Klausur des CSU-Vorstands:Verordnete Geschlossenheit

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Die CSU beschwört Einigkeit, denn sie weiß: Nur wenn die Partei mit einer Stimme spricht, kann sie die nächsten Landtagswahlen gewinnen. Doch was ist eine Geschlossenheit wert, die von oben verordnet wird?

Birgit Kruse, Wildbad Kreuth

Eigentlich könnten Ministerpräsident Beckstein und CSU-Chef Erwin Huber nach diesem Wochenende zufrieden sein. Kaum ein Wort ist auf der Vorstandsklausur der Partei in Wildbad Kreuth so oft gefallen, wie das der lang ersehnten Geschlossenheit.

War was? In Wildbad Kreuth präsentiert sich die CSU einmütig - fragt sich nur wie lange. (Foto: Foto: ddp)

Auch die Teilnehmer aus der Parteiführung scheinen von der neuen Einmütigkeit ergriffen und beschreiben die Tagung als "ausgesprochen gut". Die Diskussionen seien "sehr offen" gewesen und selbst Alt-Ministerpräsident und Ex-Parteichef Edmund Stoiber habe betont, dass er uneingeschränkt hinter dem in letzter Zeit viel kritisierten Parteichef Huber stehe. Das hört sich fast so an, als sei die Welt der CSU wieder in Ordnung.

So wirkt Huber in dieser Atmosphäre auch sichtlich unbeschwert, wenn er sich lässig ans Rednerpult lehnt und von einem "kräftigen Aufbruchsignal" spricht, das durch die Partei gehe. Mit dem Segen der Parteifreunde im Hintergrund ist es leicht, endlich wieder von der "Handlungsfähigkeit, Einigkeit und den festen Willen zum Erfolg" zu sprechen. Auch Beckstein versäumt es nicht, in fränkischem Akzent zu betonen: "Die Tagung hätte nicht besser laufen können."

Blick nach vorne

Klar. Nach all den negativen Schlagzeilen der letzen Wochen - von den schlechtesten Kommunalwahlergebnissen seit 1966, über Putschgerüchte dreier Parteifreunde bis hin zum Aus für das Prestigeprojekt Transrapid - will das Führungstandem endlich wieder den Blick nach vorne richten und mit Sachthemen punkten. Denn die Zeit drängt: In sechs Monaten sind Landtagswahlen.

Sogleich verfällt Landesvater Beckstein wieder in die gewohnte Rhetorik und spricht von all den Spitzenpositionen, die Bayern doch in so vielen Bereichen einnehme, und davon, dass man auch in Zukunft diesen Vorsprung nicht nur halten, sondern noch ausbauen werde. So hat sich die Partei in den Monaten vor der Landtagswahl auch ein straffes Programm verordnet, das primär auf drei Säulen fußt: einem Zukunftsprogramm für wirtschaftliche und technische Innovationen, Unterstützung für den Mittelstand und eine Bildungsoffensive.

Auch wenn die Schwerpunkte nicht neu sind - auch unter Stoiber hatten Leuchtturmprojekte der Wirtschaft schon immer einen hohen Stellenwert - bei den Wählern sollen sie gut ankommen. Und sie sollen endlich die Kritik verstummen lassen, Beckstein habe seit Amtsantritt keine eigenen Akzente gesetzt und sei nur Verwalter des Stoiberschen Zukunftsprogramms 2020.

So wie Beckstein die Themen für die Landespolitik präsentiert, darf Huber sich für den bayerischen Einfluss auf Bundesebene stark machen - etwa mit einem bayerischen Fünf-Punkte-Katalog zum Gesundheitsfonds. Hauptforderung ist, die Zahlungen aus dem Freistaat auf maximal 100 Millionen Euro im Jahr zu begrenzen.

