Kandidatenporträt:Wahlkampf als permanente Aufgabe

Lesezeit: 3 min

Kirchseeons Altbürgermeisterin Uschi Bittner (SPD) versteht sich als Lobbyistin für alle, die Hilfe brauchen.

Eberhard Rienth

Klassischen Wahlkampf macht sie nicht. Nicht ein einziger Termin steht bis zum 28. September in Uschi Bittners Terminkalender, bei dem sie die Hauptperson zu geben hätte. Nicht einmal ein Infostand beinhaltet ihre Planung. "Ich mache seit fünf Jahren gute Arbeit, das sehe ich als permanenten Wahlkampf, ich gehe nicht auf Schaukonzerte", sagt die Frau mit der graumelierten Kurzhaarfrisur, die fast auf den Tag genau vor einem Monat ihren 64. Geburtstag gefeiert hat. In "Rente" geht sie noch lange nicht. Sie ist sich nämlich ziemlich sicher, dass sie auch in den kommenden fünf Jahren Bezirksrätin sein wird.

Uschi Bittner will für die SPD in den Bezirkstag. (Foto: Foto: dpa)

Uschi Bittner sagt von sich, sie sei das alte Energiebündel von früher geblieben. Dieses Sich-engagieren-wollen, besser Engagierenmüssen, hatte der Kirchseeonerin 1990 in der Marktgemeinde, in die sie im Winter 1979 zog, den Job als Erste Bürgermeisterin eingebracht, den sie zwölf Jahre lang mit voller Verve ausfüllte. Im Landkreis ist das unerreicht. Keine andere Frau schaffte vor ihr oder nach ihr diesen Sprung an die Spitze. "An der man freilich viel mehr gestalten kann, als jetzt im Bezirkstag", räumt Bittner ein. Dafür hat sie jetzt aber auch mehr Freiheit.

Im Bezirkstag sieht sie sich mehr in der Funktion, "Hilfestellungen zu geben, dafür zu sorgen, dass etwas weitergeht". Zumindest ihre Parteifreunde danken es ihr mit einem blendend guten Zeugnis: Auf der Liste steht sie schließlich auf Platz zwei. Und da der bisherige SPD-Fraktionsvorsitzende Peter Falk aus Fürstenfeldbruck nicht mehr kandidiert, darf darüber spekuliert werden, ob es nicht Uschi Bittner ist, die in seine Fußstapfen treten könnte.

Ansprechpartner für diejenigen, die keine Lobby haben

Doch die Platzierung auf der Liste ist es nicht, die Bittner jetzt schon so sicher macht, gewählt zu werden. Seit Jahren gibt sie in der SPD-nahen Georg-von-Vollmar-Akademie Seminare, thematisch immer im ökologischen Bereich. "Schon von dort kennen mich sehr viele Leute." Zum Zweiten glaubt sie, durch den in den neunziger Jahren in Kirchseeon sehr intensiven Agenda-Prozess über den Landkreis hinaus Bekanntheit erlangt zu haben. "Da kamen Gemeinde- und Stadträte von was weiß ich was woher zu uns nach Kirchseeon, weil wir bei der Agenda führend waren."

Und ihre Siegesgewissheit gründet letztlich auch in dem Umstand, wie sie schon die vergangenen fünf Jahre ihr Ehrenamt versieht: Drei Tage die Woche ist sie zwischen Freilassing und Eichstätt unterwegs. Meist in Einrichtungen des Bezirks, ohne Entschädigungen, denn das Sitzungsgeld in Höhe von 43 Euro gibt es nur pro Bezirkstags- oder Ausschusssitzung. "Das ist alles wenig spektakulär", gesteht sie. Doch habe sie immer mit Menschen zu tun. Deshalb kennen sie nicht nur sehr viele, sondern haben auch ihre selbstgestellte Maxime im eigenen Leben durch Bittner erfahren: "Ich verstehe mich für diejenigen als Ansprechpartner, die keine Lobby haben."

Über den Wahlsieg macht sie sich nicht einmal im sogenannten Bauchgefühl Sorgen. "Ich bin ein Winner", lächelt sie einem entgegen und verweist darauf, noch nie eine Wahl verloren zu haben. Und hinzu kommt zu solchem Optimismus, dass sie den wahltaktischen Trick des Kandidatentausches ohnehin nicht bräuchte, bei dem man lieber in einem "fremden" Landkreis nach den Erststimmen fischt und darauf setzt, daheim auf der Liste abgrasen zu können. Weil die Sozialdemokraten nämlich in Mühldorf keinen eigenen Bezirkstagsabgeordneten stellen, ist Bittner dort die von ihrer Partei bestellte Betreuungsabgeordnete. "Eigentlich bin ich deshalb dort genauso oft wie hier im Landkreis unterwegs", schildert die gelernte Fotografin und als junge Mutter Anfang der achtziger Jahren studierte Ökologin den engeren Umgriff ihrer Tätigkeit.

Im Bezirkstag von Oberbayern gehört sie dem wichtigsten Ausschuss mit den umfangreichsten Arbeiten an, weil in ihm die Strategie für alle Bezirkskliniken wie etwa in Haar oder Gabersee festgelegt werden: dem Gesundheitsausschuss. Deshalb ist Bittner seit der Umstrukturierung dieser Kliniken in Kommunalunternehmen auch Mitglied des entsprechenden Verwaltungsrats oder auch in der Verbandsversammlung des Klinikums Ingolstadt dabei. Für das Bildungs- und Kulturzentrum Kloster Seeon im Chiemgau macht sie als Mitglied des dafür zuständigen Werkausschusses mit bei der Betriebs- und Programmgestaltung.

Das dritte Standbein auf Bezirksebene ist ihr Engagement im oberbayerischen Bezirksjugendring. Die dreifache Großmutter, die stolz erzählt, dass sie mit ihrem Mann Walter, einem Diplom-Ingenieur für Luft- und Raumfahrt, der trotz seiner 68 Jahre immer noch Vorlesungen hält, und der Familie ihrer Tochter in einem Dreigenerationenhaus lebt, ist dort eine von zwei Berichterstatterinnen. Sie hat deshalb auch an der Erstellung des oberbayerischen Jugendprogramms mitgewirkt. Das sei eine Anleitung für Kommunen, wie diese ihre Jugendarbeit intensivieren könnten, erzählt die quirlige Frau, die dennoch von sich sagt: "Eigentlich bin ich ja ein Oldie."

Dann hat sie auch schon den Cappuccino ausgetrunken im Biergarten des "Brückenwirt", stürmt weiter in ihrem "Wahlkampf". "Wahlkampf ist nämlich der direkte Bezug zu jenen Menschen, die es nötig haben." Offenbar lag der kurze Gesprächstermin mit der Kandidatin in jenen drei Tagen der Woche, an denen sie von morgens bis abends voll und ganz Bezirksrätin ist. Und man spürt ihr förmlich die Freude an, die sie in dieser Aufgabe erlebt.

© SZ vom 09.09.2008/jh - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: