Klimawandel:Die Liste der Versäumnisse

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Die Staatsregierung versammelt sich auf der Zugspitze, um über Maßnahmen für den Klimaschutz zu diskutieren. Dabei könnte der Freistaat selbst mehr für die Umwelt tun und nach Ansicht von Umweltschützern mehr zur CO2-Vermeidung beitragen.

Christian Sebald und Kassian Stroh

An diesem Dienstag macht die Staatsregierung einen Betriebsausflug auf die Zugspitze, um drei Stunden lang nur über ein Thema zu reden: Was kann Bayern gegen den Klimawandel tun? Alle Ressorts sollten im Vorfeld Vorschläge beisteuern.

Badende Kinder am Starnberger See: Der Freistaat hat selbst noch viele Möglichkeiten, stärker Klimaschutz zu betreiben. (Foto: Foto: dpa)

"Wir wollen gemeinsam ein Zeichen setzen, dass der Klimaschutz noch mehr ein Handlungsschwerpunkt der Politik in Bayern sein wird", kündigt Ministerpräsident Edmund Stoiber an. In der Vergangenheit war das nicht der Fall, wie nachfolgende Beispiele zeigen.

Und dass Klimaschutz nicht einfach ist und jedem, auch CSU-Politikern, etwas abverlangt, zeigt ein Disput im Vorfeld der Kabinettsklausur.

Wie zu hören ist, hatte Umweltminister Werner Schnappauf vorgeschlagen, alle Teilnehmer sollten gemeinsam mit der Bahn anreisen. Das lehnte die Staatskanzlei ab, so viel Zeichen wollte sie doch nicht setzen. So brausen heute die 18 Kabinettsmitglieder einzeln mit ihren Limousinen zur Zugspitze, die vielen Beamten auch.

Gebäudesanierung

Die thermische Gebäudesanierung ist eine der effizientesten Möglichkeiten der Energieeinsparung, auch für den Freistaat. Denn er besitzt 6000 Gebäude - und sie sind, was den Energieverbrauch betrifft, bei weitem nicht so gut, wie sie sein könnten.

Im Klimaschutzbündnis, das die Staatsregierung im Oktober 2004 mit dem Bund Naturschutz (BN) geschlossen hat, hat sie zwar die thermische Sanierung der staatlichen Gebäude versprochen, bisher hat sie aber keinen Cent dafür in den Staatshaushalt eingestellt. "Das ist ein Trauerspiel", sagt BN-Energiereferent Ludwig Trautmann-Popp. "Zumal sich jeder Euro, den man in eine solche Sanierung steckt, über die Energieeinsparung amortisiert."

Pikant ist auch, dass der Oberste Rechnungshof (ORH) die Energieeinsparung bei den Staatsgebäuden seit mehr als 20 Jahren anmahnt. 1984 schrieb er erstmals in seinem Jahresbericht, dass diese Häuser ,,nur unvollkommen den heutigen Anforderungen an ein energiesparendes Bauen entsprechen''. Doch es tat sich wenig: "Nur vereinzelt" hätten seine Mahnungen zu Maßnahmen geführt, schrieb der ORH 1997. Erst im Februar lehnte die CSU im Landtag einen Antrag der Grünen ab, bis 2015 alle Staatsgebäude energetisch zu sanieren.

Selbst bei Neubauten achtet der Freistaat zu wenig auf Energieeffizienz. 2001 beklagte der ORH, dass bei einem neuen Verwaltungsgebäude die Nordfassade fast komplett verglast wurde. Da im Norden die Sonne nicht scheint, bringt das keine Wärmegewinne, im Gegenteil: Glas isoliert schlechter als andere Materialien - es muss mehr geheizt werden. Darunter litten auch die Beamten: Im Winter waren die Büros an der Nordseite nur 17 Grad warm. Die Ironie der Geschichte: Es handelte sich um das Landesamt für Umwelt in Augsburg.

Bauleitplanung

Seit gut einem Jahr ermöglicht das Bundesbaugesetz Städten und Gemeinden den Erlass klarer Vorgaben für die Energieversorgung von Neubaugebieten. Baden-Württemberg hat die Regelung schon umgesetzt, indem es in Neubaugebieten grundsätzlich Solarenergie vorschreibt. In Bayern ist man davon noch weit entfernt. Hier kann nach wie vor jeder tun, was er will.

"Dabei könnte der Freistaat seine Planungsbehörden jederzeit einfach anweisen, der Neuerung Rechnung zu tragen, und in Neubaugebieten alternative Energien zur Pflicht zu machen", sagt BN-Energiereferent Trautmann-Popp, "und zwar gleich ob es sich um Solarstrom, Biogasanlagen oder hocheffiziente Kraft-Wärme-Kopplungsanlagen handelt."

Förderinstrumente

Wohl nichts zeigt die gespaltene Haltung der Staatsregierung zu regenerativen Energien und zum Energiesparen eindringlicher als ihre Haltung zu verschiedenen Förderinstrumenten. Das Erneuerbare-Energien-Gesetz zum Beispiel, mit dem der Bund Strom aus Fotovoltaik-, Windkaft-, Biogas- und anderen Biomasseanlagen subventioniert, versuchte die Staatsregierung bis zuletzt über den Bundesrat zu kippen. "Das war auch noch zu Zeiten der Fall, als wir bereits unser Klimabündnis mit dem Freistaat geschlossen hatten", sagen BN-Mitglieder.

"Wenn sich die Staatsregierung jetzt immer wieder damit rühmt, dass Bayern Solarweltmeister ist, schmückt sie sich mit fremden Federn. Denn sie hat am allerwenigsten dafür getan." Andererseits erkennt selbst der BN an, dass die Förderung etwa von energetischen Gebäudesanierungen, die der Bund über seine Kreditanstalt für Wiederaufbau anbietet, nicht so üppig ausgefallen wäre, hätten sich nicht Umweltminister Werner Schnappauf und der CSU-Umweltpolitiker und Bundestagsabgeordnete Josef Göppel massiv dafür eingesetzt.

Windkraft

315 Windräder mit 339 Megawatt Gesamtleistung gibt es in Bayern. Damit ist die Windkraft das Schlusslicht unter den alternativen Energien im Freistaat. Ihr Anteil liegt bei bescheidenen 0,6 Prozent. Wenn es nach der Staatsregierung geht, wird sich das kaum ändern. "Die klägliche Rolle der Windkraft ist das Paradebeispiel, was passiert, wenn für etwas der politische Wille fehlt", sagt Trautmann-Popp. Offiziell wird die Zurückhaltung mit dem Landschaftsschutz und dem Vogelschutz begründet. Umweltschützer halten das für vorgeschoben.

"Auch wenn der Freistaat bei der Windkraft nie mit Niedersachsen oder Schleswig-Holstein konkurrieren wird, so erzeugen vergleichbare Binnenländer schon jetzt zehn Mal so viel Windstrom wie Bayern." 1000 Windräder, so die vorsichtige Kalkulation des BN, könnten durchaus im Freistaat stehen. "Da liegt ein gewaltiges Potential brach", sagt Trautmann-Popp. "Denn eine kleine Solaranlage erzeugt in ihrer 20-jährigen Laufzeit so viel Strom wie ein Windrad an einem vollen Windtag."

Verkehrspolitik

Eine der Hauptquellen von Treibhausgasen ist der Verkehr - allein die Autos in Bayern tragen zu mehr als einem Drittel dazu bei. Hier hätte nach Ansicht von Experten der Freistaat durchaus Einfluss. Den er aber nicht nützt. Er gebe beispielsweise zu wenig für die Regionalzüge aus, moniert der BN. Auch hat die Staatsregierung die Förderung von neuen Omnibussen für den öffentlichen Personennahverkehr drastisch reduziert. Sie begründet das mit den sinkenden Bundeszuschüssen.

Die Auswirkungen auf dem Land würden "verheerend", prophezeit der Landkreistag. Zugleich setzt die CSU weiter auf den klimaschädlichen Flugverkehr, betreibt den Bau einer dritten Startbahn am Münchner Flughafen, den sie zudem verschiedentlich subventioniert, und hat Zuschüsse für den Ausbau diverser Regionalflughäfen in Bayern zugesagt: für Hof-Plauen beispielsweise, Augsburg oder Memmingerberg.

Fuhrpark

Eine Gesamtübersicht über den Fuhrpark des Kabinetts gibt es nicht, sparsam sind die Ministerlimousinen aber schon dem Augenschein nach nicht. Umweltminister Schnappauf etwa nutzt einen Audi A8, der gut zwölf Liter Diesel auf hundert Kilometer schluckt. Künftig will er auf kurzen Strecken sein neues Wasserstoff-Auto von BMW einsetzen. Die Herstellung des Gases ist allerdings so aufwändig, dass der Verbrauch im Endeffekt sogar höher sein wird.

© SZ vom 24.4.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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