Ermittlungen gegen Linke:Die braunen Helfer der Polizei

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"Da dreht es einem den Magen herum": Beamte greifen für Ermittlungen gegen linke Gruppen auf illegale Internetfotos von Neonazis zurück.

Olaf Przybilla

Die bayerische Polizei nutzt Internetseiten von Neonazis für Ermittlungen gegen Personen aus dem linken Milieu. Dies bestätigte ein Sprecher des Polizeipräsidiums Nürnberg am Dienstag der SZ. Zwei Polizeibeamte hatten zuvor bei einem Verfahren vor dem Nürnberger Amtsgericht eingeräumt, einer Rentnerin zur "Täterermittlung" mehrere Fotos der rechtsextremen Internetseite "Anti-Antifa.net" vorgelegt zu haben. Die Frau hatte zwei Demonstranten angezeigt.

Veröffentlicht werden auf der Seite unter anderem Fotos von Personen, die an Demonstrationen gegen Rechtsextremisten teilnehmen. Mit Hilfe der ihr vorgelegten Fotos erkannte die Frau die beiden Personen, gegen die daraufhin ein Verfahren wegen Nötigung eingeleitet wurde. Beide wurden inzwischen vor dem Amtsgericht freigesprochen.

Die Polizei räumte gestern ein, dass die Fotos "vermutlich illegal" auf den von Rechtsextremisten publizierten Seiten veröffentlicht wurden. Fotos von Privatpersonen dürfen lediglich mit Genehmigung der Betroffenen publiziert werden. Würden diese gegen die veröffentlichten Fotos zivilrechtlich vorgehen und nachweisen können, dass sie eindeutig darauf zu erkennen sind, so wären die Bilder illegal. Dass sich die Ermittler trotzdem dieser Fotos zur Täterermittlung bedienen, sei "im Einzelfall" durchaus gängige Praxis, erklärte das Polizeipräsidium.

Im konkreten Fall habe offenbar die Nürnberger Polizeiinspektion West bei der Staatsschutzabteilung der Kripo um Hilfe gebeten. Der Staatsschutz habe den Beamten dann mehrere Fotos von der Seite der Neonazis vorgelegt. Mit deren Hilfe wurden zwei Studenten ermittelt, die sich gegen eine Rentnerin gewehrt hatten. Die Frau hatte beide bei einer in Nürnberg angemeldeten Demonstration gegen den Weltwirtschaftsgipfel fotografiert und gefilmt. Nach einer Rangelei mit der 60 Jahre alten Frau wurden beide wegen Nötigung angeklagt - vor dem Amtsgericht in Nürnberg am Donnerstag aber freigesprochen.

Die Opposition im Landtag reagiert mit Empörung auf das Vorgehen der Ermittler. Der SPD-Landtagsabgeordnete Stefan Schuster sprach von einer "Riesensauerei". Dass die bayerischen Behörden auf illegale Hilfsmittel von Neonazis zurückgreifen, sei skandalös.

Auch Christine Stahl, Rechtsexpertin der Grünen, zeigte sich entsetzt: "Da dreht es einem dem Magen herum, zu welchen Mitteln Polizeibeamte greifen, wenn es darum geht, gegen Linke zu ermitteln." Die Bilder seien eindeutig zum Zweck der Einschüchterung gegen Demonstrationsteilnehmer und auf rechtswidrige Weise von Nazis ins Internet gestellt worden.

Auf deren Internetseite heißt es, die "Anti-Antifa" sei ein freier Zusammenschluss von Personen, die "maßgeblich im nationalen Widerstand" tätig seien. Der Name gebe die Stoßrichtung an: Man richte sich "gegen linke Personen, Strukturen aller Art und deren Unterstützer". Grundsätzlich komme jeder als Unterstützer in Frage. Die Gruppe ruft dazu auf, im Bekanntenkreis nachzufragen, "wer an irgendwelche nützliche Daten rankommt"- beispielsweise von Polizisten, Justiz- oder Finanzbeamten. Die Betreiber verstehen sich selbst als "nationalen Informationsdienst". Man beschaffe Daten "über linke Gruppen, Personen und antinationale Zusammenhänge", dokumentiere und veröffentliche diese.

Als direkt betroffen davon gelten derzeit zirka 200 Personen, darunter der Bürgermeister der Stadt Gräfenberg, Werner Wolf. Er setzt sich offen gegen die monatlichen Aufmärsche von Neonazis in der oberfränkischen Stadt zur Wehr - und wird von Neonazis deswegen heftig angegriffen. Auf den betreffenden Seiten der Rechtsextremen seien auch "auffällig detaillierte Informationen" zu einem Anschlag auf sein privates Wohnhaus in Gräfenberg zu finden gewesen, erklärt Wolf. Das Haus war im April mit roten Farbeiern beworfen worden.

Polizei und Innenministerium rechtfertigen das Vorgehen: Laut Strafprozessordnung seien die Ermittler dazu verpflichtet, die öffentlich zugängigen Quellen zu nutzen. Andernfalls setze man sich dem Vorwurf der Strafvereitelung aus.

© SZ vom 12.12.2007/gba - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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