Großostheim in Unterfranken:Gefährliche Steilwand

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Im Mai wurde in Unterfranken ein Kind bei einem Ausflug ihrer Kindertagesstätte von einem Lehmblock erschlagen. Laut Gutachten ist die Stelle bis heute nicht sicher.

Nadja Boxheimer, Großostheim

Die Betroffenheit ist nach wie vor groß in der unterfränkischen Gemeinde Großostheim im Landkreis Aschaffenburg. Ebenso wie die nagende Ungewissheit, wie sicher die Hohlwege außerhalb des Ortes, die sich durch Erosion in die Lössschicht eingegraben haben, tatsächlich sind.

1,5 Kubikmeter Lehm müssen abgetragen werden, fordert der Gutachter. (Foto: picture alliance / dpa)

Fast vier Monate sind vergangen, seit ein fünfjähriges Mädchen dort bei einem Ausflug ihrer Kindertagesstätte in den Geo-Naturpark Sprengehohl von einem herabstürzenden Lehmbrocken erschlagen wurde. Um Klarheit zu schaffen, hat die Kommune nun am Donnerstagabend in einer öffentlichen Sitzung des Bauausschusses ein geologisches Gutachten vorgestellt. Darin stellt der Wissenschaftler Michael Moser, Professor an der Universität Erlangen-Nürnberg, eines fest: In puncto Sicherheit muss an einigen Stellen nachgebessert werden.

Allein an der Steilwand, aus der sich am 10. Mai während der "Waldwoche" des Kindergartens ein zwei mal zwei Meter großer Lehmbrocken gelöst hatte und auf die spielenden Kinder herabgestürzt war, müssen mindestens weitere 1,5 Kubikmeter Lehm entfernt werden.

"Nur dann kann ein Restrisiko, dass sich Ablösungen in solch großen Dimensionen ereignen, ausgeschlossen werden", unterstreicht Moser. Darüber hinaus plädiert der Experte für 50 Zentimeter hohe Holzbarrieren mit Hinweistafeln in der Sprengehohl. Käme es dann trotz Lehmabtragung zu kleineren Ablösungen durch Regen und Frost, so stellten diese für Wanderer keine Bedrohung dar. Sie blieben "am Hangfuß oder spätestens an den errichteten Barrieren liegen".

Der Wanderweg wird jedes Jahr von der Gemeinde auf potenzielle Gefahren hin untersucht. Im April, nur wenige Wochen vor dem Unfall, war die Route bei einem Kontrollgang einmal mehr überprüft worden - ohne dass alarmierende Anzeichen für einen Abbruch festzustellen waren.

Ob dieser Routinevorgang einmal jährlich ausreicht oder ob die Kommune früher hätte agieren müssen, dazu möchte Moser keine Stellung beziehen. Er lehnt es ab, sich auf Mutmaßungen einzulassen: "Ich habe die Steilwände lediglich auf ihre derzeitige Stabilität untersucht." Die Sprengehohl ist seit dem Unglück gesperrt.

Für sein Gutachten untersuchte Moser nicht nur die betroffene Unfallstelle, sondern insgesamt 17 Hohlen, mehrere Steilhänge und Straßenböschungen sowie vier Steinbrüche. Einem Großteil des Areals attestiert der Geologe "keinerlei Gefahrenpotenzial". Die meisten Hohlen sind heute dicht bewachsen und werden von Spaziergängern nicht mehr genutzt. Bei einer Vielzahl von Steilhängen hat ein "natürlicher Böschungsausgleich" entschärfend gewirkt. In vier privaten Steinbrüchen besteht allerdings akute Felssturzgefahr, für die Moser Wanderer mit adäquaten Hinweisschildern sensibilisieren möchte.

Der Bauausschuss sprach sich im Sitzungssaal des Großostheimer Rathauses einstimmig für eine Umsetzung der Präventivmaßnahmen aus, die Moser nahegelegt hat. Wann genau die Ergebnisse des Gutachtens in die Praxis umgesetzt werden, ist jedoch offen.

Zunächst soll noch ein für November angekündigtes Gutachten der Staatsanwaltschaft abgewartet werden. Ob der Tod des fünfjährigen Mädchens im Frühjahr hätte verhindert werden können oder ob der Abbruch des Lehmbrockens tatsächlich ein tragischer, nicht vorhersehbarer Unfall war, bleibt weiter ungeklärt.

© SZ vom 08.09.2012 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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