Islamismus in Bayern:Städtchen in Angst

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Im bayerischen Pappenheim haben radikale Islamisten ihr Quartier aufgeschlagen. Vielen Bürgern ist mulmig, doch die Behörden halten die Islamisten in der Provinzstadt für leichter kontrollierbar als in einer Großstadt.

Uwe Ritzer

Sie hielten sich zurück, aber sie waren unübersehbar. Von einem Streifenwagen aus verfolgten Polizeibeamte in Pappenheim die Palmsonntags-Prozession. Ihre Präsenz sollte gewährleisten, dass die Gläubigen ungestört vom katholischen Pfarrheim in die Kirche Mariä Himmelfahrt wandeln konnten. Vor zwei Jahren war der fromme Umzug von mehreren Muslimen gestört worden, die auf dem Parkplatz ihrer der Kirche gegenüberliegenden Moschee so laut krakeelten und islamische Musik im Autoradio spielten, dass die christlichen Gebete und Gesänge verstummten.

Bürgermeister Peter Krauß steht vor dem Haus, in dem sich in Pappenheim strenggläubige Islamisten treffen, die sich zu der terrornahen Gruppe "Talighi Jamaat" bekennen. (Foto: Foto: SZ/Uwe Ritzer)

Diesmal blieb es ruhig. Dass aber auch zwei Jahre nach solchen Zwischenfällen eine katholische Prozession in dem beschaulich-mittelalterlichen 2400-Einwohner-Städtchen im Altmühltal unter Polizeischutz steht, ist ein Indiz dafür, wie oberflächlich und trügerisch die vermeintliche Ruhe in Wirklichkeit ist.

Nach wie vor sorgt unter den Einheimischen für Unbehagen, dass die Moschee in der Schützenstraße 1 nicht irgendein muslimisches Gebetshaus ist, sondern ein Zentrum der radikal-islamischen Tablighi Jamaat (TJ). Einer Organisation, die nach Einschätzung von Experten und Gerichten terroristische Aktivitäten zumindest befürwortet und Kontakte zum Netzwerk al Quaida des Osama bin Laden pflegen soll. Bisweilen erhalten das Misstrauen und die Angst der Pappenheimer auch ohne neue Zwischenfälle Nahrung.

Pappenheim als Missionierungszentrum

Vergangene Woche zum Beispiel, als Bayerns Innenminister Joachim Herrmann den Verfassungsschutzbericht vorstellte. 150 der bundesweit 400 TJ-Anhänger leben demnach im Freistaat; München und Pappenheim sind die Zentren der Missionierungsbewegung. Tablighi Jamaat vertrete eine archaische Form des Islam mit dem Ziel, einen islamischen Staat zu schaffen, warnen Verfassungsschützer. Die Organisation, sagt Herrmann, nähre "den ideologischen Boden für gewaltbereiten Extremismus".

Ausdrücklich beruft sich der Innenminister in dieser Einschätzung auf ein Urteil des Verwaltungsgerichtes Ansbach vom 15. Januar. Die Richter hatten die Ausweisung der beiden 2005 abgeschobenen islamischen Hassprediger Izudin Jakupovic und Tamir Jucic für rechtens befunden. Sie hatten zeitweise in Pappenheim und zuletzt im nur wenige Kilometer entfernten Treuchtlingen gelebt.

Ihr Anwalt kündigte an, das Urteil anzufechten, das nicht nur für seine Mandanten brisant ist. Denn hält es Berufungsinstanzen stand, werde die Ausweisung von TJ-Angehörigen künftig einfacher, sagen Juristen. Die bloße TJ-Mitgliedschaft könnte dann genügen. Das Verwaltungsgericht äußert die Überzeugung, dass Tablighi Jamaat den internationalen Terrorismus unterstützt und die Mitglieder "Gewalt nicht grundsätzlich ablehnen". Es sei "gewollt und ein wichtiger Teil" der TJ-Arbeit, mit Predigten Muslime zum heiligen Krieg zu bewegen.

Misstrauen, Furcht und diffuse Ängste

Vielen Pappenheimern ist mulmig. "Eine gewisse Sorge ist berechtigt", sagt Helmuth Regler, der Integrationsbeauftragte der Stadt. In einer am Dienstagabend im bayerischen Fernsehen ausgestrahlten Reportage hat er die Frage aufgeworfen, "ob die Leute tatsächlich nur zum Beten in die Moschee gehen". Diese Skepsis ist in Pappenheim greifbarer denn je und sie nährt sich aus einer Fülle von Einzelheiten.

Jede verschleierte Frau, jeder Bärtige in weißer, langer Kutte und mit entsprechender Mütze auf dem Kopf fällt nicht nur auf, sondern erregt Argwohn. An den Stammtischen raunt man sich Berichte über Fremde zu, die ein paar Tage oder Wochen in dem Moscheegebäude leben und plötzlich verschwinden. Kein Außenstehender erfährt, woher sie kamen und wohin sie gingen.

Der evangelische Dekan Wolfgang Popp wundert sich über "Mädchen, die 15 Jahre lang in Jeans rumliefen, auf einmal verschleiert sind". Oder über Eltern, die ihren bis dahin scheinbar frei und unbefangen aufwachsenden Töchtern plötzlich die Teilnahme am Sportunterricht verbieten. So hat sich eine Mischung aus Misstrauen, Furcht, diffusen Ängsten und auch dem Gefühl eigener Überforderung über das Städtchen gelegt.

Dem Problem Tablighi Jamaat stehen sie ratlos gegenüber. Der scheidende Bürgermeister Peter Krauß (SPD) bekannte bereits mehrmals öffentlich: "Meine Familie hat Angst." Er hat nach den Vorfällen 2006 ans bayerische Innenministerium geschrieben und um Hilfe gebeten. Die Antwort fiel dem Vernehmen nach nichtssagend aus. Kein Wunder: Die Sicherheitsbehörden halten ein TJ-Zentrum in einer kleinen Provinzstadt für leichter zu kontrollieren als in einer Großstadt.

"Der harte Kern blockt ab"

Dabei ist es nicht so, dass die Pappenheimer selbst sich nicht bemühen würden. Die Stadt bietet Sprachkurse für Frauen und andere Hilfen zur Integration an. "Aber den harten Kern erreichen wir damit nicht, der blockt ab", klagt Helmuth Regler. Nachdem die Zwischenfälle damals großes Medienecho fanden, beteiligte sich der türkische Verein, der die Moschee betreibt, am Pappenheimer Marktsonntag mit einem Stand.

Man servierte türkische Speisen, gab sich offen. Doch tiefergehenden Fragen weicht man aus. "Ich habe kein Interesse zu reden, ich sage gar nichts", beantwortet der Vereinsvorsitzende Halil Demir die Bitte um ein Interview. Man fühlt sich von Kritikern verfolgt und bleibt lieber unter sich.

Ein öffentliches Gespräch zwischen dem Imam der Moschee, dem katholischen Pfarrer, dem evangelischen Dekan und dem Pappenheimer Bürgermeister Ende 2006 blieb ein einmaliges Ereignis. Wie oberflächlich die Ruhe von Pappenheim ist, zeigt eine Aussage von Dekan Popp: Darin sinniert er : "Bei einer Mohammed-Karikatur im Gemeindebrief hätten wir Mord und Totschlag hier."

© SZ vom 26.03.2008/ktk - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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