Kommunalwahl 2008:Der Ude von Nürnberg

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SPD-Oberbürgermeister Maly hat sich in Nürnberg eine unangefochtene Stellung erarbeitet - auch mit Becksteins Hilfe.

Olaf Przybilla

Kürzlich saßen Ulrich Maly, SPD-Oberbürgermeister von Nürnberg, und Klemens Gsell, sein Herausforderer von der CSU, gemeinsam auf einem Podium. Es muss wohl ihr sechstes Aufeinandertreffen gewesen sein im Nürnberger Wahlkampf, und es folgten einige weitere.

Ulrich Maly gilt als wichtigster Sympathieträger der Stadt (Foto: Foto: ddp)

Durchwegs ging es in diesen Gesprächen darum, worin der grundlegende Unterschied bestehen soll zwischen dem 47 Jahre alten Oberbürgermeister Maly und dem 46 Jahre alten Bürgermeister Gsell.

In besagter Runde hatte Gsell angekündigt: Am Ende werde jedem klar sein, was er, der Herausforderer, anders machen will als der Amtsinhaber. Das Gespräch plätscherte anderthalb Stunden vor sich hin, ohne große Differenzen, bis den Moderatoren der Kragen zu platzen drohte. Sie gestanden beiden genau einen Satz zur Beantwortung der Frage zu, welchen schlimmsten aller schlimmen Nürnberger Nachkriegsbauten Maly abreißen würde, wenn er könnte - und welchen Gsell. Maly sagte: "Die Dresdner Bank." Gsell sagte: "Ich auch."

Wer sich in diesen Tagen umhört an den Wahlständen der Halbmillionenstadt, bekommt immer wieder zu hören, dass es Gsell nicht einmal ansatzweise gelungen sei, so etwas wie Wechselstimmung in Nürnberg zu erzeugen. Selbst bei der CSU finden sich leicht Spitzenpolitiker, die man stöhnen hören kann: "Sogar in meinem Ortsverband wollen sie den Maly wählen."

In der Nürnberger Abendzeitung bekannte sich jüngst ein Spitzenmanager aus Nürnberg unumwunden zur CSU - als Oberbürgermeister komme für ihn gleichwohl kein anderer als Maly in Frage. Ganz so deutlich darf sich die örtliche Industrie- und Handelskammer nicht vernehmen lassen. Dass sich der Oberbürgermeister und der IHK-Präsident schätzen und offen duzen, wird indes nicht mehr verheimlicht.

Noch nie in der Nachkriegsgeschichte Nürnbergs galt das Verhältnis zwischen der Kammer und dem Stadtoberhaupt als ähnlich entspannt wie unter dem promovierten Volkswirt Maly. Und selten war der Draht in die Staatskanzlei ähnlich gut wie bei dem SPD-Amtsinhaber.

Wer Günther Beckstein momentan auf das Nürnberger Stadtoberhaupt anspricht, bekommt immer die gleiche Satzeinleitung zu hören: "Ich kann nicht verheimlichen, dass..." Es folgt stets eine Sympathie-Adresse in Richtung Maly, die sich noch vor wenigen Monaten offen bewundernd anhörte - und kurz vor Schluss des Wahlkampfs nur unwesentlich weniger.

Anschließend fügt Beckstein meist hinzu, dass die Universitätsstadt Erlangen - von der CSU regiert - gelegentlich etwas dynamischer operiere als die historische Arbeiterstadt Nürnberg. Das aber hört sich so pflichtschuldig an, als wolle der Ministerpräsident andeuten, dass er dies nun sagen müsse, weil sonst wieder der von ihm geführte CSU-Bezirksverband aufheult.

Dem CSU-Kandidaten Klemens Gsell ist es nicht gelungen, eine Wechselstimmung zu erzeugen. (Foto: Foto: dpa)

Maly nennt den Ministerpräsidenten im Gegenzug den "ersten Lobbyisten Nürnbergs". Nicht ohne Grund: In Malys Amtszeit wurde das Kongresszentrum mithilfe des Freistaats zu einer der ersten Adressen in Europa ausgebaut. Aufsichtsrat war dort bis in die vergangene Woche: Günther Beckstein.

In Malys Amtszeit boomte auch der Flughafen - mit dem Aufsichtsrat Beckstein. Nürnberg wurde Zielpunkt der modernsten ICE-Strecke Deutschlands, in der Metropolregion werden dreistellige Millionensummen in den Ausbau der S-Bahn investiert. Wer von Augsburg aus auf das Autobahnnetz um Nürnberg blickt, der könnte seine eigene Stadt für das Ende der Welt halten. Dass der ehemalige Innenminister, zuständig für den Straßenbau, daran maßgeblich mitgewirkt hat, bezweifeln selbst eingefleischte Nürnberger Sozialdemokraten nicht.

Hätte aber der Bewerber Gsell nicht doch mehr tun müssen, als mit Beckstein auf einem Plakat zu posieren? Hätte er nicht mehr Maly angreifen müssen? Nach einer Umfrage, die von der CSU in Auftrag gegeben wurde, aber den Amtsinhaber mehr als 15 Prozentpunkte vor dem Herausforderer sieht, fragen sich das sehr viele Nürnberger Christsoziale.

Die wenigsten indes glauben zu wissen, was Gsell hätte anders machen müssen. Die Situation in Nürnberg ähnelt frappierend der in München: Wie der Sozialdemokrat Christian Ude gilt auch der Nürnberger Oberbürgermeister selbst in wertkonservativen Kreisen als wichtigster Sympathieträger der Stadt.

Wollte man Maly in einer Art Nürnberger Nockherberg karikieren, man müsste die Singspielfigur sehr ähnlich wie die von Ude anlegen: Ein Bonvivant, der bisweilen vor Geist nur so sprühen kann - wie bei Ude bliebe dann als satirisch verwertbare Eigenschaft am ehesten die Selbstverliebtheit. Ganz anders als der CSU in München fehlten Gsell aber auch andere Angriffsflächen: Während im Münchner Stadtrat Rot-Grün regiert, sitzt die CSU unter Maly seit sechs Jahren mit am Tisch eines rot-grün-schwarzen Rathausbündnisses. Man habe schließlich die meisten Entscheidungen mitgetragen - verteidigt Gsell seine Beißhemmung.

© SZ vom 28.2.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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