Interview mit Gewerkschafter Fritz Schösser:"Beckstein denkt ähnlich wie ich"

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Der DGB-Landeschef über Heuschrecken und das gestörte Verhältnis zur SPD.

Uwe Ritzer

Seit 1990 ist Fritz Schösser, 60, Landesvorsitzender des DGB und damit oberster Repräsentant von 836 000 Gewerkschaftsmitgliedern in Bayern, 100.000 weniger als vor zehn Jahren. Im SZ-Interview formuliert er Erwartungen an den künftigen Ministerpräsidenten und spricht über gewerkschaftliche Strategie in Zeiten der Globalisierung.

DGB-Chef Schösser. (Foto: Foto: dpa)

SZ: Herr Schösser, Huber, Seehofer oder Pauli - wer wäre Ihnen am liebsten?

Schösser: Den CSU-Vorsitzenden wählt die Partei, nicht der DGB oder sein Vorsitzender.

SZ: Aber man hat das Gefühl, zwischen Erwin Huber und Ihnen ist eine neue Männerfreundschaft entstanden.

Schösser: Das hieß es über mich und Seehofer auch, als er VdK-Landesvorsitzender war. In der Politik gibt es keine Männerfreundschaften. Es gibt einen DGB-Vorsitzenden, der für seine Mitglieder etwas erreichen will, und es gibt Verantwortliche in Parteien, die dafür hoffentlich ein offenes Ohr haben.

SZ: Konnten Sie mit Huber zuletzt den lange Zeit gerissenen Gesprächsfaden zur Staatsregierung wieder knüpfen?

Schösser: Zumindest gibt es die Chance auf einen Neuanfang. Das Tischtuch zwischen mir und Ministerpräsident Stoiber war zerschnitten, seit er im Mai 2002 einseitig eine zentrale Vereinbarung des bayerischen Beschäftigungspaktes aufkündigte: Ein Landesvergabegesetz, wonach bei öffentlichen Ausschreibungen nur Betriebe zum Zug kommen, die ihre Leute tarifgemäß beschäftigen. Dafür ließ er sich zuerst feiern, als Kanzlerkandidat wollte er nichts mehr davon wissen. Da ging auch unser persönliches Gesprächsverhältnis zu Bruch. Ich traue seinem Nachfolger Beckstein zu, dass er mit Gewerkschaften anders umgeht.

SZ: Kommt es zur Neuauflage des Beschäftigungspaktes?

Schösser: Man kann nicht die Vergangenheit zurückholen. Es gab aber ein Gespräch zwischen Beckstein und mir. Es zeigte sich, dass wir in einigen Dingen ähnlich denken. Zum Beispiel, dass Menschen, die gut arbeiten, so gut verdienen müssen, dass sie davon leben können.

SZ: Kommen Sie inzwischen mit CSU-Politikern besser zurecht als mit solchen Ihrer eigenen Partei, der SPD?

Schösser: Ich rede nicht als SPD-Mann mit der CSU, sondern als DGB-Vorsitzender mit Vertretern der Staatsregierung. Von der SPD erwarte ich, dass sie sich stärker als die CSU um Belange von Arbeitnehmern, Rentnern und sozial Schwachen kümmert. Ansonsten ist sie für den DGB eine Partei wie jede andere.

SZ: Quält Sie eine enttäuschte Liebe?

Schösser: Ja, denn wenn man von jemandem, dem man sich nahe fühlt, enttäuscht wird, treten Konflikte viel schneller und deutlicher zu Tage. Die SPD in Regierungsverantwortung vermittelt den Wählern nicht das Gefühl, dass sie die immer größer werdende soziale Lücke im Land schließen will.

SZ: Bei Themen wie Rente mit 67, Gesundheitsreform und Hartz IV ist die CSU teilweise noch rigoroser. Können Sie nachvollziehen, dass Ihre Kritik an der SPD bei gleichzeitigem Schmusekurs zur Staatsregierung viele irritiert?

