Kratzer Wortschatz:Wie erfunden für Ludwigs tragisches Ende

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Ein berühmter Vers über den Tod von König Ludwig II. endet mit den Worten: . . . "haben ihn in See neigestessn / indem sie ihn von hint angerennt". In See neigestessn! Demnach wurde Ludwig also ermordet

Von Hans Kratzer

neigstessen

König Ludwig II. ist der populärste Bayer aller Zeiten. Obwohl sein Tod im Starnberger See schon 130 Jahre her ist, giert das Volk immer noch nach Neuigkeiten über den König. Ohne seine Schlösser und ohne seinen Mythos wäre das Land Bayern für Touristen wohl nur halb so interessant. Nun ist ein Brief aufgetaucht, den er kurz vor seinem Tod geschrieben hat. Er nährt den Verdacht, dass Ludwig II. nicht so verrückt war wie die alten Gutachten suggerierten. Ist der König also doch ermordet worden? Auch im alten König-Ludwig-Lied wurden schon früh Gerüchte über ein Komplott verbreitet: "Nach Schloß Berg hams dich gefahren / in der letzten Lebensnacht, / da wurdest du zum Tod verurteilt / noch in derselben grauen Nacht. / Der Doktor Gudden und der Bismarck, / den man den falschen Kanzler nennt, / haben ihn in See neigstessn, / indem sie ihn von hint angerennt." In See neigstessen! Demnach wurde Ludwig also in den See hineingestoßen. Das Partizip neigstessen klingt, als wäre es eigens für Ludwigs tragisches Ende erfunden worden. Auf dem Land würde man einigstessen sagen, neigstessen ist die etwas vornehmere Dialektvariante, wie sie der Schauspieler Walter Sedlmayr gepflegt hat. In der Causa Ludwig II. aber ist neigstessen als Synonym für ermordet zu verstehen. Denn im flachen Wasser wäre der König, der ein guter Schwimmer war, bestimmt nicht ertrunken, wenn man ihn "nur" neigstessen hätte.

gstarrad

Die Uhr Ludwigs II. blieb am 13. Juni 1886 um 18.54 Uhr stehen. Als gut drei Stunden später die Leichen des Königs und des Arztes Gudden am Ufer des Starnberger Sees gefunden wurden, war bei beiden die Totenstarre eingetreten. Der König war also gstarrad (gstarrert). Aber auch Lebende können bereits gstarrad sein. Ein Kollege war neulich in einer Muckibude, um seinen Body zu stählen. Er hatte nicht bedacht, dass er an Lebensjahren nicht mehr der frischeste ist und der Körper eingerostet war. "Mensch, war ich gstarrad!", wunderte er sich.

© SZ vom 12.09.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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