Käpt'n Kuck:2250 Kilometer Direktflug über die Sahara

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Käpt'n Kuck hat den anstrengendsten Teil seiner Reise geschafft. Jetzt versucht er, in der Unruheprovinz Darfur ein bisschen Ruhe und ein paar Fliegen zu finden.

Von Christian Sebald, München

Markus Erlwein hat Recht behalten. Käpt'n Kuck hat keinen richtigen Stopp in Nordafrika eingelegt, wo ihn ein Vogelfänger hätte kriegen können. Der SZ-Kuckuck ist schnurstracks nach Süden weiter geflogen. Nun sendet Käpt'n Kuck aus dem Sudan. Genauer gesagt aus dem Grenzgebiet zwischen dem Sudan und dem Tschad, aus der Provinz Darfur nahe der Provinzstadt Kutum.

"Das muss man sich mal geben", sagt Erlwein, der das Kuckucksprojekt des Vogelschutzbunds LBV betreut, "es sind 2250 Kilometer Luftlinie von der Mittelmeerküste bis nach Kutum. Die allermeisten davon über der Wüste Sahara. Und die hat Käpt'n Kuck sehr wahrscheinlich in einem Satz genommen, wahrscheinlich ohne Halt, ohne Wasseraufnahme, ohne Futter."

Woher Erlwein das weiß? Noch am Freitag schickte der winzige Sender auf Käpt'n Kucks Rücken via Satellit seine Signale von einem Punkt mitten über dem Mittelmeer in die LBV-Zentrale im mittelfränkischen Hilpoltstein. Als Erlwein am Montag das nächste Mal ins Büro kam, also keine 72 Stunden später, war der SZ-Kuckuck bereits im Sudan angelangt. Und zwar sicher schon seit einiger Zeit: Auf der Karte, die der LBV im Internet zeigt, sind die Haken zu sehen, die er am Ort geflogen ist. "Sie deuten darauf hin, dass Käpt'n Kuck dort schon auf Nahrungssuche ist", sagt Erlwein. "Der kräftezehrende Flug über die sengend heiße Wüste dürfte ihm gewaltig in den Flügeln stecken."

Die Provinz Darfur ist nicht nur eine der ärmsten Regionen der Welt. Darfur wird seit Jahren von blutigen Kämpfen zwischen Rebellen, Milizen und dem sudanesischen Militär um knappe Wasservorräte und andere Ressourcen zerrissen. Nach Schätzung der Vereinten Nationen kamen in den Kämpfen, die seit 2003 immer wieder aufflackern, wenigstens 300 000 Menschen ums Leben. Ungefähr 2,7 Millionen Menschen mussten mit ihren Habseligkeiten ihre Dörfer und Städte verlassen, um den Scharmützeln zu entgehen. Die meisten flüchteten sich in andere Städte und Ortschaften in der sudanesischen Provinz. Viele tausend haben sich auch in den Tschad und in die Zentralafrikanische Republik gerettet. Zwar hatten sich die Kämpfe in letzter Zeit ein wenig beruhigt, eine Rolle dafür dürfte die Abspaltung des Südsudan im Jahr 2011 gewesen sein. Aber in diesem Frühjahr flammten sie erneut auf, als arabische Reitermilizen 25 Dörfer überfielen und die Bewohner vertrieben.

Die Gegend um Kutum ist trockenes Savannenland. "Da gibt's nur brusthohes Gras und ab und zu einen Baum, der ein wenig Schatten spendet", sagt der LBV-Mann Erlwein, "und ein paar Wadis." Ein Wadi ist ein ausgetrocknetes Flusstal. Nur bei wirklich starken Regenfällen führt es Wasser, dann kann es sich sehr schnell in einen reißenden Strom verwandeln. Womöglich hat Käpt'n Kuck ja tatsächlich das Glück, dass er auf Wasser trifft. In diesen Tagen sind in der Region zumindest gelegentliche Regenfälle angekündigt. Auch was die Temperaturen betrifft - deutlich über 30 Grad, meldet der Wetterbericht - ist es um Kutum wenig kuckucksfreundlich.

Käpt'n Kuck braucht eine Pause

Doch der SZ-Kuckuck braucht jetzt unbedingt eine Pause. "Der ist jetzt völlig ausgepowert", sagt Erlwein. "Der hat ja um die 30 Stunden reine Flugzeit hinter sich. Da ist die Fitness, die er sich vor dem Start angefressen hat, völlig aufgebraucht." So wie der Mensch bei großen Anstrengungen an Flüssigkeit und Kraft verliert, so tun das auch Zugvögel und natürlich auch Kuckucke. 120 Gramm wiegt wie Käpt' Kuck für gewöhnlich. Bevor er auf seinen großen Flug geht, hat er sich 25 Gramm "Fitness" angefressen, wie die Vogelkundler sagen. "Das ist jetzt alles wieder weg", sagt Erlwein. "Unser Kuckuck muss seine Kraftspeicher dringend auffüllen."

Das Problem dabei: Seine Lieblingsspeise - richtig fette, sehr eiweißhaltige Schmetterlingsraupen - wird Käpt'n Kuck kaum finden. "Die gibt's in Trockensavannen wie rund um Kutum herum höchstens ab und zu", sagt Erlwein. Also wird der SZ-Kuckuck sich mit Fliegen begnügen, mit Mücken und dem einen oder anderen Schmetterling. "Hauptsache er kriegt den Magen voll", sagt Erlwein, "und das nicht zu knapp." Ansonsten ruht er möglichst viel - auf einem schattigen Baum, der ihm auch Sicherheit bietet.

Käpt'n Kucks wie mit dem Lineal gezogene Flugstrecke auf der Karte entspricht übrigens nicht ganz der Wirklichkeit. "Natürlich fliegen Kuckucke immer wieder kleine Schlenker", sagt Erlwein. "Aber das kriegt der Satellit nicht mit." Aus Energiespar-Gründen schickt Käpt'n Kucks Sender nur alle 48 Stunden Signale. Die LBV-Leute erhalten also alle zwei Tage die Koordinaten von Käpt'n Kucks Aufenthaltsort. Und die verbindet das Computerprogramm dann mit einer Linie. "Aber Schlenker hin oder her", sagt Erlwein. "2250 Kilometer Direktflug über der Sahara ist eine Sensation."

© SZ vom 23.07.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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