDU-Generalsekretär Pofalla im Unterschleißheimer Bierzelt. (Foto: Foto: dpa)

Die Chefin von Bundesregierung und CDU ist auf Wahlkampfbesuch beim Volksfest in Unterschleißheim, einem Vorort von München. Noch sechs Tage bis zur Europawahl. Und zwei Tage nach der umstrittenen Entscheidung um die Zukunft von Opel.

Angela Merkel nutzt ihre insgesamt 75 Zelt-Minuten im Münchner Norden. In ihrer zu großen Teilen standardisierten Wahlkampfrede stärkt sie ihrem Wirtschaftsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) symbolisch den Rücken. So viel Unterstützung innerhalb der Unionsparteien erwartet das CSU-freundliche Bierzeltpublikum.

"Ich bin Wirtschaftsminister Guttenberg ausdrücklich dankbar, dass er den Finger immer wieder in die Wunde gelegt hat", erklärt die Kanzlerin über den freiherrlichen Juristen, der sich dem beschlossenen Rettungsplan mit Hilfe des Zulieferes Magna und des russischen Staats widersetzte und lieber für eine Plan-Insolvenz von Opel plädierte.

Im Bierzelt zu Unterschleißheim mag Merkel die gefühlte Nähe zu Guttenberg suchen - in Realität war sie gegen ihn und stimmte lieber dem SPD-Kanzlerkandidaten Frank-Walter Steinmeier zu, der sich frühzeitig auf Magna festgelegt hatte.

Die Kanzlerin verteidigt denn auch das Vorgehen bei der Opel-Rettung. Sie sagt, die Bundesregierung habe sich einschalten müssen, weil der Rüsselsheimer Autobauer gegenüber der US-Regierung keine Stimme gehabt hätte. Sie habe deswegen den amerikanischen Präsidenten Barack Obama angerufen. "Wer soll denn für Opel mit dem amerikanischen Staat sprechen?", fragt sie rhetorisch.

Der Affront gegen Guttenberg wird im stickig heißen Bierzelt über die Tiraden gegen den Opel-Mutterkonzern General Motors (GM) klein. "Bei GM hat es ein grandioses Missmanagement über Jahre gegeben", sagt Merkel: "Opel dagegen baut vernünftige Autos." Mit Magna habe Opel eine neue Chance bekommen. Nun gehe es darum, nicht nach politischem Kalkül zu handeln, sondern nach wirtschaftlichen Kriterien. "Sollten sie die Chance nicht nutzen, gilt das gleiche wie für jedes andere Unternehmen."

In Unterschleißheim will Angela Merkel noch einmal Punkte machen für die Europawahl, das zweite große politische Thema in dieser Woche. Und da in Bayern von den Unionsparteien nur die CSU zur Wahl steht, muss sie auch Guttenberg loben, den Shootingstar der Partei. Schließlich gilt es als nicht ausgemacht, dass die CSU bundesweit über die Fünf-Prozent-Hürde kommt - und damit wie bisher als eigenständige Partei ins Euro-Parlament einzieht.

Man könnte meinen, die Bundeskanzlerin wäre zu diesen Stunden in Berlin oder bei Opel in Rüsselsheim besser aufgehoben als in dem kleinen Vorort von München. In den Vorgärten blühen Rosen, eine Bewohnerin in Kostüm führt den Pudel Gassi und im Bierzelt weht der Geruch von gebratenem Hendl. Krise sieht anders aus.

Aber Angela Merkel weiß eben, dass die Bewohner von Unterschleißheim in dieser Woche für die Schwesterpartei CSU wichtig sind. Im vergangenen Herbst war der CDU-Chefin vorgeworfen worden, sie habe die CSU im Wahlkampf im Stich gelassen. Nicht nur in Unterschleißheim, auch auf dem Marienplatz in München wartete man vergebens auf die große Politikerin aus Berlin.

Jetzt erscheint sie tatsächlich am Pfingstmontag in Unterschleißheim - mit einem Blazer, dessen grelles Lila schön zu Ostern gepasst hätte. Zwar protestieren vor dem Bierzelt junge Menschen gegen Studiengebühren und innen drin erntet Angela Merkel Pfiffe von den anwesenden Milchbauern. Doch der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer, der die Bundeskanzlerin begleitet hat, ist dankbar für den Besuch. Wie ein Bodyguard, der es zur Aufgabe hat, den hohen Gast zu schützen, steht er neben ihr.

Keine Sticheleien, keine Kritik - sondern nur uneingeschränktes Lob für die Bundeskanzlerin und die Beziehungen zwischen CDU und CSU. Die Welt ist heil, wenn Zeltplanen sie begrenzen. "Wenn die Chefin kommt, bin ich nur Messdiener", weihräuchert sagt Horst Seehofer zur Begrüßung. Auch der Bürgermeister und der CSU-Generalsekretär richten ihre Ergebenheitsadressen persönlich aus. Der im Zelt anwesende CDU-Generalsekretär Ronald Pofalla registriert's mit dankbarem Lächeln. Am Schluss klatschen die Leute im Stehen.

Angela Merkel nimmt doch noch ein Schlückchen aus dem Bierkrug. Dann geht es weiter. Nach dem bierseligen Zelt-Event und dem freundlichen Empfang in Bayern reist Merkel weiter zu einer Kundgebung in Greifswald. Es folgen Auftritte in Saarbrücken, Köln, Görlitz, Frankfurt an der Oder, Belin, Frankfurt am Main und Heidelberg.

Sie wird noch viel zum Thema Opel sagen - wahrscheinlich aber weniger über Minister Guttenberg. Schließlich ist sie nicht mehr in Bayern.

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