Fast wie "Big Brother":Der Spanner von Großmehring

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Ein 61-jährigen Familienvater hat jahrelang seine Mieter mit versteckten Kameras beobachtet. Ein Gericht verurteilte ihn zu einer Bewährungsstrafe.

Stefan Mayr

Die Zeugin zittert und weint. "Das verfolgt mich, ich kann nicht mehr so sein wie früher", sagt die 24-Jährige vor dem Amtsgericht Ingolstadt. Ihr Vermieter hatte sie und ihren Ehemann monatelang heimlich im Schlafzimmer und im Bad gefilmt.

Wer bei der TV-Show "Big Brother" mitmacht, weiß von all den Kameras. Ganz im Gegensatz zu den Mietern des verurteilten Spanners. (Foto: Foto: dpa)

Der Täter sitzt mit gestreiftem Hemd, Lederweste und gesenktem Kopf auf der Anklagebank. Er wagt es nur einmal, sein Opfer für einen Sekundenbruchteil aus dem Augenwinkel anzublicken.

Auch ansonsten gibt er sich äußerst zurückhaltend; der 61-Jährige, der bundesweit als Spanner von Großmehring Aufsehen erregt hat, scheut die Kameras der Medien. Er verbirgt sein Gesicht hinter einer aufgeschlagenen Zeitung.

Zehn Jahre lang hat der verheiratete Vater zweier erwachsener Kinder in dem Ingolstädter Vorort Big Brother gespielt: In seinem Mehrfamilienhaus beobachtete und belauschte er die Mieter mit Minikameras und Mikrophonen. Die Aufnahmen speicherte er auf Videokassetten und CDs.

Zehn Jahre Big Brother gespielt

Diese systematische Überwachung fand erst im November 2007 ein Ende, als einer Mieterin beim Wischen der Holzdecke eine Kameralinse aus einem Astloch entgegenflog. Als wenig später die Polizei beim Voyeur klingelte, war er sofort geständig. Das Amtsgericht verurteilte ihn am Montag wegen "Verletzung des höchstpersönlichen Lebensbereichs durch Bildaufnahmen" und der "Verletzung der Vertraulichkeit des Wortes" zu einer Freiheitsstrafe von eineinhalb Jahren auf Bewährung.

In seiner Urteilsbegründung warf der Richter dem nicht vorbestraften Täter vor, seine Mieter "mit erheblichem Aufwand zum Anschauungsobjekt degradiert" zu haben. "Er hat zugeschaut, was sie treiben, und zwar im wahrsten Sinne des Wortes", so der Richter. Zugunsten des Angeklagten wurde gewertet, dass er nach Entdeckung seines geheimen Hobbys an drei betroffene Familien freiwillig ein Schmerzensgeld in Gesamthöhe von 19000 Euro bezahlt hatte. Zudem hatte er in seinem Geständnis mehr Taten eingeräumt, als ihm die Ermittler hätten nachweisen können. Im Laufe der Jahre 1997 bis 2007 hatte er mehr als 30 Personen bespitzelt.

Vor Gericht entschuldigte sich der 61-Jährige bei den Betroffenen. Sein Tun bezeichnete er als "Spiel, von dem ich nicht mehr loskam". Der Richter stellte zwar klar, dass die archivierten Aufnahmen meistens intime Szenen darstellten, dennoch beteuerte der Angeklagte, sexuelle Befriedigung sei kein Motiv gewesen. "Mich hat die Technik fasziniert", sagte der 61-Jährige."Ich habe das Ganze als nicht so tragisch erachtet, weil nur ich die Aufnahmen gesehen habe."

Die Auswirkungen seines Tuns waren allerdings durchaus schwerwiegend: Zwei betroffene Frauen mussten psychiatrisch behandelt werden. Der Voyeur selbst verlor seine Anstellung als Kältetechniker, seitdem ist er arbeitslos. Auch sein Ehrenamt im Sportverein gab er ab. Seine Ehefrau, mit der er in einem anderen Haus wohnt, habe von den Beobachtungen nichts gewusst. Als sie davon erfuhr, sei sie zunächst "sehr betroffen" gewesen, sie halte aber "Gott sei Dank" zu ihm, sagte er. Eine Wohnung in dem Big- Brother-Haus ist heute wieder bewohnt - die Mieter wussten vor ihrem Einzug über die Vorgeschichte Bescheid.

Das Gericht äußerte in der Urteilsbegründung leise Kritik an der Gesetzeslage, weil für unbefugte Tonaufnahmen eine Freiheitsstrafe bis drei Jahre vorgesehen sind, für Videoaufnahmen dagegen nur ein Jahr. "Ich weiß nicht, was von diesem Strafrahmen zu halten ist", so der Richter.

© SZ vom 14.10.2008/lawe - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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