Marienberg:Baufälliges Oberstübchen

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Die Kapelle auf dem Marienberg liegt hoch auf einem Sporn über dem Tal der Salzach. (Foto: Magnus Manske)

Kronprinz Ludwig rettet 1812 mit deftigen Worten Kapelle vor Abriss

Von Heiner Effern, Marienberg

Die Jahre nach der Säkularisation muteten den Bauern an der Salzach allerhand zu. Mal regierten die Bayern, mal die Österreicher, dann kam 1809 auch noch Kaiser Napoleon aus Frankreich und zog mit seinen Truppen im nahen Burghausen ein. All das ließen die Bauern über sich ergehen, doch als es um die Jungfrau Maria ging, hatte die Schicksalsergebenheit ein Ende. 14 Männer muckten gegen die Pläne der Obrigkeit auf, ihre hoch über der Salzach aufragende Kirche in Marienberg niederzureißen. Sie opponierten so unbelehrbar und widerspenstig, dass sie deshalb sogar ins Gefängnis nach Salzburg mussten. Derweil kämpften ihre Frauen weiter. Erst Kronprinz Ludwig setzte dem jahrelangen Ringen ein Ende.

Am 7. Juni 1812 machte dieser mit seiner Gattin Therese auf einer Reise in Burghausen Station. Ludwig ließ es sich nicht nehmen, die einige Kilometer entfernte Kirche Marienberg persönlich zu besuchen. Der Landrichter Franz von Armansperg hatte im Rahmen der Säkularisation deren Abriss verfügt. Er soll sie als baufällige Feldkapelle beschrieben haben, um seine Absicht plausibel zu machen. Dabei sah Ludwig an diesem regnerischen Tag das Gleiche wie die Besucher heute: ein prächtiges Gotteshaus hoch auf einem Sporn über dem Tal der Salzach gelegen. Die Zisterzienser im nahen Kloster Raitenhaslach hatten Marienberg als ihre Filialkirche erst im Jahr 1764 neu eröffnet, nach vierjähriger Bauzeit. Die Deckenfresken stammen von Martin Heigl, einem Schüler Johann Baptist Zimmermanns. Kronprinz Ludwig soll nach der Besichtigung in seiner deftigen Art den Landrichter zurechtgewiesen haben: Wenn hier etwas baufällig sei, erklärte er Franz von Armansperg, dann sei das wohl dessen Oberstübchen.

Eine Zeit lang ging es zwar nach dem Machtwort noch hin und her. Einmal mussten sich die Bauern von Marienberg in Burghausen sogar noch körperlich züchtigen lassen, weil sie die kostbaren Messgewänder nicht herausrücken wollten. Doch die Marienkirche war gerettet und eine lange Tradition lebte weiter. Im Jahr 1143 war erstmals eine Capella zu Marienberg erwähnt worden. Als die Wallfahrt dorthin immer größer wurde, entschlossen sich die Zisterzienser von Raitenhaslach zum kompletten Neubau. Dieser steht meist im Schatten der dortigen Klosterkirche, die vor üppigem Barock nur so strotzt. Doch das Bistum Passau, das nach einigen Wirren schließlich die Hoheit über das Salzachland gewann, würdigte Marienberg im Jahr 1829 mit Worten, denen auch heute nach einer gründlichen Sanierung (2001 bis 2011) nichts hinzuzufügen ist. Die Kirche müsste, so hieß es, unbedingt für kommende Generationen erhalten werden, weil sie "durch ihre schöne, eine schauerliche Gegend erheiternde Lage, durch die Festigkeit ihres Baus, durch ihren architektonischen Wert . . . vielleicht allen Landkirchen unseres Vaterlandes den Vorrang abgewinnt."

© SZ vom 18.08.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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