Machtkampf in der CSU Regensburg:Feindliche Übernahme

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Der Aufstieg Thomas Fürsts in der Regensburger CSU ist zum Lehrstück über Skrupellosigkeit und Wegschauen in der Politik geworden.

Heribert Prantl

Als Regensburg noch eine mittelalterliche Metropole war, begab es sich, dass Otto der Große samt Gefolge zu einem Gastmahl ins Reichskloster Sankt Emmeram eingeladen war. Der Kaiser hatte wohl kräftig einen über den Durst getrunken und fing zur Erheiterung der Mönche an, plattdeutsch zu reden.

Lange haben sie ihn gewähren lassen, nun hat der umstrittene Thomas Fürst die Regensburger CSU unter seiner Kontrolle (Foto: Foto: dpa)

Andere aus dem Hofstaat taten es ihm nach - und ein feiner Pinkel begann, über den Heiligen Emmeram zu lästern und zu höhnen. Daraufhin trat, so schildert es der Mönch Otloh, der Heilige selbst aus der Mauer und versetzte dem dreisten jungen Herrn drei so kräftige Tritte, dass er wie tot umfiel.

Heute gibt es Unverschämtheiten noch viel dreisterer Art in Regensburg, ganz ohne Alkoholeinfluss: Es kursieren dort Nazi-Parolen und dreckige Sprüche über Ausländer, es machen immer wieder Geschichten die Runde über Wahlhelfer und Nachwuchspolitiker mit Hakenkreuz-Fahnen und Pornofilmen im Partykeller.

Die jungen Wahlhelfer sind mittlerweile Funktionäre, im Stadtrat gar, und sie haben die Partei in Regensburg unter ihre Kontrolle gebracht. Bei dieser Partei handelt es sich nicht etwa um die rechtsradikale DVU oder um die NPD, sondern um die CSU.

Seit bald zehn Jahren ist in Regensburg eine erst schleichende, dann galoppierende Vergiftung der CSU zu beobachten. Aber anders als vor tausend Jahren im Kloster Emmeram schreitet heute niemand gegen den Herrn ein, von dem diese Vergiftung ausgeht.

Die CSU drückt sich

Der Herr heißt Thomas Fürst - und der Tripel-Tritt hieße heute: erstens Verweigerung von neuer Nominierung, zweitens Fraktions- und drittens Parteiausschluss.

Aber die CSU drückt sich immer noch vor dem scharfen Schnitt und lässt einen Karrieristen gewähren, den es in die oberen Ränge der Politik drängt. CSU-Oberbürgermeister Schaidinger, ein wackerer und erfolgreicher Politiker, hat zu spät Alarm geschlagen.

Und seine Partei hat auf Kreis-, Bezirks- und Landesebene viel zu lange zugeschaut; sie hat die braunen Geschichten jahrelang unter den Teppich gekehrt und gemeint, der Gewinn, den man von den vermeintlich nützlichen Idioten habe, sei größer als der Schaden.

Dies hat einige Zeit lang funktioniert - der smarte Versicherungsvertreter Fürst, der sich als guter Katholik geriert, schien ein brauchbarer Stimmenfänger und Jungbrunnen zu sein; man hielt ihn sich in der örtlichen CSU wie einen kleinen Jörgl Haider.

Aber dann brachten er und sein Netzwerk das Heft des Orts- und Kreisverbands in die Hand. Jetzt steht die Kommunalwahl vor der Tür, die Partei ist verseucht und der CSU-Oberbürgermeister Schaidinger muss darüber nachsinnen, ob er mit einer eigenen Liste antreten muss, weil er auf einer angebräunten CSU-Liste nicht stehen will und kann. Der Fall Regensburg ist ein Lehrstück über Skrupellosigkeit und Wegschauen.

Vor dem politischen Bankrott

Das Sprichwort sagt es so: Wenn das Aug' nicht sehen will, helfen weder Licht noch Brill'. Die jüngere CSU-Geschichte in Regensburg ist die Geschichte einer feindlichen Übernahme - mit dem Unterschied, dass die CSU geglaubt hat, es sei doch alles in Ordnung, wenn man einfach den Antagonisten zum Protagonisten macht und ihm Raum, Arbeit und Posten gibt.

Vielleicht war und ist es auch so, dass das Gedankengut von Rechtsaußen in der CSU nicht wirklich ein Problem darstellt, so lange es dem Image nicht schadet.

Nun sind die letzten Dinge schlimmer als die ersten: Die CSU in Regensburg steht vor dem politischen Bankrott, weil die Kreis-, Bezirks- und Landesvorsitzenden nicht zur richtigen Zeit den Mut und nicht die Klugheit hatten, das Richtige zu tun. Parteichef Edmund Stoiber war zu sehr mit sich selbst beschäftigt.

Und bei seinen Adlaten war die Angst vor juristischen Auseinandersetzungen offenbar ebenso groß wie die Hoffnung, die "Spaltung" in Regensburg vielleicht doch noch zu überwinden und die "Gegner" zu versöhnen. Es gibt aber keine Versöhnung mit braunem Gedankengut.

Angela Merkel hat das auf Bundesebene demonstriert: Im Jahr 2003 setzte sie den Ausschluss des damaligen CDU-Bundestagsabgeordneten Martin Hohmann durch, der in einer antisemitischen Rede den Juden selbst die Schuld an ihr Verfolgung zugeschoben hatte.

Dubiose Umtriebe

Erst erwirkte Merkel (nicht ganz risikolos, immerhin gab es 44 Gegenstimmen aus der Bundestagsfraktion) den Ausschluss Hohmanns aus der Unions-Fraktion im Bundestag, dann folgte das Ausschlussverfahren aus der CDU.

Hohmann klagte dagegen vor den Zivilgerichten - und verlor. Was ist aus dem Stolz der CSU geworden, wenn sie die Klagen von einigen politischen Parvenüs fürchtet?

Zuletzt hoffte die CSU darauf, dass ihr die Regensburger Staatsanwaltschaft die Arbeit abnimmt und Thomas Fürst wegen Volksverhetzung abstraft. Aber die Juristerei hat ihre Tücken - da gibt es zum Beispiel Verjährungsfristen.

Und: wenn nur im kleinen Kreis gehetzt wird, handelt es sich juristisch nicht um Volksverhetzung. Aber: Wenn etwas aus solchen Gründen juristisch nicht strafbar ist, ist es noch lange nicht politisch sauber.

Sicherlich: Das Parteiengesetz setzt die Hürden für die finalen Maßnahmen gegen Mitglieder bewusst hoch. Es will die innerparteiliche Demokratie hochhalten. Es soll nicht einfach einer nur deswegen diszipliniert werden, weil er einmal eine andere Meinung hat.

Im Fall Regensburg geht es aber nicht um innerparteiliche Demokratie; es geht vielmehr um die Distanzierung von dubiosen Umtrieben. Der Fall Regensburg ist auch ein Fall, an dem sich die Grundsätze der CSU entscheiden.

© SZ vom 16.07.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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