Hubert Aiwanger:"Westentaschen-Lafontaine"

Lesezeit: 1 min

Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, die Macht der Konzerne und was man im Wahlkampf über die Bedeutung politischer Aussagen lernen kann.

Andreas Roß

Wenn Hubert Aiwanger, der Landeschef der Freien Wähler, dieser Tage etwas gelernt hat, dann dies: Im Wahlkampf bekommen politische Aussagen ein ganz anderes Gewicht, als wenn man die gleichen Äußerungen irgendwann mal während des Jahres macht.

(Foto: Foto:)

Als der eher konservativ geprägte Aiwanger im April 2006 in einem SZ-Gespräch mal kurz den strammen Juso aus den 70er Jahren gab und erklärte, die Großkonzerne hätten zu viel politischen Einfluss, weshalb man sie zurückdrängen müsse, da hat dies niemanden interessiert. Kein politischer Gegner fand es wert, auf diese Aussagen einzugehen.

Und auch damals hatte Aiwanger klargestellt, dass die "Grundversorgung des Bürgers mit Energie, Wasser, Gesundheit und Nahverkehr" in politischer Hand bleiben müsse und "nicht in die Fänge" von Konzernen geraten dürfe. Auch da keine Reaktion.

Als Aiwanger am Mittwoch vergangener Woche vor Journalisten in München diese Thematik noch etwas zuspitzte, wurde anschließend scharf geschossen. Zuvörderst von Aiwangers Stellvertreter im Landesvorsitz, dem Münchner FW-Spitzenkandidaten Michael Piazolo. "Eine Zurückdrängung von börsennotierten Konzernen oder gar eine Zerschlagung" komme für ihn nicht in Frage, weshalb er sich von den "angeblichen Äußerungen" Aiwangers distanziere, ließ Piazolo per Pressemitteilung wissen.

Eberhard Sinner, der Chef der bayerischen Staatskanzlei, legte noch nach und warf Aiwanger einen "Linksruck" und "Populismus" vor. Auch die Partei Die Linke meldete sich zu Wort und machte deutlich, dass es sich bei Aiwangers Aussagen zur Konzernmacht um "klassische linke Positionen" handle. Die Bürger täten deshalb gut daran, statt der Freien Wähler "lieber gleich das Original zu wählen".

Zu guter Letzt hat sich auch noch FDP-Spitzenkandidat Martin Zeil Aiwangers Äußerungen angenommen und ihm vorgehalten, er wolle offenbar "den Bürgerschreck und Westentaschen-Lafontaine" geben.

Mittlerweile hat sich freilich die Aufregung innerhalb der Freien Wähler, so es sie über Piazolo hinaus überhaupt gegeben hat, wieder gelegt. Aiwanger und sein Münchner Statthalter haben sich ausgesprochen und klargestellt, dass es den Freien Wählern nicht darum gehe, etwa Konzerne wie BMW oder Audi zu zerschlagen. "Wir sind doch keine Kommunisten", sagt Aiwanger. Monopole in der Daseinsvorsorge blieben jedoch auf der Tagesordnung seines Verbandes.

Werner Winter, ein weiterer Stellvertreter Aiwangers, sieht in dem Disput um die Konzernmacht nur ein FW-internes Kommunikationsproblem. Man müsse sich halt besser abstimmen, aber es sei auch Aufgabe eines Vorsitzenden, auf sich aufmerksam zu machen. Das zumindest, kann man feststellen, hat Aiwanger geschafft.

© SZ vom 20.08.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: