Kandidaten der ZDF-Show:"Die SPD sollte Ludwig Stiegler durch Dich ersetzen"

Die Jungpolitiker Delano Osterbrauck, SPD, und Sigi Walch, CSU, über gemeinsame Ziele und das Finale der ZDF-Show "Ich kann Kanzler".

Kassian Stroh

Am Freitagabend sendet das ZDF seine politische Talentshow "Ich kann Kanzler". Gesucht werden "unverbrauchte Gesichter mit frischen Ideen". Aus mehr als 2000 Bewerbern wurden sechs Finalisten ausgewählt, der Sieger bekommt das Monatsgehalt der Kanzlerin und ein Praktikum im Bundespresseamt. Zwei der Kandidaten kommen aus Bayern: Delano Osterbrauck, 18, und Sigi Walch, 25. Der eine ist SPD-Mitglied, der andere bei der CSU.

SZ: Ganz im Ernst: Würden Sie den Job des Bundeskanzlers wirklich machen wollen?

Delano Osterbrauck: Ja, auch wenn das ein sehr harter Job ist. Aber in dem Amt kann man etwas bewegen. Ich bin jemand, der Ideen und Visionen hat und diese auch gerne umsetzen möchte.

Sigi Walch: Mich ärgert der Name dieser Sendung. Erstens ist das kein deutscher Satz, zweitens finde ich ihn anmaßend. In unserem Alter kann man doch nicht sagen: Ich kann das. Aber das ZDF hat mir versichert, dass es darum geht, junge Leute für Politik zu begeistern.

SZ: Dann anders gefragt, Herr Walch, könnten Sie sich vorstellen, Politik als Beruf zu betreiben?

Walch: Ganz ehrlich: Ob ich meinen Job aufgeben würde, um als Landtags- oder Bundestagsabgeordneter zu arbeiten - ich kann es nicht klar beantworten. Aber Sie unterstellen, dass man als Parteimitglied immer das Ziel hat, nach oben zu kommen. Es ist auch sehr befriedigend, für seine Heimatregion oder -gemeinde etwas zu bewegen.

SZ: Wieso ist Kanzler zu sein erstrebenswert, wenn man doch ständig abgewatscht wird?

Osterbrauck: Es geht doch darum, für das einzustehen, was man für richtig hält - dafür steht man doch auch gerne in der Kritik. Naja, nicht gerne, aber man nimmt es hin. Wobei - haben Sie letzten Sonntag den SPD-Kanzlerkandidaten bei Anne Will gesehen? Sie hat ihn ununterbrochen angegriffen, respektlos. Es ist mir wirklich egal, von welcher Partei jemand ist, aber Respekt vor der Person sollte man schon haben.

Walch: Ich finde den Umgang der Medien mit Politikern auch manchmal verantwortungslos. Weil dieses Vorbild bei jungen Menschen dazu führt, dass Politik als etwas Schlechtes angesehen wird. Und damit auch die Demokratie.

SZ: Nervt Sie Politikverdrossenheit?

Walch: Es ist doch ein unglaublich hohes Gut, dass wir wählen und frei unsere Meinung sagen dürfen, dass hier ein Sozi mit einem Konservativen an einem Tisch sitzt und wir uns nicht die Köpfe einschlagen. Wenn dann welche sagen, es ist egal, wen man wählt, enttäuscht mich das.

SZ: Erleben Sie das im Freundeskreis?

Walch: Ich weniger.

Osterbrauck: Ich schon. In der Schule heißt es: Ach, der Deli macht Politik, der macht das schon für uns, da brauchen wir nichts mehr tun. Für mich ist das zwar eine Bestätigung meiner Person, aber andererseits ist das ganz verheerend. Junge Leute sehen nicht mehr, was ihr Alltag mit der Politik zu tun hat.

SZ: Sind Sie als politisch Engagierte Außenseiter?

Walch: Nein. Vor acht Jahren haben wir einen Ortsverband der Jungen Union gegründet und ein paar Jahre später hatten wir 50 Mitglieder. Bei nur 4000 Einwohnern in Inzell.

SZ: Haben Sie politisch schon etwas erreicht?

Osterbrauck: Nein, die ZDF-Sendung jetzt ist mein erster Schritt. Ich hoffe, dass das nicht ins Lächerliche abgleitet.

Walch: Was mich freut, sind kleine Erfolge. Zum Beispiel haben wir verhindert, dass der Nachtexpress für Jugendliche in unserem Landkreis aus Kostengründen abgeschafft wird. Oder dass wir in Inzell jetzt ein Modell schaffen, wie Familien günstig an Baugrund kommen.

SZ: Als JU-Mitglied hören Sie doch sicher oft das Klischee: Sie besuchen - im Trachtenjanker - alle Feuerwehrfeste der Region und warten insgeheim darauf, spätestens 2018 den vakanten Stimmkreis zu übernehmen.

Walch: Es mag einige geben, auf die so ein Klischee zutrifft, auf mich nicht. Ich bin ganz zufrieden mit meiner Position. Das mit den Feuerwehrfesten ist keine Notwendigkeit: Ich gehe da hin, wenn ich will. Ich war nämlich schon immer in der Feuerwehr. In solchen Vereinen lernt man unglaublich viel, auch politisch.

SZ: Herr Osterbrauck, das Klischee über Sie ist...

Osterbrauck: Ich krieg jetzt Obama.

SZ: Natürlich. Sie sind vom ZDF ausgewählt worden, weil Sie jung sind und ein bisschen wie Obama aussehen. Sie sind exotisch und fallen auf. Und weil Sie Ihren Exotenstatus pflegen, sind Sie in die bayerische SPD eingetreten.

Walch: Ein sympathisches Klischee.

Osterbrauck: Nein, unter den 2500 Bewerbern waren sicher auch noch andere Exoten dabei. Da muss bei mir schon auch Substanz dahinter gewesen sein.

"Wir finden ja gar keine Streitpunkte"

SZ: Was vermissen Sie am meisten an deutschen Politikern?

Osterbrauck: Dass nicht mehr Pragmatismus herrscht, sondern dass es nur noch darum geht, der anderen Seite etwas vorzuwerfen. Wenn zum Beispiel Horst Seehofer sagt: Irren ist menschlich, immer irren ist sozialdemokratisch.

Walch: Ich muss den Sozi korrigieren: Das war Franz Josef Strauß.

Osterbrauck: Ach so. Aber Seehofer hat ihn zitiert. Es sollte darum gehen, mit Pragmatismus und reflektiertem Handeln den Problemen zu begegnen. Diese Ernsthaftigkeit fehlt.

SZ: In 30 Jahren steht Ihre Generation in politischer Verantwortung. Was, glauben Sie, ist dann das größte Problem, das man im Jahr 2009 vernachlässigt hat?

Osterbrauck: Der demographische Wandel: Dass weniger junge Menschen auf einen Alten kommen. Da können wir unsere Sozialsysteme so nicht mehr finanzieren. Und wegen der Lösung: Zum einen muss jeder sein Potential nutzen können, die Leute, die wir ins Land geholt haben, müssen integriert werden. Und wir bräuchten eine gute Familienpolitik.

Walch: Bei der Familienpolitik stimme ich Dir absolut zu. Da müssen wir ein besseres Klima schaffen. Es ist auch besser, damit der demographischen Entwicklung zu begegnen als über mehr Zuwanderung. Hochqualifizierte Arbeitskräfte brauchen wir, ansonsten müssen wir sehen, für die Leute, die in unserem Land sind, Arbeitsplätze zu schaffen.

Osterbrauck: Wir sind nun mal ein Einwanderungsland, und da müssen wir das Potential von Zuwandernden nutzen, dass die uns nicht nur auf der Tasche liegen. Durch Bildung zum Beispiel.

Walch: Richtig. Man braucht einen Plan für die, die bei uns im Land sind.

Osterbrauck: Da sind wir uns ja einig. Oh Gott, wir kriegen gar keine guten Streitpunkte hin.

SZ: Herr Osterbrauck, Sie sind erst im März in die SPD eingetreten. Sagen Sie jetzt, nach der Europawahl: Oh, ich habe aufs falsche Pferd gesetzt?

Osterbrauck: Nein, es geht ja nicht darum, dass man mit einer Partei nach oben getragen wird. Sondern dass man mit ihren Grundwerten übereinstimmt.

Walch: Das finde ich übrigens eine gute Antwort auf diese harte Frage. Vielleicht sollte man der SPD mal nahelegen, den (SPD-Landesvorsitzenden; d. Red.) Ludwig Stiegler durch Dich zu ersetzen - dann kämen nicht so geistlose Aussagen wie am Europawahlabend.

SZ: Haben Sie ein politisches Vorbild?

Osterbrauck: Nein, ich bin nicht der Typ, der einer Person nacheifert. Aber mir gefallen an bestimmten Leuten verschiedene Eigenschaften: die Begeisterungsfähigkeit von Obama, die Reformtätigkeit von Gerhard Schröder, auch wenn Du das jetzt nicht hören willst...

Walch: Doch, da stimme ich Dir zu.

Osterbrauck: Oder der Pragmatismus von Helmut Schmidt. Und früher war das ja noch anders: Strauß, Wehner, da wurde noch richtig Politik gemacht.

SZ: Da war doch viel mehr Polemik im Spiel...

Walch: ... genau das, was Du vorhin moniert hast. Von Pragmatismus keine Spur, das war reiner Idealismus auf beiden Seiten.

SZ: Und Ihr Vorbild?

Walch: Faszinierend war natürlich Franz Josef Strauß. Er hat Menschen begeistert und was bewegt.

SZ: Herr Walch, der sympathischste Sozi, den es gibt?

Osterbrauck: Der sitzt doch gerade am Tisch, oder?

Walch (lacht): Bundespolitisch wäre das Helmut Schmidt.

SZ: Und umgekehrt die Frage nach dem sympathischsten Schwarzen?

Walch: Mit schwarz ist die Partei gemeint.

Osterbrauck: Ach so, ich wollte schon sagen...

Walch: ... Obama, schon klar.

Osterbrauck: Ich will nicht sagen, dass ich Edmund Stoiber unbedingt gut finde. Aber eine Eigenschaft von ihm: Das war ein Vollblutpolitiker. Der hat sich mit Herz dafür eingesetzt, was er für richtig hielt. Selbst wenn er nicht der größte Rhetoriker war.

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