Justiz:Habgier eines Orthopäden

Lesezeit: 2 min

Der Staatsanwalt bezeichnet es als seinen spannendensten Fall: Ein wegen Mordes verurteilter Arzt kommt auf Bewährung frei - und tötet offenbar erneut.

Stefan Mayr

Für Staatsanwalt Ralph Reiter ist der Mord an Anton F. der spannendste Fall, den er je bearbeitet hat. "Jeder, der die Akte liest, kann nicht mehr aufhören", sagt der Leiter der Abteilung für Kapitalverbrechen in Landshut. Die 24 dicken Ordner erzählen die Geschichte von Wolfgang R., 61, und Anton F., 48, zwei Männer mit extrem konträren Lebensläufen: Der ausgebildete Arzt R. wurde wegen Mordes verurteilt und saß anschließend 17 Jahre im Gefängnis.

Für Staatsanwalt Ralph Reiter ist der Mord an Anton F. der spannendste Fall, den er je bearbeitet hat (Foto: Foto: ddp)

Nach der Entlassung auf Bewährung fand er einen neuen Job und eine 25 Jahre jüngere Freundin. Das Opfer Anton F. hingegen war ein bescheidener und pflichtbewusster Finanzbeamter. Er lebte alleine im Dörfchen Kirchasch bei Erding, hatte kaum Freunde, nie eine Frau. An Ostern 2008 soll der Arzt den Beamten von hinten in den Kopf geschossen haben. Aus Habgier.

Davon ist zumindest Staatsanwalt Reiter überzeugt. Er und die 20-köpfige Sonderkommission der Kriminalpolizei Erding puzzelten neun Monate lang an dem Mord herum. Es dauerte auch deshalb so lange, weil der Mediziner am Tatort offenbar bewusst falsche Fährten hinterlassen hatte. So stießen die Ermittler auf frische Blutspuren einer Frau, die sie nicht zuordnen konnten.

Nach langem Rätselraten wurden die Ermittler fündig: in der Praxis des Arztes. Offenbar hatte R. die Blutprobe einer Patientin mitgenommen, um seine Tat zu vertuschen.

Schon 1984 hat R. im Odenwald einen Mord begangen, der im perfiden und brutalen Vorgehen dem Erdinger Kopfschuss nicht nachsteht. Er fügte seinem Vermieter einen Schnitt in der Nase zu, sodass dieser an seinem eigenen Blut erstickte. Danach zündete er die Arztpraxis an. Beinahe wäre der Mord unentdeckt geblieben, beinahe hätte R. 1,9 Millionen Euro von seiner Versicherung kassiert. Doch die Rechtsmediziner wurden stutzig, als sie im Blut der Leiche ein Narkosemittel fanden.

Wegen guter Führung auf Bewährung frei

Der Täter hatte sein Opfer vor dem Schnitt offenbar betäubt. Zwei Jahre danach wurde R. vom Landgericht Darmstadt wegen Mordes, Brandstiftung und Betrugs zu lebenslanger Haft verurteilt. Der Angeklagte stritt alles ab - und versuchte vor dem Urteil sogar zu fliehen. Mit einem Messer nahm er einen Wachmann als Geisel, entkam und tauchte unter. Drei Tage später wurde er an der französischen Grenze gefasst.

Nach 17 Jahren Haft kam er 2003 wegen guter Führung auf Bewährung frei. Er zog nach Deggendorf, bekam seine Wiederzulassung als Arzt und arbeitete als Angestellter in einer Orthopädie-Praxis. Dort lernte er 2006 die Patientin Sonja S. kennenlernte. Mit der 25 Jahre jüngeren Finanzbeamtin genoss er seine neue Freiheit. Er zog mit ihr nach Augsburg, das Scheidungsverfahren von seiner Frau wurde eingereicht. Über Sonja S. lernte der Arzt deren Arbeitskollegen Anton F. kennen.

Der Junggeselle hatte sein Leben lang mit seiner Mutter und Tante zusammengelebt. Als beide tot waren, suchte er per Annonce eine "Frau fürs Leben". Doch bevor er eine Familie gründen konnte, wurde er getötet. Sein Mörder klingelte am Ostermontag 2008 an der Haustür des Bauernhofs. F. ließ den Gast arglos herein. Auf der Treppe schoss der Täter ihm von hinten mit einem Revolver aus nächster Nähe in den Kopf.

Vier Wochen später wurden Wolfgang R. und Sonja S. in Augsburg festgenommen. Sie war zwar offenbar nicht direkt an der Tat beteiligt, soll aber als Mitwisserin wegen Beihilfe zum Mord angeklagt werden.

Als Tatmotiv vermuten die Ermittler Habgier. Denn das Opfer lebte in seinem Bauernhaus zwar in einfachsten Verhältnissen, hatte aber offenbar Immobilien und Bargeld im Gesamtwert von fast einer Million Euro geerbt. "Das Vermögen steht in keinem Verhältnis zu den Lebensverhältnissen", so Staatsanwalt Reiter. Er will nächste Woche Anklage erheben, der Prozess vor dem Landgericht Landshut soll im Frühjahr beginnen.

© SZ vom 24.01.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: