Horst Seehofer:Der bayerische Löwe brüllt - mehr auch nicht

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Erbschaftsteuer, Gesundheitsfonds, Hilfen für die Landesbank: Horst Seehofer verlangt und riskiert viel.

S. Braun und G. Bohsem

Es ist noch nicht lange her, da hat Horst Seehofer von Angela Merkel geschwärmt. "Champions League" sei die, sagte er mit glänzenden Augen. Großartig habe sie das gemacht, an ihr könne man sehen, was es heißt, das politische Geschäft zu beherrschen.

CSU-Chef und bayerischer Ministerpräsident Horst Seehofer. (Foto: Foto: ddp)

Gesagt hat der neue CSU-Chef das vor drei Monaten, es geschah nach Merkels Rede auf dem CSU-Parteitag im Juli. Dabei hatte die Kanzlerin etwas getan, was sehr unangenehm war für die Christsozialen: Sie hatte ihnen durch eine fulminante Rede emotional eine herbe Niederlage bereitet.

Man muss an der Stelle nicht mehr über die Frage grübeln, warum Seehofer nicht so recht solidarisch war mit der eigenen Mannschaft. Aber man kann nach Seehofers Aufstieg zum Parteichef, Ministerpräsidenten und derzeitigen Alleinherrscher über die CSU schon fragen, ob er dieser Champions League-Merkel das Wasser reichen kann in den nächsten Wochen. Seine Truppen erwarten das zweifelsohne, und er bedient es mit sehr lauten Forderungen. Der bayerische Löwe brüllt. Bleibt die Frage: Was davon kann er am Ende durchsetzen?

Da wäre der Streit um die Reform der Erbschaftsteuer. Vor und nach seiner Wahl zum Parteichef am Wochenende erklärte Seehofer, die CSU sei in dieser Frage ein "Überzeugungstäter". Entsprechend müsse selbstgenutztes Wohneigentum steuerfrei bleiben, ebenso Familienunternehmen, die weitergeführt würden.

Um seine Entschlossenheit zu unterstreichen, argumentierte er hochemotional: Er wolle nicht in einem Land leben, in dem Hinterbliebene das Haus, in dem sie wohnten, verkaufen müssten, um dem Staat zu Steuereinnahmen zu verhelfen.

Doch so hart und mutig das klingt: Am Ende wird Seehofer trotzdem vor der Frage stehen: Stimmt er einem Kompromiss zu, der nicht alles steuerfrei stellt, oder übernimmt er die Rolle dessen, der die Erbschaftsteuer abschafft - mit allen Folgen für den Bundestagswahlkampf. Da er das trotz seines Kampfeswillens kaum wird vertreten wollen, dürfte er am Ende einem Kompromiss zustimmen. Und der zeichnet sich hinter den Kulissen längst ab.

Bei der Vererbung von Betrieben stehen dafür zwei Möglichkeiten zur Auswahl: Wird der Betrieb zehn Jahre weitergeführt, kann er steuerfrei vererbt werden. Wird er sieben Jahre fortgeführt, fallen 15 Prozent Erbschaftsteuer an.

Bei der Vererbung von selbstgenutztem Wohneigentum wird es entweder einen gedeckelten Betrag für eine steuerfrei vererbbare Immobilie geben. Die CSU plädiert intern für zwei Millionen Euro, man könnte sich wohl auf 1,5 Millionen einigen. Oder die Freibeträge werden von derzeit 500.000 Euro für Ehepartner und 400.000 Euro für Kinder und Geschwister angehoben.

Seehofers bisherige Botschaft, selbstgenutztes Wohneigentum sollte grundsätzlich steuerfrei bleiben, wird aber nicht kommen. Das Bundesverfassungsgericht hat ausdrücklich festgelegt, dass es keine unterschiedliche Behandlung zwischen Immobilien und anderen Vermögen geben dürfe.

Deshalb steckt Seehofer nun in einem systematischen Dilemma, wenn er nicht wie der Retter aller Millionäre, auch der Geldmillionäre, aussehen möchte.

Einen Zwischenerfolg immerhin konnte Seehofer verbuchen: Er hat der Kanzlerin den Zeitablauf für die Schlussverhandlungen abgerungen. Am Donnerstagabend wird sich die Unionsspitze treffen, um eine gemeinsame Linie zu finden. Erst danach soll es zum Schwur mit der SPD kommen, geschehen soll das am kommenden Wochenende.

Einen Spagat der besonderen Art muss Seehofer auch in der Gesundheitspolitik hinlegen. In seinem Koalitionsvertrag mit der FDP ist ausdrücklich festgelegt, dass die Liberalen den zu Beginn des neuen Jahres startenden Gesundheitsfonds ablehnen.

Segenreiche Erfindung

Seehofer stimmte nicht nur diesem Passus zu, er formulierte mit an dem, was sich schriftlich anschließt: dass Bayern eine Bundesratsinitiative für grundlegende Änderungen am Gesundheitsfonds einbringt, sollten sich die jetzt festgelegten Beitragssätze von 15,5 Prozent nicht halten lassen. Auch das klingt sehr entschlossen - und sehr erstaunlich. Bislang hielt ausgerechnet Seehofer den Fonds für eine segensreiche Erfindung.

Noch im September prophezeite er, die Geldsammelstelle werde Vorbild für andere Länder werden, vergleichbar den Bismarckschen Sozialversicherungen. Er kenne keinen besseren Weg, um die chronischen Finanzprobleme des Gesundheitswesens in den Griff zu bekommen. Mit den Liberalen hat er nun etwas vereinbart, das er im Fall der Fälle nicht durchsetzen könnte, weil ihm in der Länderkammer und im Bundestag die Mehrheit fehlen würde.

Seehofer gibt sich selbst dort kampfeslustig, wo er es für überflüssig halten müsste, sofern sich der Fonds als das Wunderding herausstellt, für das Seehofer ihn hält.

Der dritte Bereich, in dem der neue Ministerpräsident im Namen seiner Partei große Wellen macht, betrifft die Bayerische Landesbank. Ende vergangener Woche hat die BayernLB beim neuen Sonderfonds einen Antrag über 5,4 Milliarden Euro Kapitalzuschuss gestellt - und Seehofer wird seither nicht müde, die volle Summe und nichts als die volle Summe einzufordern.

Ob das realistisch ist, weiß niemand. Aber eines gilt als sicher: dass für die Bundesregierung die Probleme der Bayerischen Landesbank älter sind als das neue Gesetz. Mithin dürfte es schwer werden, die volle Summe über die Hürde Altfallregelung hinüberzuretten. Nach SZ-Informationen besteht beim Bund zur Zeit wenig Neigung dazu. Sollte sich der zuständige Leitungsausschuss dem Wunsch der Bayern verwehren, könnte Seehofer ziemlich gerupft aussehen.

Angesichts der Probleme gab es für Seehofer immerhin ein Bonbon, wenn man es so nennen möchte. Beim gemeinsamen Abendessen am Sonntag bot ihm Angela Merkel das Du an. Im Vergleich mit dem früheren CSU-Chef Edmund Stoiber ist das schnell gegangen. Ob das Seehofers Kampfgeist beflügelt oder am Ende zähmt, ist noch offen.

© SZ vom 29.10.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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