Bayern:Baurecht bringt Baumhaus zu Fall

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Die bauliche Leistung nötigte sogar dem Leiter des Lappersdorfer Ordnungsamtes Respekt ab - trotzdem wird dieses Baumhaus aus dem Geäst verschwinden. (Foto: Armin Weigel)

Sieben Stockwerke hoch und bis zu 15 Meter über dem Boden: In 15 Monaten haben Jugendliche in Lappersdorf bei Regensburg "das wahrscheinlich größte Baumhaus Deutschlands" gebaut. Nun muss es abgerissen werden.

Von Wolfgang Wittl

Sage noch einer, die Jugend von heute sei destruktiv. Habe keine Ausdauer. Und keinen Ehrgeiz, Dinge anzupacken. Bei Michael, 16, und seinen Freunden war es genau umgekehrt - und dann war es auch nicht recht, wobei das Wort "recht" in diesem Fall durchaus wörtlich zu nehmen ist. So wird nun abgerissen, was einst mühsam aufgebaut wurde.

Wie viele Arbeitsstunden seine zehn Helfer und er auf dieses Projekt verwendeten, vermag Michael nicht zu sagen. Es müssen Hunderte gewesen sein. In 15 Monaten errichteten sie in Lappersdorf bei Regensburg "das wahrscheinlich größte Baumhaus Deutschlands", wie sie auf ihrer Internetseite priesen: sieben Stockwerke hoch, bis zu 15 Meter über dem Boden. Brücken verbanden die einzelnen Ebenen, sogar ein Ortsschild hatten sie angebracht: "Baumhausen" stand darauf, die Bezeichnung "31. Ortsteil von Lappersdorf" schien nicht übertrieben zu sein.

Als die Lokalzeitung darüber berichtete, war die Freude groß: "Endlich Publicity" lautete ein Eintrag auf der Homepage. Doch rasch stellte sich heraus, dass auch Baumhäuser - und seien sie noch so beeindruckend - nicht ohne weiteres in den Himmel wachsen dürfen.

Denn als die Marktgemeinde von der Geschichte erfuhr, reagierte sie umgehend. Für Bürgermeister Erich Dollinger erwies sich der Holzbau als Kindheitstraum und Albtraum zugleich. So toll er das Baumhaus fand, so sehr fürchtete er, dass einer der Jugendlichen abstürzen und sich verletzen könnte. Polizei und Landratsamt teilten diese Auffassung. Da der Bau auf Gemeindegrund stand, würde der Bürgermeister bei einem Unglück in die Haftung genommen werden.

"Ein traumhaftes Versteck"

Zwei Tage später entfernte der Bauhof die Aufstiegshilfen bis in zwei Meter Höhe, zwei Schilder kündeten fortan: "Betretungsverbot, Lebensgefahr". Doch so einfach wollten die Erbauer nicht aufgeben. Und weil auch der Bürgermeister und seine Mitarbeiter mal jung waren und sich freuen, wenn der Nachwuchs lieber in der Natur rumwerkelt, als am Bahnhof abzuhängen, kam es weitere fünf Tage später zu einem Krisentreffen, um das Unternehmen vielleicht doch noch zu retten.

Anwesend waren: der Bürgermeister, der Polizeichef, zwei der jugendlichen Baumeister mit ihren Eltern, der Bauamtsleiter, der Bauhofleiter sowie Stefan Landgraf, der Chef des Ordnungsamtes. "Als Kind hätte ich gesagt: ein traumhaftes Versteck", gibt Landgraf offen zu. Der Verwaltungsfachmann in ihm sagte allerdings etwas anderes, nämlich dass "eine Aufhebung der Haftungspflicht für die Kommune im Grunde unmöglich" sei.

Guter Wille war den Beteiligten nicht abzusprechen. Sie wälzten baurechtliche Fragen in einer bürokratischen Gründlichkeit, als ginge es um einen Hochhauskomplex: Ein Gedankenmodell etwa sah vor, das Grundstück an die Eltern zu vermieten. Das würde die Marktgemeinde jedoch auch nicht von ihrer Verkehrssicherungspflicht entbinden, warnten Juristen. Auch der Vorschlag, die Höhe des Baumhauses gemäß der Spielplatzrichtlinien zu reduzieren, wurde verworfen. Wie auch die Idee, einen Fallschutz zu errichten. Sogar die Vorschriften für Bauwerke im Außenbereich wurden geprüft, die gemeinhin landwirtschaftlichen Zwecken vorbehalten sind.

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Entscheidend, sagt Ordnungsamtsleiter Landgraf, sei letztlich immer der Sicherheitsaspekt gewesen. Er habe große Hochachtung vor der baulichen Leistung, aber "die Jungs hatten einen Riesendusel, dass nichts passiert ist". Lust, das Baumhaus selbst zu erkunden, habe er übrigens zu keiner Zeit verspürt: "Ich bin doch nicht lebensmüde."

Selbst die Eltern seien ja hin- und hergerissen gewesen, ob sie das Projekt gutheißen könnten. Sechs Meter hochklettern, mit einer Hand festhalten, mit der anderen ein Türchen öffnen, noch mal etliche Meter weiter nach oben - darauf könne er gerne verzichten, sagt Landgraf.

Für Michael und seine Freunde endet damit der nächste Traum vom Eigenheim. Schon als Zweitklässler habe er begonnen, Baumhäuser zu bauen, sagt der Gymnasiast. Überdauert hat keines. Jetzt ist er in der zehnten Klasse, es sollte das Meisterstück werden. In einer Satzung hatte die Gruppe sogar Verhaltensregeln formuliert. In Paragraf 4 heißt es: "Über sowohl Neubau als auch Abriss eines Gebäudes auf dem Baumhausen-Areal kann ausschließlich in der Führungsebene entschieden werden."

Am Donnerstag sollten Bauhof-Mitarbeiter auch ohne ihre Zustimmung mit einer Hebebühne anrücken. Und so wird das Baumhaus nun zerstört, wie jedes andere vor ihm auch - zum ersten Mal allerdings auf Gemeindekosten.

© SZ vom 25.10.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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