Schösser: Ich fahre keinen Schmusekurs. Nur wenn ich den Eindruck habe, dass die Konservativen von der SPD im Sozialabbau teilweise noch übertrumpft werden, wird es problematisch. Dann muss man der SPD sagen: Wenn ihr wollt, dass sich wieder mehr Gewerkschafter bei euch engagieren oder euch wählen, müsst ihr dafür auch eine soziale Plattform bieten. Die Bundes-SPD hat jetzt wenigstens das Thema Mindestlohn erkannt. Bei Hartz IV darf es nicht nur eine Anpassung der Sätze geben, sondern es braucht strukturelle Verbesserungen. Die SPD muss eine klare Alternative bieten, sonst haben die Leute das Gefühl, dass es egal ist, wen sie wählen. Dann bleiben sie zu Hause...

SZ: ...oder wählen die neue Partei Die Linke. Ist sie eine Alternative?

Schösser: Vielleicht. Vielleicht auch nicht. Jedenfalls ist sie nicht die Alternative des DGB.

SZ: Stört es Sie, dass vor allem hauptamtliche Gewerkschaftsfunktionäre die Linke in Bayern vorantreiben?

Schösser: Es stört mich als Sozialdemokrat, als DGB-Vorsitzender hat es mich nicht zu stören. Die Gewerkschaft bietet keine besondere Plattform für die Linke.

SZ: Kann dem DGB-Landeschef daran gelegen sein, dass die SPD bei der Landtagswahl weiter geschwächt wird?

Schösser: Das ist nicht mein Thema. Auf kommunalpolitischer Ebene arbeiten wir hervorragend mit der SPD zusammen, und die Landtagsfraktion ist viel besser als ihre Umfragewerte. Vom DGB erwarten seine Mitglieder eine vernünftige Positionierung in der Lohnpolitik und dass er dafür sorgt, dass ihre Kinder eine gute Ausbildung kriegen.

SZ: Ihnen laufen die Mitglieder davon. Wollen Sie mit Ihren Attacken auf die SPD von eigenen Problemen ablenken?

Schösser: Wir hatten einen Rückgang über mehrere Jahre hinweg, wenn auch in Bayern viel weniger als im Rest der Republik. Seit 2006 ist die Zahl unserer Mitglieder in Bayern, die einer Erwerbstätigkeit nachgehen, jedoch konstant. Da wir in den ersten Monaten 2007 weiter zulegen konnten, sehe ich die Trendwende.

SZ: Die Konzerne haben sich international aufgestellt, die Gewerkschaften sind weiterhin national organisiert. Wie sehr müssen Sie sich selbst verändern?

Schösser: Es stimmt, wir müssen internationaler werden. Gewerkschaften kämpfen gegen Brandherde, etwa Verdi gegen Hungerlöhne in Callcentern. Damit keine Flächenbrände entstehen, muss die Politik mitlöschen. Großkonzerne und die Finanzmärkte treiben die Globalisierung voran. Die Politik muss über nationale Grenzen hinweg die Geldmärkte kontrollieren, sowie europaweit einheitliche Sozialstandards und Unternehmenssteuern schaffen. Sonst bestimmen die Heuschrecken, wo es langgeht.

SZ: Managern irgendwo auf der Welt ist egal, was der DGB in Bayern sagt. Haben Sie Verständnis, wenn Arbeitnehmer Gewerkschaften als machtlos erleben?

Schösser: Nehmen Sie das Beispiel AEG in Nürnberg. Das war ein Schuss vor den Bug internationaler Konzerne, der lange nachwirkt. Die Arbeitsplätze wurden nicht gerettet, aber ihre Verlagerung war nicht nur wegen der Abfindungen sehr teuer. Ich muss es leider sagen: Es sind für uns momentan schon Erfolge, Besitzstände zu wahren und Unternehmen zu überzeugen, nicht abzuwandern.

SZ: Bei Ihrer Wiederwahl als DGB-Landeschef 2006 haben Sie erklärt, Sie möchten ,,weniger Abwehrkämpfe führen, sondern Visionen für gerechtere Arbeitswelt entwerfen''. Wie weit sind Sie?

Schösser: Ich hoffe, dass wir gemeinsam mit dem neuen Ministerpräsidenten Beckstein eine Art Zertifizierung ,,Gute Arbeit aus Bayern'' auf den Weg bringen. Dazu gehören nicht nur gute Produkte, sondern auch unser soziales und gesellschaftliches Leben, motivierte und gut ausgebildete Mitarbeiter mit Ideen.

© SZ vom 22.8.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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