Die Kuh im Bild

"Das ist die zwingende Voraussetzung für die Zustimmung der CSU im Bundesrat und Bundestag", betont Huber und verweist auf die Unterstützung des Parteivorstandes. "Einstimmig, ohne Gegenstimme, ohne Enthaltung" hätte man dem Papier zugestimmt. Denn: Der Freistaat wolle ja nicht "Zahlmeister" des Fonds sein. Was auf den ersten Blick wie konstruktive Sachpolitik auf Bundesebene daherkommt, könnte aber auch der Versuch sein, sich schon mal die Hintertür zu öffnen, um die Einführung des Fonds gar zu verhindern.

Wie dem auch sei: Die CSU verliert in Berlin an Einfluss. Und Hubers Auftritte als Parteichef kommen auch nicht bei jedem Parteifreund gut an. So lästern beispielsweise Einige über Fernsehauftritte des Niederbayern, man habe immer den Eindruck, gleich laufe eine Kuh durchs Bild.

Ein Trend, dem Huber endlich wirksam entgegenwirken will - mit allen Mitteln. Nun eben, indem er versucht, den für Bayern besonders unpopulären Gesundheitsfonds auf der Zielgeraden noch zu kippen.

Oder, indem er an der Wiedereinführung der Pendlerpauschale ab dem ersten Kilometer festhält. Auch künftig werde er sich dafür in Berlin stark machen, verspricht er. "Fahrten zur Arbeit sind nicht gleichzustellen mit der Fahrt zum Golfplatz." Und auch Steuerentlastungen für den Mittelstand stehen auf dem bundespolitischen Themenplan von Huber. Vor allem die Erbschaftssteuerreform müsse überdacht und mit dem Acht-Punkte-Katalog, den die CSU beschlossen hat, abgeglichen werden. "Das ist die zwingende Voraussetzung für die Zustimmung der CSU im Bundesrat und Bundestag", droht der Parteichef aus Niederbayern.

Frühere Versuche, den Bundesanspruch der CSU in Berlin wieder deutlich zu machen, sind ihm misslungen: Erst ist er mit seiner Forderung nach einer Maut abgeblitzt, um sich dann mit der Forderung nach der Wiedereinführung der Pendlerpauschale bereits die zweite Ohrfeige abzuholen. Wie viel Erfolg mit seinen Forderungen zum Gesundheitsfonds haben wird, bleibt abzuwarten.

Die 50-Prozent-Hürde

Was die neu verordnete Geschlossenheit in der CSU wirklich wert ist, wie lange sie halten wird und ob sie der Partei bei der Landtagswahl wieder zur absoluten Mehrheit verhelfen kann, muss sich auch noch zeigen. Denn die Partei ist nervös. Und die Angst vor weiteren Imageverlusten bei den Wählern kann auch eine Vorstandsklausur nicht nehmen.

Jeder in der Partei weiß, dass die CSU bei der Landtagswahl im September wieder die Mehrheit holen muss. Was für kleine Parteien die fünf Prozent sind, ist für die CSU die 50-Prozent-Marke. Sollte sie diese nicht erreichen und sollte sie auch noch die absolute Mehrheit im Parlament verlieren, ist ihr bundespolitischer Anspruch noch in der Wahlnacht Makulatur - und das vermutlich auf viele Jahre.

Der erste Lackmustest für die neue Geschlossenheit, die auch immer die Stärke der CSU war, könnte schon in den nächsten Tagen anstehen. Die Politiker haben in Wildbad Kreuth noch nicht ihre Koffer gepackt, da geistert schon ein neues Gerücht durch die Gänge des Tagungszentrums: In einer aktuellen Umfrage soll die Partei unter die magische Marke von 50 Prozent rutschen.

Wenn das stimmt, könnte es mit der Geschlossenheit schnell wieder vorbei sein. Und ob sich dann interne Kritiker, die sich jetzt dem Geschlossenheits-Credo noch fügen, von Hubers Warnungen beeindrucken lassen, er werde Kritiker, die der Partei schaden, zur Rechenschaft ziehen, bleibt fraglich.

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