Gewalt gegen Kinder:Acht Kinder von ihren Eltern getrennt

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In Niederbayern sind acht Kinder im Alter zwischen neun Monaten und elf Jahren von ihren Eltern offenbar eingesperrt, geschlagen und gequält worden. Die Kinder sind zwar in Sicherheit gebracht worden. Doch die Eltern wehren sich gegen den Gerichtsbeschluss.

Rolf Thym und Roman Deininger

Nach Hinweisen auf schwere Misshandlungen sind die acht Kinder eines Ehepaars aus Ihrlerstein im niederbayerischen Landkreis Kelheim von den Behörden in Obhut genommen worden. Nach Angaben des für den Fall zuständigen Kelheimer Familienrichters Dirk Janzen sind die Kinder - sieben Mädchen und ein Bub im Alter von neun Monaten bis elf Jahren - mittlerweile in einem SOS-Kinderdorf, einem Heim und bei einer Pflegefamilie untergebracht worden.

ie Schaukel im Garten ist verlassen: Seit November befinden sich die acht Kinder eines Ehepaars aus Ihrlerstein im Landkreis Kelheim in behördlicher Obhut. Den Eltern wird Vernachlässigung und Misshandlung vorgeworfen (Foto: Foto: Getty Images)

Besorgten Nachbarn der Familie war aufgefallen, dass die acht Kinder nur selten das Elternhaus verließen. Sie verständigten das Kreisjugendamt, dessen Mitarbeiter offenbar schon seit längerem argwöhnisch waren, zunächst aber keine Gründe für ein Eingreifen gefunden hätten, erklärte der Richter.

Bei einem nicht angemeldeten Besuch im vergangenen November hätten Mitarbeiter des Jugendamts dann aber festgestellt, dass zumindest einige der Kinder für längere Zeit in ihren Zimmern eingesperrt gewesen waren. Die Behörde habe die Zustände als "desolat" beschrieben, sagte Janzen. Noch während des Besuchs seien die Kinder in behördliche Obhut genommen worden. Der Leiter des Jugendamtes, Josef Neumeier, wollte sich aus "datenschutzrechtlichen Gründen" nicht zu dem Fall äußern.

Der Familienrichter entzog den Eltern zunächst mit einer einstweiligen Anordnung das Aufenthaltsbestimmungsrecht über die acht Kinder. Einige von ihnen haben dem Richter zufolge unabhängig voneinander von "unangemessener Behandlung gesprochen": Die Eltern sollen sie mit einem Kochlöffel blutig geschlagen und für längere Zeit in ihren Zimmern eingesperrt haben. Den Kindern sei nichts anderes übrig geblieben als dort ihre Notdurft zu verrichten. Gemeinsam hätten sie die Exkremente beseitigt, "um nicht wieder Ärger zu bekommen". Zwei der Kinder seien zudem von ihren Eltern in den Kot gedrückt worden.

Der Richter betonte, aus seiner Sicht lägen "gravierende Anhaltspunkte für eine Kindeswohl-Gefährdung vor". Inzwischen haben Janzen zufolge vier der Mädchen erklärt, zu ihren Eltern zurückkehren zu wollen. Der Bub sei jedoch bei einer Vernehmung durch die Kriminalpolizei bei seinen Vorwürfen geblieben.

Aus diesem Grund hielt Janzen bei einem Gerichtstermin am vergangenen Montag seinen Beschluss aufrecht, den Eltern einstweilig das Sorgerecht zu entziehen. Gegen diese Entscheidung legte der Anwalt der Eltern, Thorsten Berg, Beschwerde beim Oberlandesgericht in Nürnberg ein.

Berg sagte der Süddeutschen Zeitung, die Eltern seien "verzweifelt" und wiesen die Vorwürfe zurück. Sie hätten nur bestätigt, den Kindern gelegentlich "einen Klaps auf den Hintern gegeben" und die jüngeren Kinder am Abend eingeschlossen zu haben, weil diese die älteren nicht hätten schlafen lassen. Berg: "Die Eltern tun in der Erziehung ihr Bestes, aber bei acht Kindern kann man natürlich nicht von einer normalen Familie sprechen."

Nach Bergs Angaben haben sich die Eltern inzwischen "von ihrem Wohnort entfernt, weil sie am Mittwoch von Fernsehkameras vor der Haustür empfangen worden sind". Um die Weihnachtszeit habe es ein Treffen der Eltern mit den Kindern gegeben.

Johann Schlamminger (CSU), Bürgermeister der Gemeinde Ihrlerstein, beschreibt die Eltern als "sozial ein bisschen schwach". In der Gemeinde sei erzählt worden, dass einige der Kinder in der Nachbarschaft um Essen gebeten hätten.

Ein Sprecher des Oberlandesgerichts sagte, es sei frühestens in zwei Wochen mit einer Entscheidung zu rechnen. Mittlerweile ermitteln Staatsanwaltschaft und Kriminalpolizei gegen die Eltern wegen des Verdachts der Misshandlung ihrer Kinder, von denen fünf aus erster Ehe der Ehefrau stammen sollen.

© SZ vom 17.01.2008/bica - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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