Garmisch-Partenkirchen:Ein Ort wird geliftet

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Allen ökologischen und finanziellen Bedenken zum Trotz investiert die Gemeinde viele Millionen, um wieder zu den führenden Zielen im Wintersport zu gehören.

Heiner Effern

Das jährliche Neujahrsspringen, das hat Axel Döring als SPD-Gemeinderat früher immer so gesehen, bringt dem Markt Garmisch-Partenkirchen eine unbezahlbare Werbung.

Von einem Feuerwerk wurde im Dezember 2007 der Jungfernsprung von der neuen Garmischer Skischanze begleitet. Das Bauwerk wird nach bisherigen Berechnungen deutlich teurer kommen als geplant. (Foto: Foto: dpa)

Nun hat sich die Bedeutung dieser Redewendung für den Naturschützer freilich gedreht. Dieser Wettbewerb sei mittlerweile trotz aller Werbung für den Ort unbezahlbar, sagt der Kreisvorsitzende des Bundes Naturschutz. Denn statt der ursprünglich anvisierten knapp zehn Millionen Euro könnte die neue Skisprung-Schanze, auf der an Neujahr zum zweiten Mal eine Etappe der Vierschanzen-Tournee ausgetragen wird, bis zu 18 Millionen Euro kosten.

Für Döring ist diese Kostenexplosion Teil einer massiven Fehlentwicklung seines Heimatortes: Trotz des Klimawandels investiere der Markt Garmisch-Partenkirchen "empörende Summen" einseitig in den Wintersport, ärgert sich der Naturschützer: "Hier denkt keiner die Sache zu Ende."

Gemeint ist damit in erster Linie Bürgermeister Thomas Schmid (Christlich Soziales Bündnis). "Wir stehen auf verschiedenen Seiten" , sagt Döring über ihr Verhältnis. Für Schmid freilich, der seit 2002 im Amt ist und auch seine Abspaltung von der CSU ohne Schrammen überstanden hat, verstehen Männer wie Döring die Zeichen der Zeit nicht. "Garmisch-Partenkirchen hat große Ziele. Es will sich international neu positionieren und behaupten, ja sogar eine der Top-Destinationen weltweit werden", sagt der Bürgermeister.

Durch den Ort gehe derzeit ein Ruck. "Zu lange hat man sich hier auf dem WM-Ruhm von 1978 ausgeruht." Ohne die von ihm propagierte Richtungsänderung wäre der Tourismus, also der Ast, auf dem man sitze, "morsch geworden", glaubt Schmid.

Hoffen auf einen Sponsor

Ein wichtiger Baustein für die Wandlung des Ortes soll die alpine Skiweltmeisterschaft sein, die Garmisch-Partenkirchen 2011 austragen wird. Dafür flossen seit 2002 enorme Summen in die Modernisierung des Skigebiets: 20 Millionen Euro für den Neubau der Kreuzeck- und der Hausbergbahn, 16 Millionen für den Umbau der Abfahrten Gudiberg und Kandahar, 17 Millionen für die Erweiterung der Beschneiung verschiedener Abfahrten.

Fürs nächste Jahr ist der Bau eines Liftes am Kreuzjoch für 7,9 Millionen Euro geplant. Knapp 21 Millionen Euro kamen und kommen noch als Zuschüsse herein, der Rest der 61 Millionen Euro bleibt jedoch an der Gemeinde hängen. Einiges davon läuft auf Rechnung der Bayerischen Zugspitzbahn, die der Kommune gehört, für anderes stehen die Gemeindewerke gerade.

Trotz des aktuellen Schuldenstands von etwa 35 Millionen Euro sieht Bürgermeister Schmid keine akute Gefahr für die kommunalen Finanzen: "Der Haushalt steht auf sicheren Füßen." Auch die Finanzierung der Schanze, für die der Markt bisher nur 4,9 Millionen Euro an Zuschüssen sicher hat, bereitet dem Gemeindechef offenbar keine größeren Sorgen.

Obwohl die Projektmanager der Schanze im Ergebnisprotokoll vom 15.Oktober Nettoausgaben von 17,2 Millionen und weitere Risiken von 600.000Euro aufführen, geht man in der Garmischer Verwaltung von einem Endpreis zwischen 14,5 und 17,5 Millionen Euro aus. Man werde vor Gericht Geld zurückholen und mit Partnern nachverhandeln, heißt es dazu. Im Übrigen wolle man noch einen Sponsor finden, was die Kosten für die Gemeinde verringern könnte.

Die Opposition im Gemeinderat betrachtet das Ausgabeverhalten des Bürgermeisters mit Argwohn. So prangert die SPD den Ausverkauf von Immobilien zugunsten des Wintersports an. Seit 2002 habe Garmisch Eigentum für mehr als 16 Millionen Euro verscherbelt, für dieses Jahr sind im Haushalt nochmals 7,8 Millionen Euro vorgesehen. Elisabeth Koch, die Fraktionschefin der CSU, fürchtet, dass trotz dieser Summe künftig für "Schulen, Kinderbetreuung oder Straßenreinigung keinerlei Spielraum mehr bleibe".

Nach der Abgabe des Tafelsilbers bleibe nun abzuwarten, ob aus den Investitionen "jemals eine Rendite" zu erwirtschaften sei. Zumal eine entscheidende Frage für Koch noch zu klären ist: "Was ist mit den Folgekosten der neuen Anlagen? Mit Strom, Unterhalt, Wasser, Personal?" Koch steht wie viele Garmisch-Partenkirchener hinter der Ski-WM, doch "die reine Anlehnung am Wintergeschäft geht komplett am Potential von Garmisch-Partenkirchen vorbei". 60 Prozent der Urlauber in Garmisch-Partenkirchen kämen schließlich im Sommer in die Gemeinde.

Boom an Zweitwohnungen

Die SPD und die Umweltschützer gehen noch einen Schritt weiter. Sie sehen die Gefahr, dass Garmisch-Partenkirchen nach der WM 2011 ein ähnliches finanzielles Desaster erleben wird wie Oberstdorf nach der Nordischen Ski-WM 2005. Auch der Blick zurück zur letzten Ski-WM, die Garmisch-Partenkirchen im Jahr 1978 ausgerichtet hat, stimmt ihn skeptisch. "Wir hatten damals im Jahr zuvor mehr Übernachtungen. Auf diesen Stand sind wir erst 1980 wieder gekommen", sagt der Naturschützer. Als abschreckendes Beispiel sei es zu einem Boom an Zweitwohnungen gekommen.

Doch solche Warnungen wolle in der Gemeinde niemand hören, wenn er die riskante Finanzierung und die mit dem Großereignis einhergehende Umweltzerstörung anspreche, kämen stets die gleichen Totschlag-Argumente: "Willst du, dass wir die WM verlieren? Willst du Tote bei den Wettbewerben riskieren?" Dabei wurde laut Döring allein für die WM 2011 in Garmisch-Partenkirchen mehr Bergwald gerodet als in ganz Bayern seit dem sogenannten Bergwaldbeschluss des Landtags im Jahr 1984. "Aber was willst du mit einem Bürgermeister, dessen Vision für die Zukunft aus fünf beschneiten Talabfahrten besteht?", klagt Döring

Thomas Schmid jedenfalls hält tiefe Einschnitte in die Natur für Großereignisse für vertretbar. "Die WM- und Olympiaaufbruchstimmung hat uns alle erreicht", sagt er. Der Ort müsse sich nun "schick" machen für die Zukunft. Deshalb habe man in der Vermarktung jetzt den nächsten Schritt getan. Ein neues Logo ließ man entwickeln, das für die Zukunft des Ortes stehen soll. "Mit unserem neuen Gesicht, einem klaren Markenleitbild, fixen Zielgruppen und professionellem Auftreten haben wir beste Chancen, zukunftsträchtige Gästeschichten an unseren Ort zu binden", sagt Schmid. "Entdecke deine wahre Natur" heißt das Motto des neuen Werbeauftritts.

© SZ vom 27.12.2008/cag - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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