Inzest-Prozess von Willmersbach:Moral und Recht sind zweierlei

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Nicht einmal drei Jahre Haft für 30 Jahre Geschlechtsverkehr mit der eigenen Tochter: Das Urteil im Inzest-Prozess von Willmersbach ist schwer erträglich, eine Revision folgerichtig. Aber auch folgende Instanzen müssen nach geltendem Recht urteilen - und nicht nach dem Grad der Empörung.

Olaf Przybilla

Das Urteil im Fall Willmersbach macht Opferorganisationen fassungslos. Da hat ein Vater mit seiner eigenen Tochter drei Kinder gezeugt, zwei davon sind gestorben. Da hat dieser Mann im Verfahren unumwunden zugegeben, über mindestens 29 Jahre hinweg Geschlechtsverkehr mit seiner Tochter gehabt zu haben.

Adolf B. muss knapp drei Jahre in Haft, den Vergewaltigungsvorwurf gegen ihn hat das Landgericht Nürnberg fallen gelassen. (Foto: dapd)

Da ist eine heute 46 Jahre alte Frau wie eine Arbeitssklavin gehalten worden, die nicht nur nahezu sämtliche Arbeiten im Haushalt ihrer Eltern verrichten - sondern auch die sexuellen Bedürfnisse ihres Vaters befriedigen sollte. Und dann wird dieser Mann, der im Dorf als gewaltbereiter Tyrann beschrieben wird, lediglich zu zwei Jahren und acht Monaten Haft verurteilt?

In der Tat ist dieses Urteil schwer erträglich. Der Vorsitzende Richter selbst war es, der die Taten des Rentners "moralisch ungeheuerlich" genannt hat. Das Urteil aber muss die Kammer nicht nach allgemein ethischen Maßstäben, sondern nach den Vorgaben des Strafgesetzbuches fällen. Und zweifelsohne hatte sich die 46-Jährige in ihren insgesamt vier Aussagen über den ersten und den späteren Geschlechtsverkehr mit ihrem Vater in evidente Widersprüche verwickelt: Die Taten des Vaters wurden in ihren Schilderungen von Mal zu Mal gewalttätiger. Vergewaltigungen in jenen Fällen, die noch nicht verjährt sind, betrachtete die Kammer daher als nicht bewiesen.

Bleibt der strafrechtlich deutlich weniger schwerwiegende Inzest, der hierzulande mit maximal drei Jahren Haft geahndet wird und innerhalb von fünf Jahren verjährt, so dass nur Taten nach 2006 berücksichtigt werden konnten.

Keiner wird bestreiten, dass ein Vater, der ins Leben seiner Tochter auf so widerwärtige Weise eingreift, sich eines furchtbaren Vergehens schuldig gemacht hat. Eine Revision ist nur folgerichtig. Aber auch folgende Instanzen werden nach geltendem Recht und nicht nach dem Grad der Empörung urteilen müssen.

© SZ vom 21.12.2011/afis - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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