Für wen waren Schreibers Millionen bestimmt?:Der vergessene Zeuge

Lesezeit: 3 min

Die Aussage eines Unternehmers könnte Max Strauß vom Vorwurf der Steuerhinterziehung entlasten.

Hans Holzhaider

Das Hotel Baur au Lac in Zürich ist eines der berühmtesten Hotels der Welt - großartig gelegen in einem eigenen Park direkt am Zürichsee. Hier soll es im Juni oder Juli 1988 zu einer Begegnung gekommen sein, die jetzt, fast 20 Jahre später, erhebliche Bedeutung erlangen könnte im Prozess gegen Max Josef Strauß, der seit nunmehr dreieinhalb Jahren das Augsburger Landgericht beschäftigt.

Max Strauß (Foto: Foto: ddp)

Siegfried Finkenrath, ehemals ein mittelständischer Unternehmer aus Baden-Württemberg, mittlerweile 75 Jahre alt, hatte sich im Baur au Lac mit Gerhard Tobischat getroffen - damals Vorstandsmitglied, später Vorstandsvorsitzender der deutschen DSL-Bank.

Er habe, sagt Finkenrath, mit Tobischat nach einer Besprechung in größerem Rahmen gemeinsam nach Hause fahren wollen, als Tobischat von einem Herrn angesprochen wurde, der sich als Karlheinz Schreiber vorstellte. Schreiber habe in seiner, Finkenraths Anwesenheit den deutschen Banker um Hilfe bei der Einrichtung eines Kontos gebeten, über das er künftig den bayerischen Ministerpräsidenten Franz Josef Strauß für die Verluste entschädigen wolle, die der Familie Strauß durch ein missglücktes Grundstücksgeschäft in Kanada entstanden seien.

Alles müsse streng vertraulich ablaufen, damit andere geschädigte Anleger nicht davon erführen. Tobischat, so berichtet Finkenrath, habe Schreiber einige Namen genannt, an die er sich wenden könne. Einige Monate später, nach dem plötzlichen Tod von Franz Josef Strauß, habe Schreiber noch einmal Kontakt zu ihm aufgenommen, sagt Finkenrath, und ihn eindringlich gebeten, das damalige Gespräch für sich zu behalten. Insbesondere Max Strauß solle nichts von der Existenz dieses Kontos erfahren.

Eine merkwürdige Geschichte: Dass der notorisch misstrauische Schreiber eine so vertrauliche Angelegenheit in Anwesenheit eines völlig Fremden besprochen haben soll, mutet seltsam an, ebenso wie die Annahme, der mit allen Wassern gewaschene Schreiber habe Hilfe bei der Einrichtung eines Kontos benötigt.

Wie dem auch sei - Finkenrath schwört Stein und Bein, das sich die Sache so und nicht anders zugetragen habe. 16 Jahre später, im Frühsommer 2004, hatte Finkenrath eine Besprechung mit dem Münchner Rechtsanwalt Hermann Mayer, der seit vielen Jahren eng mit der Familie Strauß verbunden ist. Dem erzählte er eher beiläufig von der Episode im Baur au Lac. ,,Ich fand die Geschichte glaubhaft, und ich fand sie sensationell'', sagt Mayer heute. Ihm sei klar gewesen, dass diese Aussage, wenn sie wahr wäre, Max Strauß in seinem Steuerprozess massiv entlasten könne.

Mayer forderte Finkenrath auf, sich mit Strauß' Verteidiger Wolfgang Dingfelder in Verbindung zu setzen. Das tat Finkenrath, und Dingfelder stellte am 6. Juli 2004 einen Beweisantrag, in dem er Finkenrath als Zeugen anbot. Der Beweisantrag wurde als Anlage 86 zum Hauptverhandlungsprotokoll genommen, aber Finkenrath wurde nicht vorgeladen: Das Gericht unterstellte die Beweisbehauptung als wahr.

Eine fragwürdige Entscheidung - wenn es wirklich zuträfe, dass Schreiber das anrüchige Konto vor Max Strauß geheim halten wollte, dann wäre schwer nachvollziehbar, dass Schreiber das Konto treuhänderisch für Max Strauß geführt haben sollte, wie es das Gericht in seinem Urteil unterstellte. Maximilian Hofmeister, der damalige Vorsitzende Richter, maß dem Antrag offensichtlich keinerlei Bedeutung bei. An den Namen Finkenrath, sagte Hofmeister am Donnerstag der SZ, könne er sich nicht mehr erinnern.

Der Rechtsanwalt Hermann Mayer aber kümmerte sich darum, dass Finkenraths Aussage für die Nachwelt erhalten blieb - schließlich war der Zeuge nicht mehr der Jüngste. Mayer organisierte einen Termin beim Hausnotar der Kanzlei, Florian Brunner, und ließ Finkenrath seine Aussage in einer eidesstattlichen Erklärung niederlegen. Mit anwesend: Franz Georg Strauß, der jüngere Bruder des Angeklagten Max Strauß. Sowohl der Anwalt wie der Notar führten dem Zeugen eindringlich seine Wahrheitspflicht vor Augen, aber Finkenrath blieb eisern bei seiner Darstellung.

Am vergangenen Mittwoch musste Siegfried Finkenrath doch noch vor Gericht erscheinen. Manfred Prexl, der die neue Verhandlung gegen Max Strauß führt, hat die Akten äußerst sorgfältig studiert und lässt keinen noch so entlegenen Zeugen ungehört. Finkenrath blieb unerschütterlich, obwohl ihn Staatsanwältin Simone Bader unverblümt der Falschaussage bezichtigte. Freilich ist Finkenrath nicht der ideale Zeuge. Er hat 1996 mit seiner Kugellagerfabrik Bankrott gemacht und wurde wegen Betrugs und Bilanzmanipulation zu einer längeren Haftstrafe verurteilt. Zu Unrecht, beteuert der 75-Jährige: Er hat das Land Baden-Württemberg auf Schadensersatz in Höhe von 2,6 Milliarden Euro verklagt.

© SZ vom 25.5.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: