Landesparteitag in Maxhütte-Haidhof:Piraten wollen echte Bayern werden

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Am Wochenende wollen die bayerischen Piraten entscheiden, mit welchem Führungsteam sie in den Landtagswahlkampf ziehen. Doch derzeit herrscht "Katerstimmung" - die Kritik an der bundespolitischen Fixierung der Partei wächst.

Oliver Hollenstein

Am kommenden Wochenende wollen die bayerischen Piraten entscheiden, mit welchem Führungsteam sie in den Landtagswahlkampf ziehen. Das etablierte Gespann aus Parteichef Stefan Körner und Geschäftsführer Aleks Lessmann steht in der Kritik: Die Partei kreise zu viel um sich selbst, vermittele ihre Themen nicht, konzentriere sich zu viel auf bundesweite Debatten und vergesse den Landtagswahlkampf.

Die Konkurrenten Christina Grandrath und Bruno Kramm wollen das anders respektive besser machen: Mehr Bayern, Themen selbst setzen, weniger streiten, ist ihre Losung. Am zweiten Tag des Parteitreffens in Maxhütte-Haidhof in der Oberpfalz könnte es dann auch um Inhalte gehen.

"Es herrscht derzeit Katerstimmung", beschreibt Bruno Kramm den Zustand seiner Partei. Der 44-jährige Musikproduzent aus dem oberfränkischen Wirsberg ist für die Bundespiraten das Gesicht in der Urheberrechtsdebatte. "Es gab viele Leute, die mich in den vergangenen Monaten gefragt haben, ob ich als Geschäftsführer in Bayern kandidieren könnte - sonst würde ich das nicht machen", sagt er.

Der Kater resultiert aus dem Dilemma einer Partei, die vor allem Menschen anzieht, die frustriert von den festgefahrenen Strukturen der etablierten Parteien sind. Innerhalb weniger Monate schoss die Mitgliederzahl in Bayern von 2600 auf 7000. Doch inzwischen stellen viele fest, dass Demokratie auch bei Piraten bisweilen anstrengend ist. Jüngst gab es gar eine Austrittswelle.

Ein Reinigungsprozess nach der Euphorie sei das gewesen, sagt Stefan Körner. Der 44-Jährige ist seit zwei Jahren der oberste Pirat in Bayern und das bekannteste Gesicht der Partei. Bei uns sind alle gleich, jeder darf alles sagen, die Richtung bestimmt die Basis, betont er gerne die Grundsätze der Politneulinge. Ausgetreten seien jüngst vor allem Personen, die sich mit der "Piraten-Kultur" nicht arrangieren konnten.

In dieser Kultur hat für Körner auch der Vorstand eine klare Rolle. "Wir sind lediglich Verwalter, Organisator, Dienstleister", sagt er. Was er als Chef zu tun habe, entscheide die Basis - bis ins Detail. "Ich stelle mich im Wahlkampf nicht hin und entscheide, wir nehmen Plakat eins, drei und fünf."

Wahlen werden mit Argumenten gewonnen, nicht mit Gesichtern

Es ist der Urglaube der Piraten: Themen stehen im Zentrum, Wahlen werden mit Argumenten gewonnen, nicht mit Gesichtern. Aber basisdemokratisch Argumente abzuwägen ist ein mühsamer Prozess. Deswegen wird das Wahlprogramm wohl erst nächsten März fertig sein. Und so murren einige an der Basis, dass es zwar schon Standpunkte bei bayerischen Themen gebe - das öffentlich aber unbekannt sei.

An diesem Punkt setzt die Kritik der Gegenkandidaten an. "Ich bin nicht besser, sondern anders als Stefan", sagt Christina Grandrath, die am Samstag gegen Körner antritt. "Mir geht es darum, die Piraten für den Wahlkampf fit zu machen. Wir haben die Themen", sagt die 31-Jährige aus Erlangen. "Aber wir scheitern an der Außendarstellung." Die Partei reagiere viel zu häufig nur auf Debatten aus anderen Parteien oder auf Kritik in den Medien. "Wir müssen stärker eigene Themen setzen."

Die Partei müsse stärker zu "bayerischen Piraten" werden, sagt auch Bruno Kramm. "In der Kulturpolitik, in der Bildungspolitik, beim Thema Migration und Asyl haben wir gute Positionen. Und auch bei vielen kommunalen Themen - etwa Breitbandausbau - haben wir etwas zu sagen."

In Bayern würden die Wahlen vor allem auf dem Land gewonnen. "Wir werden nach außen derzeit noch viel zu sehr als urbane Partei wahrgenommen. Dabei können wir die CSU mit unseren Themen vor uns hertreiben." Körner und Lessmann betonen, sie hätten sehr wohl Erfolge in der bayerischen Politik vorzuweisen. Zum Beispiel die Unterschriftensammlung gegen Studiengebühren sowie die Strafanzeige gegen Innenminister Joachim Herrmann wegen des Bayern-Trojaners.

Bis zu 350 Parteimitglieder erwartet der Vorstand am Wochenende - fast doppelt so viele wie vor einem Jahr. Vor den Wahlen haben die Mitglieder die Möglichkeit, die Kandidaten ausführlich zu befragen. "Kandidatengrillen", nennen die Piraten das - und das kann erfahrungsgemäß dauern. Danach soll dann auch noch inhaltlich gearbeitet werden, betont der Vorstand. Wenn es gut läuft, sei für die 197 Seiten Anträge noch der ganze Sonntag da. Vom kostenlosen Kindergarten über Eisenbahn-Netzausbau bis zu Agrarsubventionen reicht das Themenspektrum. Was am Wochenende nicht abgehandelt wird, muss verschoben werden, heißt es.

Vermutlich wird es viel sein. Der nächste Parteitag ist schon im Oktober. Aber da wird wohl wieder keine Zeit für Inhalte sein. Dann geht es um die Aufstellung der Kandidaten für die Bundestagswahl.

© SZ vom 13.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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