Grüne:Glück und Ernüchterung

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"Ein wahnsinniger Freudentag": Die Grünen jubeln - obwohl sie ihr Wahlziel knapp verfehlt haben.

Max Hägler

Über eine Stunde ist das Wahlergebnis schon alt, aber die Bundesvorsitzende der Grünen kann das Ergebnis immer noch nicht fassen: "Ich mach' die Augen immer zu, und wenn ich sie aufmache, ist das Ganze immer noch Realität", ruft Claudia Roth in den Räumen der Grünen-Fraktion im bayerischen Landtag. "Ich bin so stolz, das grüne Herz bumpert ziemlich!" Die Anhänger - manche sind samt Nachwuchs und in Lederhose und Dirndl gekommen - johlen.

Sichtlich zufrieden: Sepp Daxenberger (Foto: Foto: dpa)

Das "Ganze", das ist auch für die Grünen zu allererst die historische Niederlage der CSU. Und zugleich das eigene Ergebnis, das beinahe das selbstgesteckte Wahlziel von zehn Prozent erreicht. 9,2 Prozent der Stimmen haben die Grünen nach vorläufigen Hochrechnungen bekommen.

Damit haben sie ordentlich zugelegt, im Vergleich zu ihrem letzten Ergebnis von 7,7 Prozent im Jahr 2003. Und zugleich ist "die CSU am Boden zerstört", wie es Spitzenkandidat Sepp Daxenberger formuliert. "Daran haben wir 25 Jahre gearbeitet." Als ,,Super-Sepp'' feiern die Anhänger ihren Spitzenkandidaten. Der Biobauer Daxenberger aus dem oberbayerischen Waging ist das, was man ein ,,gestandenes Mannsbild'' nennt, in der Heimat verwurzelt und keiner abgehobenen Schandtat verdächtig.

"Premium-Opposition"

Der Mann wäre manchem konservativen Wähler sympathisch, wenn er nicht bei den Grünen wäre. Doch ausgerechnet die Grünen haben eine Koalition mit der CSU ausgeschlossen, so klar wie keine andere Partei. Und auch Ministerpräsident Günther Beckstein erklärte noch am Wahlabend, mit wem er garantiert keine Koalition eingehen werde: "Sicher nicht mit den Grünen."

Dabei hatten die Grünen in den vergangenen Jahren gute Arbeit im Landtag geleistet. Als "Premium-Opposition" wollten sie sich zeigen. Auch waren sie die bissigere, zupackendere Oppositionspartei gewesen. Und sie hatten neue strategische Allianzen gesucht. Bereits im Frühjahr 2006 hatten sie erklärt, sie seien mit allen wichtigen Akteuren bündnisfähig. Das klang wie ein Bewerbungsschreiben für eine schwarz-grüne Koalition in Bayern. Nun wird daraus nichts.

Daxenbergers Laune hält sich denn auch in Grenzen - als würde er erwarten, dass sich für ihn und seine Partei kaum etwas ändern werde. Denn die Vierer-Koalition, die er will, wird es wohl nicht geben. Vor allem die FDP als notwendiger Partner einer solchen Koalition jenseits der Christsozialen hat sich schon vor der Wahl der CSU angedient. Alle beschwören an diesem Abend, dass sich FDP und Freie Wähler nicht "zum Filzverlängerer" hergeben sollen.

"Wir bemühen uns, dass mit einer Mehrheit jenseits der CSU ein Neuanfang zustande kommt", sagt Daxenberger. Aber je später der Abend, desto deutlicher wird das Nein der Liberalen in Sachen Vierer-Koalition. Und so beginnt das Schimpfen: "Der FDP sollte man den politischen Führerschein entziehen", sagt Fraktionschefin Margarete Bause bei der Wahlparty im Muffatcafé.

Das Werben der Liberalen sei erbärmlich. Und dazu kommt eben noch das definitive Nein von Beckstein. Natürlich sei schwarz-grün "nicht kompatibel" gewesen, sagt Daxenberger dazu. Aber er wundere sich doch, dass Beckstein nicht zumindest das Anstandsgespräch suche. "Wahrscheinlich sind wir am teuersten, etwa im Vergleich zu den Freien Wählern mit ihren lächerlichen Positionen."

Es sind die bitteren Stunden der Erkenntnis für Daxenberger und seine Grünen. Vor der Wahl hatte er gesagt: "Ich will nicht mehr warten." Auf die Zeitenwende im Freistaat muss er nicht mehr warten. Auf die Chance für die Grünen schon.

© SZ vom 29.09.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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