Initiative "Ein Dorf wird Wirt":Wie Altenau gegen das Wirtshaussterben kämpft

Lesezeit: 3 min

So sah das Wirtshaus "Zur Post" früher einmal aus - die Altenauer wollen ihm wieder zu Glanz verhelfen. (Foto: "Ein Dorf wird Wirt" /oh)

In Bayern sterben die Kneipen aus. Die Bewohner von Altenau wollen sich damit nicht abfinden - und versuchen jetzt zusammen, ihr Dorfwirtshaus neu zu beleben. Ein Gespräch darüber, wie das funktionieren soll. Und warum Sushi verboten ist.

Von Elisa Britzelmeier

Immer mehr bayerische Gemeinden haben keine Gaststätte mehr. Stattdessen boomen Selbstbedienung, Catering und Imbissstuben. Gerade kleine Orte sind einer neuen Studie zufolge vom Kneipensterben betroffen, mittlerweile sieht der Verein zum Erhalt der bayerischen Wirtshauskultur sogar Bedarf für ein Förderprogramm. Die Bewohner von Altenau im Landkreis Garmisch-Partenkirchen schaffen mit der Initiative "Ein Dorf wird Wirt" nun selbst Abhilfe. Gemeinschaftlich wollen sie das seit Jahren geschlossene Wirtshaus neu betreiben. Dr. Claus Hornig, einer der Initiatoren, erklärt im Interview, wie das funktionieren soll.

Süddeutsche.de: Herr Hornig, wo gehen Sie zum Frühschoppen hin?

Claus Hornig: Ich muss in die Nachbarortschaften fahren. Aber dorthin kommt man nur mit dem Auto und kann also nur begrenzt trinken. Es ist doch was anderes, wenn man schnell zu Fuß in der Wirtschaft ist.

Deshalb werden Sie jetzt selbst Wirt?

Der Name der Initiative ist natürlich im übertragenen Sinne zu sehen: Wir werden nicht selbst am Tresen Bier zapfen. Das Wirtshaus "Zur Post" bei uns im Ort ist seit mehr als zehn Jahren geschlossen, als wir "Ein Dorf wird Wirt" im Januar vorgestellt haben, kamen doppelt so viele interessierte Altenauer als erwartet. Auch junge Leute waren da, zum Teil noch nicht mal 18 Jahre alt, die werden mit einbezogen. Wir haben jetzt eine Facebook-Seite und es gibt 70-Jährige bei uns im Ort, die sich extra dafür einen Account erstellt haben. Nun wollen wir als Dorfbewohner und Vereine Altenaus in Form einer Genossenschaft das Wirtshaus kaufen und renovieren. Die jetzige Investition gelingt nur über unsere Arbeitsleistung: wir haben viele Handwerker und packen einfach selbst an. Den nötigen Betrag werden wir hoffentlich in den nächsten Monaten über Spenden und Genossenschaftsbeiträge zusammenbekommen haben. Und dann suchen wir einen Wirt.

Was sollte der neue Wirt mitbringen?

Qualitätsdenken.

Und warum sollte er ausgerechnet nach Altenau kommen?

Wir bieten ihm ein renoviertes Haus. Das ist nicht nur der Gastraum mit einer gut eingerichteten Küche, sondern es gibt auch ein paar Gästezimmer und einen Dorfsaal mit Bühne. Und vor allem bekommt er die volle Unterstützung der Dorfgemeinschaft. So gut wie alle hier wollen das Wirtshaus.

Warum braucht Ihr Ort überhaupt ein Wirtshaus?

Altenau ist noch so ein typisches kleines Dorf, wie es gar nicht mehr viele gibt. Wir haben in der Dorfmitte die Schule, die Kirche und das Wirtshaus, und früher war klar, dass man am Sonntag nach der Kirche gegenüber zum Frühschoppen ging, und dass es einen Stammtisch gab. Das hieß in erster Linie, dass sich hier Jung und Alt trafen und austauschten. Man musizierte und führte Theaterstücke auf. Mit dem Wirtshaus ist ein Stück Kultur gestorben.

Altenau hat nur 600 Einwohner. Da muss es ja fast schon eine Verpflichtung zum regelmäßigen Besuch geben, damit sich der Betrieb lohnt ...

Uns ist natürlich klar, dass wir auch den weiteren Umkreis anlocken müssen. Aber viele Radler erkundigen sich immer wieder, warum denn keine Wirtschaft da sei. Außerdem werden die Vereine Miteigentümer - das heißt, dass wir eine gewisse Garantie für regelmäßige Besucher haben.

Früher fanden hier Theater- und Musikaufführungen statt. Jetzt herrscht Leere. (Foto: "Ein Dorf wird Wirt" /oh)

Wäre eine Disco nicht vielleicht lukrativer?

Die Dorfgemeinschaft hat sich für eine traditionelle Gaststätte entschieden. Wenn das Dorf eine Disco gewollt hätte, wäre es in Gottes Namen eine Disco geworden. Wir wollen Tradition bewahren, aber auch keinen uralten Biertempel aufstellen. Das soll eine moderne Gaststätte werden, in der auch Familien mit Kindern am Sonntagmittag Essen gehen, nicht nur ein Ort zum Rauchen und Biertrinken.

"Ein Dorf wird Wirt" setzt auf typische bayerische Küche und die Initiatoren haben sich gegen Sushi, Döner oder gar ein veganes Restaurant ausgesprochen. Was spricht eigentlich dagegen?

Grundsätzlich natürlich nichts. Aber wir haben gemeinsam unsere Werte herausgearbeitet. Und die sind: Regionale, saisonale und qualitativ hochwertige Küche. Wir wollen anbieten, was es hier gibt. Wir glauben, dass in Tradition, Kultur und Qualität am besten ein Wirt passt, der unsere Sprache spricht.

Also muss der neue Wirt Bairisch können?

Nein, das nicht. Ich meine nicht den tatsächlichen Dialekt, sondern eine bestimmte Art zu denken. Es soll einfach ein modernes bayerisches Wirtshaus werden.

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