Gmund:Bunter Strauß

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Neben dem Bayerischen Wald und den Berchtesgadener Alpen soll es im Freistaat einen dritten Nationalpark geben. (Foto: Rainer Simonis/ Nationalpark Bayerischer Wald)

Das Kabinett trifft auf seiner Klausurtagung zahlreiche Entscheidungen, die Bayerns Politik prägen werden. Behörden und Ämter ziehen um, ein neuer Nationalpark soll her, Gymnasien dürfen über Schulzeit entscheiden

Von Wolfgang Wittl, Gmund

Sicherheit, Sicherheit, Sicherheit: Die drei Gewalttaten binnen einer Wochen haben die fünftägige Klausur des bayerischen Kabinetts am Tegernsee dominiert. Zum Abschluss am Samstag jedoch stellte Ministerpräsident Horst Seehofer (CSU) auch eine Fülle von Entscheidungen in anderen Sachgebieten vor. Manches war bekannt, manches ist völlig neu. Sicher ist nur: Die Beschlüsse werden die bayerische Politik der nächsten Jahre prägen.

Behördenverlagerung

Das war die größte Überraschung in St. Quirin: Das Ministerium für Gesundheit und Pflege soll von München nach Nürnberg umziehen. Noch in dieser Legislatur, vor den Landtagswahlen 2018, soll damit begonnen werden. Die Idee stammt offenbar von Seehofer selbst. Dass der Umzug bei den gut 200 Mitarbeitern keine Begeisterung auslösen dürfte, nimmt die Staatsregierung in Kauf. Sie will "wichtige strukturelle Impulse für den gesamten nordbayerischen Raum" und insbesondere für das wirtschaftlich schwächelnde Nürnberg setzen. Das Gesundheitsministerium biete sich zum einen wegen der "Gesundheitsregion Franken" an, zum anderen stammen auch Ministerin Melanie Huml und Finanzminister Markus Söder aus Franken. Söder, dessen Heimatministerium ebenfalls in seiner Heimatstadt Nürnberg residiert, darf den Umzug finanzieren und eine passende Immobilie suchen.

Auch weitere Regionen sollen von Behördenverlagerungen profitieren. So darf sich das gebeutelte Ruhstorf nach dem Stellenabbau von Siemens auf eine Zweigstelle des Landesamtes für Landwirtschaft freuen. Etwa 200 Stellen werden aus dem Großraum München nach Niederbayern wandern. Dies entspreche seiner Politik, in Bayern gleichwertige Lebensverhältnisse schaffen zu wollen, sagte Seehofer. Auch eine Autobahnmeisterei mit 30 Mitarbeitern wird in Ruhstorf angesiedelt. Straubing wird eine Hochschule für Biotechnologie und Nachhaltigkeit bekommen, Augsburg - nun "irreversibel" - eine Universitätsklinik. In Freyung soll mit mindestens 50 Beschäftigten ein Trainingszentrum für die Spezialeinheiten der bayerischen Polizei entstehen, in Passau wird dauerhaft ein Kooperationszentrum mit der österreichischen Polizei eingerichtet. In Wegscheid soll eine Außenstelle des Landeskriminalamtes von zehn auf 50 Mitarbeiter aufgestockt werden. Im Norden der Oberpfalz will das Kabinett Pläne des Bayerischen Roten Kreuzes unterstützen, für Rettungskräfte ein Ausbildungszentrum zur Katastrophen- und Terrorabwehr zu gründen.

Bildung

Dieser Punkt war besonders strittig, nun verkündete Seehofer eine "Grundsatzentscheidung". So sollen die Gymnasien vom Schuljahr 2018/19 an selbst entscheiden können, ob sie ein G 8 oder ein G 9 anbieten. An größeren Schulen sollen beide Wege möglich sein. Seit dem Beschluss 2003 zum G 8 zofften sich Parteien, Eltern, Lehrer, Schüler und Verbände, ob ein Abitur in acht oder neun Jahren sinnvoller sei. Die Opposition ist auch jetzt nicht zufrieden. Die SPD fürchtet "Wildwuchs", die Staatsregierung schiebe die Verantwortung einfach an die Schulen weiter. Die Freien Wähler fordern: Jeder Schüler müsse bereits vom Schuljahr 2017/18 an das neunjährige Gymnasium besuchen können. Bis zum Jahresende will Seehofer sämtliche Details geklärt wissen, zum Abschluss ist ein Spitzengespräch in der Staatskanzlei geplant.

Umwelt und Natur

Neben den Nationalparks Berchtesgaden und Bayerischer Wald will die Staatsregierung einen dritten Nationalpark gründen - möglicherweise auch grenzübergreifend mit anderen Ländern oder Bundesländern. Wo dieser Park entstehen soll, darf Umweltministerin Ulrike Scharf erarbeiten. Ausgenommen sei lediglich der Steigerwald, sagte Seehofer. Personellen Zuwachs wird die Lebensmittelüberwachung bekommen, wie es die Opposition nach mehreren Skandalen gefordert hatte. Zwar sollen für die Kontrollen "im Prinzip" weiter die Landratsämter zuständig sein, jedoch soll sich eine neue Behörde mit 70 Mitarbeitern die Großbetriebe vorknöpfen. Einer der beiden Standorte wird ins fränkische Kulmbach kommen, der zweite in einen Ort in Oberbayern oder Schwaben. Bei Katastrophenschäden wie einem Hochwasser setzt die Staatsregierung künftig mehr auf freiwillige Versicherungen - zu "zumutbaren Prämien". Dazu werde man noch Gespräche mit Anbietern führen. Eine Zwangsversicherung lehne er ab. Staatliche Hilfen sollen nur noch in Ausnahmefällen greifen - oder wenn eine Versicherung bestand.

Haushalt und Sicherheit

Insgesamt 3165 neue Stellen wird es geben, die meisten für Bildung und Sicherheit. 2000 Polizisten will der Freistaat in den kommenden vier Jahren ausbilden, hinzu kommen in der Justiz 269 neue Stellen in den nächsten zwei Jahren. Der Haushalt wächst deshalb wieder stärker als geplant, von derzeit 55,7 Milliarden Euro auf 59,3 Milliarden in 2018. Trotzdem stehe Bayern besser da als jedes andere Bundesland, sagte Finanzminister Söder. Eine Milliarde Euro werde der Freistaat in den kommenden beiden Jahren an Schulden tilgen. Die Reserven halbieren sich allerdings von vier auf zwei Milliarden Euro.

Weitere Beschlüsse

Auch bundespolitisch möchte die Staatsregierung - oder besser: die CSU - Akzente setzen. Seehofer will die Mütterrente weiter ausbauen und fordert mehr soziale Gerechtigkeit im Alter. Sozialministerin Emilia Müller wird dazu noch Pläne präsentieren. Söder stellte ein Steuerkonzept vor, in dem vor allem kleinere und mittlere Einkommen entlastet werden sollen - mit einem Gesamtvolumen von bundesweit jährlich zehn Milliarden Euro. Der Solidaritätszuschlag soll abgebaut, Familien mit Kindern sollen gefördert werden. Beim Erwerb eines Eigenheims sollen pro Kind jährlich 1200 Euro fließen - und das zehn Jahre lang. Pikant: Das aufwendige gestartete Projekt mit dem Arbeitstitel "Moderner Staat" ist nun bei Staatskanzleichef Marcel Huber gelandet und soll wohl deutlich gestrafft werden. Bislang war es ein Lieblingsthema von CSU-Landtagsfraktionschef Thomas Kreuzer.

© SZ vom 01.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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