Gefäß aus dem Chiemsee:Goldkessel wird verschachert

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Der zehn Kilo schwere Kessel aus purem Gold trägt auf Innen- und Außenwand einen Fries mit Abbildungen keltischer Mythen. (Foto: Konkursamt Rapperswil)

Um den zehn Kilo schweren Goldkessel, den Taucher vor Jahren im Chiemsee gefunden haben wollen, ranken sich allerlei Mythen. Nun soll ein Schweizer Konkursamt das Gefäß meistbietend verkaufen - das Interesse ist riesig.

Von Heiner Effern

Katharina Kuster hat keine ruhige Minute mehr, seit sich die Nachricht verbreitet hat: Der Goldkessel aus dem Chiemsee ist wieder zu haben. "Das Telefon läuft heiß", sagt die Angestellte im Konkursamt zu Rapperswil in der Schweiz. Mails mit Angeboten kämen auch schon. Jahrelang stand das Fundstück im Tresor einer Bank in Zürich, doch nun soll es zu Geld gemacht werden.

Denn der letzte Eigentümer, der wegen krimineller Geschäfte mit dem Kessel zu einer Haftstrafe verurteil wurde, hat mit seiner Firma Konkurs gemacht und die Gläubiger wollen nun so viel wie möglich aus deren Restvermögen rausholen. Dazu gehört auch der Goldkessel, den Taucher 2001 im Chiemsee gefunden haben. Frau Kuster hat nun die Aufgabe, diesen meistbietend zu verkaufen.

Das große Interesse verwundert kaum, denn der mysteriöse Goldkessel regte von Anfang an die Fantasien an. Die einen sahen in ihm ein Kultobjekt aus der Zeit des Nationalsozialismus, andere nannten ihn deshalb spöttisch "Hitlers Nachttopf", wieder andere erkannten in ihm gar den "Heiligen Gral". Fest steht, dass der Kessel aus gut zehn Kilo reinen Goldes gefertigt ist und ihn keltische Motive zieren. Sein Durchmesser beträgt etwa 50 Zentimeter, die Seitenwände sind 30 Zentimeter hoch. Verschiedene Bestandteile sind gelötet, was die Grals-These schon ausschließt.

Findige und windige Kunsthändler

Zwei Schatztaucher gaben an, den Kessel 2001 aus einer Chiemseebucht geborgen zu haben. Im Jahr darauf wurde der Fund gemeldet, da sollen schon findige oder gar windige Kunsthändler beteiligt gewesen sein. Das bayerische Finanzministerium gab als Grundeigentümer des Chiemsees zwei Gutachten in Auftrag, um die Herkunft des Kessels zu klären. Wäre er tatsächlich Besitz des Naziregimes gewesen, würde er dem Freistaat als Rechtsnachfolger alleine gehören. Wenn nicht, müssten sich Grundeigentümer und Schatzfinder den Kessel teilen. Diese zweite Variante trat ein: Das Goldstück wurde an einen Sammler verkauft und der Gewinn geteilt.

Das Gutachten hält das Finanzministerium bis heute unter Verschluss. "Das ist nur für die interne Entscheidungsfindung gedacht gewesen", sagt ein Sprecher heute. Doch der Mangel an Informationen ließ die Gerüchte nur so sprießen. Der Kessel wurde weiterverkauft, im Jahr 2007 machte er in der Schweiz Schlagzeilen.

Ein Geschäftsmann, Eigentümer einer Firma namens Morgan Stanwick, setzte den Wert des kulturhistorisch angeblich einmaligen Funds flugs in Fantasiebereichen an, von einer halbe Milliarde Euro war die Rede. Zu der geplanten großartigen Vermarktung benötigte er natürlich sehr schnell sehr viele Millionen, was ihn zu einer bunten Werbekampagne bei Anliegern bewog. Eine Frau aus Kasachstan investierte etwa mehr als eine Million Euro. Doch die Freude am Deal währte nicht lange: Ihr Geld war weg und der Gral war doch nicht so echt, wie der Eigentümer angegeben hatte.

Die Herkunft ist ungewiss

Bleibt die Frage, woher er stammt, wenn es sich nicht um den Heiligen Gral und nicht um Hitlers Nachttopf handelt. Eine Spur führt tatsächlich zu den Nazis und an einen Ort, der Höllriegelskreuth heißt. Dort betrieb Albert Pietzsch, ein Nazi der ersten Stunde, die Elektrochemischen Werke München. Dort sollen säureresistente Leitungen nötig gewesen sein, die in den 1920er Jahren aus Gold bestanden. Das würde bei kreativer Buchführung die Herkunft des Materials erklären. Max Heiden, Inhaber eines traditionsreichen Münchner Juweliergeschäfts, weiß jedenfalls, dass ein früherer Angestellter dort Leitungen aus Gold inspizierte. Dass dieser Alfred Notz jedoch in der Werkstatt Heiden den Goldkessel anfertigte, das schließt Heiden aus. "Es gibt nichts bei uns darüber, keinen Entwurf, keine Skizze. Bei solch einer Arbeit unvorstellbar."

Zudem entspreche "die Machart" nicht den Ansprüchen eines kompetenten Goldschmieds wie Notz, sagt Heiden, der den Kessel selbst untersucht hat. Dieser sei "handwerklich eher simpel". Ein naheliegender Hersteller könnte deshalb der Münchner Silberschmied Otto Gahr sein, der bei den Nazis sehr beliebt war. "Das würde eher passen, weil Silber und Gold sehr unterschiedlich zu bearbeiten sind." Vorstellen kann sich der Juwelier lediglich, dass Notz aufgrund seiner Besuche in Höllriegelskreuth von dem Projekt erfahren hat und deshalb eine Spur zur Firma Heiden führt.

Für den Unternehmer Pietzsch könnte so ein Gralsverschnitt im Auftrag der Nazis ein Baustein seiner Karriere gewesen sein. Er wurde später Leiter der Reichswirtschaftskammer. Der Goldkessel wird also weiter Interessenten anlocken, auch aus der Neonazi-Szene. Damit ist genau das eingetreten, was das bayerische Finanzministerium mit dem diskreten Verkauf an einem privaten Sammler verhindern wollte.

© SZ vom 05.11.2013 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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