Gefälschte Markenprodukte:Verdächtig billig

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Original oder Fälschung? Immer mehr nachgemachte Produkte werden übers Internet vertrieben. (Foto: dpa-tmn)

Original oder Fälschung? Für 2014 prognostiziert der Zoll mehr als 60 000 Fälschungen allein für München. Immer mehr nachgemachte Produkte werden über das Internet verkauft. Dort locken niedrige Preise.

Von Gudrun Weitzenbürger, Nürnberg/München

Dutzende Turnschuhe hat der Münchner Zoll in den vergangenen Wochen beschlagnahmt und vernichtet. "Die haben so stark nach Chemie gerochen, dass wir davon Kopfschmerzen bekommen haben", sagt Thomas Meister, Sprecher beim Hauptzollamt in München. Nicht ohne Grund: Die Schuhe waren gefälscht. Der Empfänger wird darüber informiert und ihm bleibt nur übrig, den Verlust der Ware, aber auch des Geldes hinzunehmen. "Die Internetadresse, über die gekauft wurde, ist oftmals nur eine Woche aktiv", sagt Meister. Zeit genug für die Betrüger, mit gefälschten Produkten hohe Umsätze zu machen. Für Staatsanwaltschaft und Polizei jedoch sind die Urheber nicht mehr ausfindig zu machen.

Immer mehr nachgemachte Produkte werden über das Internet vertrieben. Allein in den vergangenen Wochen hat der Münchner Zoll rund 400 Postpakete mit 900 gefälschten Taschen, Sonnenbrillen und Schuhen im Wert von 260 000 Euro sichergestellt. "Wir haben einen drastischen Anstieg im letzten Monat beobachtet", berichtet Meister. Für 2014 prognostiziert der Zoll mehr als 60 000 Fälschungen allein für München, bayernweit beobachtet die Bundesfinanzdirektion in Nürnberg mit rund 1500 Paketen für 2013 eine Steigerung von sieben Prozent gegenüber dem Vorjahr, der Warenwert belief sich 2013 auf 1,5 Millionen Euro. Bundesweit sind es 134 Millionen Euro, so die Jahresstatistik der Bundeszollverwaltung.

Zwei Drittel der gefälschten Ware kommt aus China

"Leider ist der Kunde oft zu leichtsinnig und vertrauensselig", weiß Meister. "Teure Ware gibt es auch im Internet nicht für einen Spottpreis." Er rät, im Zweifel die "Finger von dubiosen ausländischen Internet-Seiten zu lassen". Etwa zwei Drittel der gefälschten Textilien, des Bürobedarfs, der Arzneimittel, DVDs und Handys kommen aus China, so die 2013-Statistik der Bundeszollbehörde. Aber auch aus Indien, der Türkei, Korea oder Italien werden Plagiate verschickt.

Die Fälscherindustrie verfügt über weltweite Vertriebskanäle, die schwer nachzuvollziehen sind. "Einem einzelnen Unternehmen ist es nicht in jedem Fall möglich, bis an die Quelle vorzudringen", sagt Volker Bartels, Vorsitzender des Aktionskreises gegen Produkt- und Markenpiraterie in Berlin. "Dennoch sind die Razzien am Ort von Erfolg geprägt, auch wenn man nicht immer die Hintermänner dingfest machen kann."

Der ökonomische Schaden ist groß. Einem Forschungsbericht des Bundeswirtschaftsministeriums zufolge erleiden deutsche Unternehmen durch minderwertige Duplikate Umsatzverluste bis zu 50 Milliarden Euro pro Jahr. Nach der Studie der Bascap, einer weltweiten Initiative gegen Produktpiraterie der internationalen Handelskammer, droht der Kreativwirtschaft in der EU bis 2015 ein Verlust von 1,2 Millionen Arbeitsplätzen.

Doch die Hersteller wollen die Produktpiraterie nicht auf sich sitzen lassen. Sie stellen nicht nur Anträge beim Zoll, gefälschte Ware beschlagnahmen zu lassen, sie wollen auch den Käufer aufklären. "Wir haben täglich Anrufe von erzürnten Kunden, die wir über gefälschte Internetseiten informieren müssen", sagt Daniela Süß, Managerin des Markenschutzes beim Schmuckhersteller Thomas Sabo in Lauf an der Pegnitz. Der Mittelständler stellt jährlich zwei Kollektionen vor, verkauft seine Ware in Läden von Sydney bis Los Angelos, aber auch in einem Online-Shop. "Kein Unternehmen kann auf den Internet-Shop verzichten", sagt Süß.

Auch der Bekleidungshersteller Bogner verkauft seine hochpreisige Ware im Internet. "Auf Aktionsplattformen werden Winterjacken angeboten, die um die Hälfte reduziert sind, wenn noch niemand Preisnachlässe gegeben hat", sagt Martin Kurka, Leiter der Rechtsabteilung bei Bogner und zuständig für Produktpiraterie. "Verbraucher machen sich wenig Gedanken." Bogner hat den niederländischen Verein React beauftragt, um die Versteigerung von Plagiaten auf Plattformen zu stoppen.

"Der Imageverlust ist enorm", beschreibt Daniela Süß ihren Antrieb für den Kampf gegen die Piraterie. "Die gefälschten Seiten sind oft anders in der Rechtschreibung, es fehlt ein Buchstabe oder ein Bindestrich wird eingefügt", erklärt sie die Vorgehensweise der Fälscher. Die gefälschten Produkte seien viel leichter im Gewicht, schlampig gearbeitet und "sehen aus wie aus dem Kaugummiautomaten gezogen."

Wie kann man sich dagegen wehren? "Wir könnten URLs einkaufen, um Betrug zu verhindern, doch das würde ins Unendliche gehen", sagt Süß. Die Markenmanagerin schickt stattdessen Mitarbeiter zum Zoll, die Ketten, Ringe und Uhren aus der Kollektion vorstellen, um Verwechslungen mit Fälschungen auszuschließen. Früher konnten Plagiate containerweise sichergestellt werden, heute seien durch die "Ameisenkäufe" der Kunden im Netz nur stichprobenartige Kontrollen möglich. "Es bleibt eine hohe Dunkelziffer", sagt Süß.

© SZ vom 14.08.2014 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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