Kommentar:Der politische Mut fehlt

Die Entscheidung des Amtsgerichts Sonthofen zum Kirchenasyl zeigt, dass es eine grundsätzliche Klärung braucht. Doch die Regierenden ducken sich weg

Von Dietrich Mittler

Wieder einmal sollte ein bayerisches Gericht die Grundsatzfrage klären, ob es für Geistliche strafbar ist, wenn sie Kirchenasyl gewähren. Der Sonthofener Amtsrichterin war die Erleichterung anzusehen, als sich der angeklagte Pfarrer auf die von ihr vorgeschlagene Einstellung des Verfahrens wegen geringer Schuld einließ. Selbst das Oberlandesgericht München hatte es 2018 in seiner Entscheidung zum Kirchenasyl tunlichst vermieden, von einem Grundsatzurteil zu sprechen.

Jedes Gericht könne "nur die geltenden Gesetze anwenden", so hatte die Sonthofener Richterin zu Recht argumentiert. Es sei Sache der Politik, eine Lösung zu schaffen, wie die Justiz mit den Geistlichen umgehen soll. Heißt im Umkehrschluss: Der Staat lässt die Gerichte im Regen stehen. Um den Unmut der Kirchen im Zaum zu halten, gab der frühere Ministerpräsident Horst Seehofer - nun Bundesinnenminister - zwar gerne unverbindliche Statements ab. Mal sagte er Pfarrern seine Unterstützung beim Kirchenasyl zu, mal äußerte er als Christ Respekt vor der "Tradition des Kirchenasyls". Wirklicher Schutz für die Geistlichen? Fehlanzeige. Dabei trugen die vielfach dazu bei, dass das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge falsche Bescheide korrigierte.

Stattdessen lautet bei den Regierenden die Devise: wegducken. Die Zusicherung von Innenminister Joachim Herrmann, kein Kirchenasyl mehr durch polizeilichen Zwang zu beenden, ist durch keine schriftliche Anweisung belegt - zumindest hat die noch kein Amtsgericht gesehen. Politischer Mut sieht anders aus. Der ist derzeit nur bei Pfarrern wie Ulrich Gampert aus Immenstadt zu beobachten.

© SZ vom 20.09.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: