Freie Wähler:Aus den Rathäusern nach Brüssel

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Angetrieben von den Bayern will der Bundesvorstand der Freien Wähler bei der Europawahl antreten. Baden-Württemberg ist dagegen.

R. Deininger

Bei den Freien Wählern (FW) in Bayern hat der erstmalige Einzug in den Landtag neuen Ehrgeiz geweckt. Vor allem ihr Vorsitzender Hubert Aiwanger will die Dynamik dieses Erfolgs unbedingt nutzen: Seit Wochen nährt er hinter den Kulissen die bundesweiten Ambitionen der Freien Wähler - zunächst gegen erheblichen Widerstand aus den eigenen Reihen.

Bundesweite Ambitionen: Der Landesvorsitzende der Freien Wähler in Bayern, Hubert Aiwanger, will die Dynamik des Erfolges nutzen. (Foto: Foto: dpa)

Am Wochenende ist Aiwanger ein gutes Stück vorangekommen. Bei einer außerordentlichen Sitzung des FW-Bundesvorstands in Würzburg sprachen sich alle Landesverbände mit Ausnahme von Baden-Württemberg dafür aus, bei der Europawahl am 7. Juni 2009 anzutreten.

Der Bundesvorsitzende Armin Grein, der als Spitzenkandidat im Gespräch ist, sagte, er sehe "gute Chancen" für die FW, die Fünf-Prozent-Hürde zu überspringen. "Wir setzen Bürgernähe gegen den Zentralismus in Brüssel."

Eine offizielle Entscheidung solle es aber erst bei einer Bundesversammlung im Februar in Frankfurt geben. Aiwanger, der inzwischen so etwas wie Greins inoffizieller Co-Chef ist, sagte, man könne auch ohne Vertreter aus Baden-Württemberg eine Liste aufstellen: "Das wäre schade, aber verschmerzbar."

Die Baden-Württemberger plädieren dafür, die Aktivitäten der FW weiter auf ihre kommunalen Ursprünge zu beschränken. Alles andere gefährde die Sonderstellung der FW als Anti-Partei und damit ganz konkret den Erfolg bei den Kommunalwahlen, die in Baden-Württemberg ebenfalls am 7. Juni stattfinden.

Das Bundesland galt lange Zeit als Vorzeigeland der Freien Wähler in Deutschland. 44 Prozent aller Gemeinderäte stellt der Bürgerverein dort seit der Kommunalwahl 2004, mehr als jede etablierte Partei. Seit dem 28. September, dem Tag der bayerischen Landtagswahl, sind die Freien aus dem Ländle ihre Führungsrolle allerdings los.

Die liegt jetzt bei den Kollegen aus dem Freistaat, die als erste FW-Gruppe überhaupt in ein Landesparlament einzogen. Strippenzieher Aiwanger scheint derweil mittelfristig auf einen Generationswechsel im Nachbarland zu vertrauen: "Es ist ganz normal, dass die Älteren nicht so offen sind für Neues."

Gleichwohl sind auch in Bayern nicht alle Freien begeistert von Aiwangers Plänen. Die Teilnahme an der Europawahl sei zwar machbar, sagt Eva Gottstein, die stellvertretende Fraktionschefin im Landtag. "Aber ich weiß nicht, wie wir einen Wahlkampf mit voller Kraft führen sollen. Wir haben im Landtag genug zu tun."

CSU fürchtet Konkurrenz

Europawahl-Kampagnen, entgegnet Aiwanger, könne man "mit relativ wenig Aufwand gestalten". Und er denkt schon weiter: Auch ein Antreten der FW bei der Bundestagswahl will er nicht ausschließen. Im Gegensatz zur Europawahl müssten die Freien dafür aber eine Partei gründen - und Parteien sind für die FW eigentlich der natürliche Feind.

Trotzdem lehnten in Würzburg nur die Landesverbände Baden-Württemberg und Sachsen die Bundestagsambitionen strikt ab. Man werde sehen, wie der Europa-Wahlkampf laufe, sagt Aiwanger, dann könne man ja entscheiden, ob ein Antreten bei der Bundestagswahl sinnvoll sei.

Ein genaues Auge auf den Europa-Wahlkampf der FW wird auch die CSU haben. Denn die Freien könnten den Christsozialen genau jene Stimmen wegnehmen, die sie brauchen, um bundesweit die Fünf-Prozent-Hürde zu meistern und wie seit 30 Jahren eine eigene Europagruppe nach Brüssel schicken zu können.

Ungefähr 35 Prozent der Stimmen in Bayern sind dazu mindestens nötig, je nach Wahlbeteiligung. Viele in der CSU fürchten, dass die am 7. Juni wegen der Pfingstferien besonders niedrig sein könnte. Mancher fühlt sich ungut an die Europawahl 1989 erinnert, als die Republikaner die CSU mit einem Ergebnis von 14,6 Prozent in Bedrängnis brachten. Noch vor ein paar Wochen hatte es in der CSU geheißen, man sei bei der Europawahl auf der sicheren Seite, solange die FW nicht anträten. Das jedoch scheint sich nun zu ändern.

© SZ vom 15.12.2008 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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