Falsche Mischung:Jenseits des Durchschnitts

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Im Landtag sitzen 205 Politikerinnen und Politiker - doch nicht alle Bevölkerungsgruppen werden dort so repräsentiert, wie es ihrem gesellschaftlichen Anteil entsprechen würde

Von Benedict Witzenberger

Mathilde Berghofer-Weichner war die erste Frau im bayerischen Kabinett.

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(Foto: Claus Schunk)

Ilse Aigner ist eine der wenigen Abgeordneten mit Handwerksausbildung.

Mathilde Berghofer-Weichner war in ihrem Leben oft die Erste: eine der ersten Frauen im Gautinger Gemeinderat, die erste Stellvertreterin des CSU-Vorsitzenden, schließlich das erste weibliche Mitglied im bayerischen Kabinett - zunächst als Staatssekretärin und dann als Justizministerin im Jahr 1986. Franz Josef Strauß und Max Streibl soll sie im Kabinett stets Kontra gegeben haben, weswegen beide sie respektierten. Strauß hat über sie gesagt: "Diese Frau ist eine Vielzweckwaffe." Und das in einer Zeit, als im Parlament gerade einmal rund zwölf Prozent der Abgeordneten weiblich waren. Heute ist der Anteil etwas höher: Knapp 27 Prozent der Abgeordneten im neugewählten Landtag sind Frauen. In absoluten Zahlen sind es mehr geworden. Allerdings ist die Zahl der Sitze ebenfalls gestiegen - daher ist der relative Frauenanteil gegenüber der vergangenen Legislaturperiode sogar um zwei Punkte gesunken.

Dabei sind die Hälfte der Menschen in Bayern Frauen. Kann der Landtag damit auch deren Interessen richtig abbilden? Erfüllt er seine Aufgabe aus Artikel 13 der bayerischen Verfassung, wonach die Abgeordneten "Vertreter des Volkes" sind? Mathilde Berghofer-Weichner sagte nach ihrer Zeit als Politikerin im Jahr 2000 dem Bayerischen Rundfunk: "Die Welt besteht nun einmal aus Männern und Frauen - genauso wie aus Tag und Nacht. Man muss daher auch in der Politik immer beide Seiten sehen." Daran fehle es immer noch, weil es in der Politik zu wenige Frauen gebe. Und an dem Grundproblem hat sich 18 Jahre später wenig geändert: Nur die SPD besetzt im aktuellen Landtag die Hälfte ihrer Sitze mit Frauen, unter zehn Prozent sind es jeweils bei FDP und AfD. Aber es fehlen nicht nur die Frauen, auch die Jungen.

Der neugewählte Landtag ist zu alt. Die unter 30-Jährigen sind anteilsmäßig viel weniger repräsentiert, als sie in der Bevölkerung vertreten sind. Ein einziger Abgeordneter ist jünger als 25 Jahre: Florian Siekmann, 23, zog für die Grünen ein, seine Fraktion stellt im Schnitt die jüngsten Kandidaten. Aber auch die Bayern über 65 sind unterrepräsentiert. Sie machen 24 Prozent der Bevölkerung aus - im Landtag sind es acht Prozent. Die ältesten Abgeordneten stellen die Freien Wähler.

Bei den Berufsgruppen weicht der Landtag ebenfalls von der Bevölkerung ab. Traditionell sind die Juristen stark vertreten. 43 Abgeordnete haben einen Juraabschluss angegeben. Die Agentur für Arbeit gab im März ihren Anteil an den Hauptbeschäftigen in Bayern mit etwa 0,6 Prozent an, im Landtag machen sie 21 Prozent aus. Überrepräsentiert sind auch Landwirte, vor allem wegen der FW und der CSU. Sehr selten sind Handwerker. Ein prominentes Gegenbeispiel: Ilse Aigner. Sie absolvierte eine Ausbildung zur Radio- und Fernsehtechnikerin, arbeitete im Betrieb ihrer Eltern, bis sie eine Technikerschule besuchte und staatlich geprüfte Elektrotechnikerin wurde. Im Landtag machen Elektrofachkräfte etwa 1,5 Prozent aus, unter den Arbeitnehmern sind es mehr als drei Prozent.

Als Aigner 1994 in den Landtag gewählt wurde, war die Polit-Karriere von Berghofer-Weichner vorbei. Sie wurde von Edmund Stoiber 1993 nicht mehr als Ministerin vorgeschlagen. Im ersten Kabinett besetzte er zwar vier Staatssekretärsstellen mit Frauen, aber keinen Ministerplatz.

© SZ vom 31.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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