Grüner Landratskandidat Magerl:Ein Anführer des Widerstands

Lesezeit: 3 min

Bürger-Proteste gegen den Flughafenausbau geben ihm Rückenwind: Der Landtagsabgeordnete Christian Magerl könnte im Landkreis Freising der erste grüne Landrat im Freistaat werden.

Kassian Stroh

Es gibt ja noch etwas anderes als Wahlkampf. Wanderfalken zum Beispiel. Da steht der Landtagsabgeordnete Christian Magerl also vor seinem Infostand und friert. Immer wieder aber, wenn er mit potentiellen Wählern oder Bekannten plaudert, nimmt er den Packen mit Prospekten, in denen er sich als Landrat empfiehlt, in die Linke und weist mit der Rechten quer über den Freisinger Wochenmarkt auf die Spitze der St. Georgs-Kirche.

Der Landtagsabgeordnete Christian Magerl hat Chancen auf den Freisinger Landratsposten (Foto: Foto: Einfeldt)

"Sehen Sie's", fragt er und meint einen kleinen Punkt dort droben, "ein Wanderfalke. Die waren schon fast ausgestorben." Und dann erzählt Magerl voller Freude, wie er vor ein, zwei Jahren mal mit dem Radl durch Freising fuhr, den vermeintlichen Ausgestorbenen auf dem Kirchturm entdeckte und darob beinahe vom Radl fiel. Er ist Vogelkundler - und davon ist der Politiker Magerl nicht zu trennen. Das eine bedingt geradezu das andere. Und es ist letztlich auch der Grund dafür, dass der 52-Jährige nun Chancen hat, der erste grüne Landrat im Freistaat zu werden.

Denn um Vögel, wenn auch stählerne, dreht sich alles im Freisinger Wahlkampf. Seit der Flughafen im Erdinger Moos, kurz vor der Stadt, eine dritte Startbahn bauen will, gibt es kaum noch ein anderes politisches Thema. Damit ist Magerl politisch groß geworden. Seit Jahren ist er einer der Anführer des Widerstands der Anwohner, eine echte Reizfigur für die CSU. Eine "Spezialsituation" nennt Magerl das selber. Wer am Ende als Landrat das Rennen macht, ist offen.

Der Amtsinhaber, Manfred Pointner von den Freien Wählern (FW), hört auf. Dass es zu einer Stichwahl kommt, bezweifelt kaum einer. Die besten Chancen, sie zu erreichen, haben neben Magerl der 36-jährige FW-Kandidat Michael Schwaiger, Bürgermeister der Gemeinde Marzling und ebenfalls als Flughafen-Gegner bekannt, und Josef Riemensberger, 49, CSU-Bürgermeister von Eching. Zwar ist der Kreis Freising an sich tiefschwarz - die CSU aber könnte von den Wählern dafür abgestraft werden, dass es die Staatsregierung ist, die den Flughafen-Ausbau vorantreibt. Auch Magerl wagt keine Prognose, wer in die Stichwahl kommt. Nur daran will er keinen Zweifel lassen: Er trete nicht nur als Zugpferd der Kreistagsliste an. "Ein starkes Ergebnis", sagt er, sei in Sachen Flughafen ein "ganz starkes Signal". Würde er Landrat, es wäre eine Sensation.

Magerl ist einer jener Grünen, die als Beweis dienen können, dass Bodenständigkeit nicht von der CSU gepachtet ist. "Heimat ist grün", plakatiert er. Am Infostand erkennt der gebürtige Freisinger, der zeitlebens in seiner Stadt geblieben ist, bald jeden zweiten Passanten. Im Jahr 1990 trat Magerl schon einmal als Landratskandidat an - und holte 29,7Prozent der Stimmen. Gegen den CSU-Amtsinhaber. Bei den bayerischen Grünen kann sich niemand erinnern, dass einer der Ihren bei einer Landratswahl jemals besser abgeschnitten hätte.

Ein Freitag Ende Januar. Magerl unternimmt eine Tour durch den weiten Norden des Landkreises, um mit Bürgermeistern sprechen und ihre Anliegen zu hören. "Die Ruhe da heraußen", bemerkt er durchaus staunend, als er gerade vor dem Rathaus von Rudelzhausen steht. Genau diese Ruhe aber macht den Wahlausgang unberechenbar. Denn so sehr die Ruhe im Landkreis-Süden durch den Flughafen gestört ist, was Magerl bei der Wahl helfen wird, so wenig spielt dieses Thema hier - mit zunehmender räumlicher Entfernung - eine Rolle, wie ihm unisono alle Bürgermeister berichten.

Seit 1986 sitzt Magerl, mit Unterbrechung von 1998 bis 2003, für die Grünen im Landtag. Er ist dort, was sonst, als Verkehrspolitiker auch für Flughäfen zuständig. Selbst politische Gegner loben ihn als fachlich kompetent - auch wenn er manchmal übers Ziel hinausschießt: In den 1980er Jahren etwa sagte er allerorten, der neue Münchner Flughafen sei eine Fehlplanung - schon allein weil das Erdinger Moos ein arges "Nebelloch" sei. Anfang der 90er Jahre prophezeite er der Flughafen-Gesellschaft (FMG), sie werde wegen "gigantischer Überkapazitäten in Europa" ihre eigenen gar nicht auslasten können.

Heute fliegen alle Maschinen nach Radar, und die FMG plant ein Wachstum, das ohne neue Startbahn gar nicht machbar wäre. In den 80ern sei er tatsächlich "noch zuversichtlich" gewesen, den Flughafen zu verhindern, sagt Magerl heute. Genau wie nun bei der Erweiterung: "Spätestens vor Gericht, glaube ich, werden wir sie stoppen."

"Sein" Flughafen ist halt auch ein emotionales Thema. Als Kind nahm ihn sein Vater mit ins Erdinger Moos, daher die Leidenschaft für Vögel, für lebendige. Als dort dann der Airport geplant wurde, begann der Schüler Magerl, sich politisch zu engagieren. Und irgendwann lernte er, mit dem Fernglas auch andere Vögel zu bestimmen: Flugzeugtypen nämlich. Es ist sein Lebensthema. "Da draußen, ein Gimpel", sagt Magerl plötzlich bei einem Zwischenstopp seiner Tour in einer Bäckerei und deutet durchs Fenster. "So ist das mit dem Christian", sagt eine der ihn begleitenden Grünen. "Der schaut dich nie an. Der schaut immer über dich weg - nach Vögeln."

© SZ vom 25.02.2008/bosw - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: