Expertenmeinung:Auf keinen Fall nur eine Baumart

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Hans-Joachim Klemmt leitet die Abteilung Boden und Klima an der Landesanstalt für Wald und Forstwirtschaft. (Foto: privat)

Was Forstwissenschaftler Hans-Joachim Klemmt nun rät

Interview von Christian Sebald

SZ: Angenommen, Waldbesitzer und Förster tun nichts gegen die Klimakrise. Wie sieht 2100 der Wald in Bayern aus?

Hans-Joachim Klemmt: Das weiß keiner genau. Sicher ist, viele Wälder würden sich dramatisch verändern. Womöglich würden sie den heutigen Wäldern im Mittelmeerraum ähneln. Die Bäume würden nicht so hoch und gerade sein, wie wir es gewohnt sind. Womöglich würden sie auch nicht so geschlossen dastehen, wie in den jetzigen Wäldern, sondern viel lückiger, mit Buschwerk.

Was raten Sie Waldbesitzern?

Bäume werden bis zu 200 Jahre alt, Förster und Waldbesitzer arbeiten in langen Zeiträumen. Wir wissen definitiv nicht, welche Ausmaße die Klimakrise annimmt. Ich rate Waldbesitzern zu möglichst artenreichen Mischwäldern. Sie sollten auf keinen Fall mehr nur auf eine Baumart setzen, sondern auf vier oder fünf. Und auf Strukturreichtum.

Strukturreichtum?

Dicke und dünne Bäume, junge und alte auf der gleichen Fläche. Monokulturen aus ein, zwei Arten, alle Bäume im selben Alter und von möglichst gleichem Wuchs werden in der Klimakrise nicht bestehen.

Die Fichtenwälder, wie man sie überall in Bayern kennt, haben keine Zukunft?

Das kann man so nicht sagen. Wir Förster orientieren uns an der potenziell natürlichen Vegetation. Wir untersuchen, welche Baumart wo von Natur aus gedeiht. Die Fichte liebt es kühl und feucht. Sie wird auch in 100 Jahren in den Alpen, im Bayerischen Wald, im Oberpfälzer Wald und im Fichtelgebirge wachsen. Aber nur selten in tiefen Lagen. Und nicht mehr als Monokultur. Sondern als Mischbaumart, mit Tannen und Buchen.

Keine Baumart wird so vielfältig genutzt wie die Fichte. Keine bringt so gute Erträge. Gibt es eine Alternative zur Fichte?

Die eine Alternative schlechthin gibt es nicht. Aber es gibt die Tanne, die Schwarzkiefer und die Douglasie. Sie sind wirtschaftlich interessant und viel klimatoleranter als Fichten. Als Trupps in Mischwäldern haben sie eine gute Zukunft.

Die Douglasie stammt aus Nordamerika. Naturschützer kritisieren, dass man mit ihr Schädlinge nach Bayern holen könnte, die man nicht hier haben will.

Es ist 200 Jahre her, dass in Bayern erstmals Douglasien angepflanzt worden sind. Zwar nicht in großem Stil, aber wir haben einige stattliche Bestände und gute Erfahrungen damit. Die Douglasie kann eine Bereicherung sein, wenn man nicht die alten Fehler wiederholt und sie als Monokultur pflanzt.

Viel Auswahl bleibt den Förstern nicht. Sogar die Buchen schwächeln.

Die Buche ist die heimische Baumart schlechthin. Von Natur aus wächst sie bei uns am allerbesten. Sie ist sehr klimatolerant. Grundsätzlich sollte sie gut mit der Klimakrise zurechtkommen.

In Unterfranken hat die Buche derzeit aber Probleme.

Bei Schweinfurt, Kitzingen und sogar im Steigerwald leidet sie dieses Jahr an den Hitzespitzen und der Trockenheit. Wir müssen untersuchen, ob es punktuelle Probleme sind. Oder ob sich eine neue Entwicklung anbahnt, mit der wir nicht gerechnet haben. Buchen gehen eigentlich gut um mit extremen Bedingungen. Bei langer Trockenheit legen sie Teile der Kronen still. Die vertrocknen und fallen bisweilen sogar ab. So reicht die Wasserversorgung für den übrigen Baum. Später erholen sie sich meist wieder.

Eichen profitieren von der Klimakrise.

Mit ihre Pfahlwurzeln erreichen Eichen tiefere Bodenschichten, die auch bei langer Trockenheit Wasser führen. Das Problem ist ihre Anfälligkeit für Schädlinge, wie den Eichenprozessionsspinner. Sie profitieren ebenfalls von der Klimakrise und setzen die Eichen unter Druck. Auch bei den Laubbäumen werden wir neue Arten brauchen, die Edelkastanie etwa.

Die Esskastanie aus Italien?

Wir werden vielerorts ein Klima wie in Südeuropa haben. Daher untersuchen wir Baumarten von dort. Das Holz der Edelkastanie ist vielseitig verwendbar. Es kommt darauf an, dass wir die neuen Wälder richtig gestalten. Der Wald der Zukunft ist möglichst arten- und strukturreich.

© SZ vom 31.08.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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