Heilsbronn:Den ganzen Menschen in Schwingung bringen

Lesezeit: 2 min

Weking Weltzer ist der einzige evangelische Pfarrer in Bayern, der in Kursen gregorianischen Gesang lehrt

Interview von Katja Auer, Heilsbronn

Pfarrer Weking Weltzer lebt zwar nicht im Kloster, pflegt aber die gregorianischen Gesänge der Mönche. Und das als evangelischer Pfarrer. Er gibt sie weiter an Männer, Frauen, Christen und Andersgläubige. In seinen Kursen kann jeder mitsingen und muss dafür in keinen Orden eintreten.

SZ: Herr Weltzer, bei Gregorianik denken die meisten zuerst an dicke Klostermauern und den Film "Der Name der Rose".

Weltzer: Das stimmt. Aber ich bin evangelischer Pfarrer.

Das passt ja gar nicht.

Das stimmt auch. In meiner Ausbildung habe ich von Gregorianik gar nichts mitbekommen. Aber ich habe nicht nur Theologie studiert, sondern auch eine klassische Gesangsausbildung. Allerdings habe ich dabei eher Kunstlieder gesungen, Schubert und so.

Wie sind sie dann auf die Mönchsgesänge gekommen?

Kurz vor dem Abitur hatte ich einen Religionslehrer, der mit uns in der Schwabacher Stadtkirche die Komplet gesungen hat, das Abendgebet. Ein Jahr lang, jeden Dienstag und Donnerstag um 19 Uhr. Das hat mir gut gefallen, aber nach meiner Schulzeit ist es einige Jahre in Vergessenheit geraten. Bis meine Frau gesagt hat, dass ich das doch mal wieder machen könnte. Dann habe ich 1994 die ersten Kurse in Heilsbronn angeboten. Wichtig ist, dass es schöne Kirchen sind wie das Münster in Heilsbronn oder die Kirche in Ebrach, da gefällt es den Leuten besser.

Wer kommt denn so zum Mitsingen?

Das sind ganz unterschiedliche Leute, die meisten sind älter als 50 Jahre. Viele sind im Ruhestand und haben jetzt Zeit für so etwas. Aber ab und zu sind auch ein paar junge dabei. Oft sind es auch Menschen, die sich von der Kirche entfremdet haben.

Aber sie wollen Kirchenmusik machen?

Viele Teilnehmer kommen zur Ruhe bei den gregorianischen Gesängen, ihnen gefällt der Wechsel zwischen Stille und Musik. Das werden immer mehr in unserer lauten Zeit. Andere sind auf der Suche, sie haben eine Sehnsucht nach Spiritualität. Aber diese Leute gehen nicht unbedingt in die Kirchen. Sie suchen außerhalb von dogmatischen Zwängen.

Das funktioniert mit der Musik?

Ja, die führt immer wieder in die Tiefe. Ich mache das nach benediktinischer Tradition, aber eigentlich ist es ein ökumenisches Projekt. Schließlich stammt die Musik ja aus einer Zeit, als es noch keine Kirchenspaltung gab. Und sie ist so einfach, dass jeder mitsingen kann.

Wie ein Mantra.

Ja, das einstimmige Singen bringt den ganzen Menschen mit Leib, Seele und Geist in Schwingung. Menschen können so eine tiefe Spiritualität erleben.

Dürfen auch Frauen in Ihren Kursen mitsingen?

Natürlich, es sind sogar mehr Frauen als Männer in den Kursen. Aber kürzlich hat mich wieder eine angerufen, die dachte, das sei nur was für Männer. Dabei wird auch in den Frauenklöstern gesungen. Wenn ich allerdings eine CD suche, dann gibt es immer nur Aufnahmen aus Männerklöstern.

Kloster, wär das nichts für Sie gewesen?

Nein, wirklich nicht. Aber ich bin auch schon öfter gefragt worden, ob ich jetzt katholisch werde, weil ich gregorianische Hymnen, Psalmen und Antiphonen singe. Werde ich aber nicht. Ich fahre jedoch immer wieder zu den Benediktinern nach Münsterschwarzach und hole mir dort Anregungen.

© SZ vom 18.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: