Franken: Kloster Marienweiher:Der Sündenfall Marienweiher

Lesezeit: 3 min

Aufruhr in der fränkischen Diaspora: Die staatliche Immobilienverwaltung hat ein beliebtes Kloster zum Kauf angeboten - für einen Euro.

Olaf Przybilla

Inzwischen hat sich Wolfgang Protzner wieder einigermaßen im Griff. Noch zu Beginn der Woche war das nicht zu erwarten gewesen. Da hatte der ehemalige CSU-Bürgermeister von Kulmbach die Leser der Frankenpost wissen lassen: "Diesen Idioten im Amt muss jemand ins Hirn geschissen haben."

Kruzifix: Die Wallfahrtskirche Kloster Marienweiher soll verkauft werden. (Foto: Foto: ddp)

Und weiter: "Wenn ich den Kerl erwische, der sich das ausgedacht hat, dem haue ich eine rein. Und ich kenne einige Leute, die helfen mir dabei." Jetzt könnte man sagen, dieser Protzner scheint ein eher schlichter Kerl zu sein. An der Otto-Friedrich-Universität in Bamberg aber, wo Protzner bis vor kurzem Didaktik der Geschichte lehrte, schildern sie ihn ganz anders. Was die Vermutung nahelegt, der Grund für den Ärger des Emeritus dürfte überaus triftig sein. Ist er auch: Protzner schnaubt. Es geht um ein Schreiben der Immobilienverwaltung Bayern, in dem diese das Kloster Marienweiher zu einem guten Preis feilbietet. Für einen Euro.

Nun wirken Vergleiche der Art "Marienweiher ist das Altötting des Frankenwalds" immer peinlich. Aus dem Mund eines Historikers jedoch gewinnt das Attest eine gewisse Plausibilität. Ein Blick in die Chronik des Klosters kann das bestätigen.

Im Jahr 1646 von Melchior Otto Voit von Salzburg gegründet, einem der großen Bischöfe von Bamberg, entwickelte sich der Komplex zu einem Hort des Katholizismus in Franken. Dass kein anderer als Papst Johannes Paul II. die Wallfahrtskirche Mariä Heimsuchung im Juni 1993 durch das apostolische Schreiben Celebratum templum zur Basilika erhob, dürfte auch der Rolle geschuldet sein, die dem Kloster - zwölf Kilometer östlich von Kulmbach gelegen - in Franken zukommt. Dort, in der katholischen Diaspora, finden sich nicht viele vergleichbare Wallfahrtsstätten.

Wie kann es sein, dass dieser Komplex als Ein-Euro-Kloster angeboten wird? Das Schreiben des Immobilienverwaltungsbeamten an den Landrat von Kulmbach ist in verbindlichem Ton gehalten. Die Immobilienverwaltung des Freistaats, hebt es an, sei beauftragt worden, "Verwertungsmöglichkeiten für das Kloster" zu prüfen. Ehe man aber den "Verkauf an Dritte in Erwägung" ziehe, räume der Freistaat dem Kreis Kulmbach die Möglichkeit ein, das Anwesen zu erwerben. Gerne könnte der Verkauf "zu einem symbolischen Wert" erfolgen.

Bangen um den Bettelorden

Der Brief hat eine Welle des Protestes ausgelöst. Der Kreistag von Kulmbach begehrte kollektiv auf. Norbert Volk, der Bürgermeister der Marktgemeinde Marktleugast, äußerte sich fassungslos. Ob es nun bereits opportun sei, sich eines Klosters zu entledigen, nur weil es keinen Gewinn abwerfe wie etwa Schloss Neuschwanstein oder Linderhof, wollte Volk vom Finanzminister wissen.

Und die örtliche Landtagsabgeordnete Inge Aures fragte, ob es um den Freistaat schon so schlecht bestellt sei, dass man sich auch der Gotteshäuser entledige - und ob die "CSU nun selbst vor dem Glauben an Gott und der Ehrfurcht der Menschen" keinen Halt mehr mache?

Aures ist Sozialdemokratin, was man vom Dirigenten Enoch zu Guttenberg nicht behaupten kann. Seit einer Wahlkampfrede seines Sohnes - der momentan dem Bundeswirtschaftsministerium vorsteht - ist der ehemalige christsoziale Dissident wieder CSU-Mitglied. Dass eine Keimzelle des christlichen Glaubens in Franken von einem bayerischen Ministerialen als Ein-Euro-Schnäppchen angeboten wurde, nennt er eine veritable "Todsünde". Wenn "diese fabelhaften Menschen" aus dem Bettelorden die fränkische Diaspora verlassen würden, wäre dies eine Tragödie, sagt Guttenberg.

Guttenberg, das Dorf, liegt keine fünf Kilometer von Marienweiher entfernt. Die Kirche der Gemeinde wird betreut von einem polnischen Franziskaner aus dem Kloster. Seit sich der Dirigent zu Beginn der Woche von seinem Schloss aus ins Finanzministerium nach München begeben hat, hat sich die Stimmung dort merklich gewandelt. Jedenfalls dürfte die Erklärung, die Minister Georg Fahrenschon am Dienstag veröffentlichen ließ, in der ihm untergeordneten Behörde für ähnliche Schmerzen gesorgt haben wie ein Besuch von Professor Protzner.

Fahrenschon, der sonst eher als einer der Bedächtigen in der CSU gilt, ließ mitteilen: Guttenberg und er seien zu einem "Gedankenaustausch zusammengetroffen". Dabei habe er, Fahrenschon, seinem Gast erklärt, er distanziere sich ausdrücklich von den Plänen, das Kloster zu veräußern. Entsprechende Pläne seien "in keiner Weise" mit ihm abgestimmt gewesen. Er habe diesen Prozess gestoppt.

Akuter Nachwuchsmangel

Das allein hätte für Hochstimmung in Franken sorgen können. Der Pferdefuß der Erklärung aber folgt im letzten Satz: "Solange die Franziskaner beziehungsweise die katholische Kirche das Kloster nutzen, besteht keinerlei Handlungsbedarf." Genau das ist das Problem.

Wegen akuten Nachwuchsmangels nämlich steht zu befürchten, dass die bayerischen Franziskaner das seit 1825 vertraglich zugesicherte Nutzungsrecht am Kloster demnächst aufgeben müssen. Für diesen Fall sollen neue Nutzer den Unterhalt selbst zahlen müssen. Die schlesische Ordensprovinz der Franziskaner, die das Kloster seit 25 Jahren betreut, könnte dies kaum bezahlen. "Wir sind ein Bettelorden", sagt einer der Patres. Ohne Einkünfte könne man den Betrieb eines solchen Klosters unmöglich schultern.

Karl-Theodor zu Guttenberg - er ist der Sohn von Enoch und wie der Emeritus Protzner Gründungsmitglied im Verein der "Freunde der Wallfahrtskirche" - will das Feilschen um das Kloster auf Anfrage nur mit zwei Zeilen kommentiert wissen. Und die lassen jegliche Interpretation zu: "Oh heiliger Franziskus hilf! Dem Orden, die Entscheidung zu finden, auf Dauer zu bleiben - und der Politik, sich nicht die Verhandlungserfolge eines Dirigenten zu eigen zu machen."

© SZ vom 28.03.2009 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite
Jetzt entdecken

Gutscheine: