Ende der Ära Stoiber:Der Treibstoff des Erfolgs

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Stoiber war der Mann der Offensiven: Mit Milliarden aus der Privatisierung kurbelte Stoiber die Wirtschaft an - sein Nachfolger muss sich nun in Bescheidenheit üben.

Kassian Stroh

Am 30.Juni1993 trat Edmund Stoiber zu seiner ersten Regierungserklärung als Ministerpräsident ans Rednerpult des Landtags. Die "fetten Jahre" seien vorbei, sagte er und verkündete harte Einschnitte. War dies tatsächlich eine der "tränenreichsten Regierungserklärungen, die man je vernommen hat", wie der damalige Grünen-Fraktionssprecher Manfred Fleischer sagte?

Der Mann der Wirtschaftsoffensiven: Edmund Stoiber auf einem Bayern-Online-Kongress im Jahr 2000. (Foto: Foto: dpa)

Wohl kaum, denn Stoiber verkündete, was damals nicht viel Aufsehen erregte, neben dem Sparkurs eine zweite Botschaft: Er wolle diverse Firmenbeteiligungen des Freistaats verkaufen, um sie "gezielt für Zukunftsinvestitionen" einzusetzen. Es sollte dies das prägende Prinzip seiner 14-jährigen Amtszeit werden.

Beteiligungen im Wert von 6,6 Milliarden Euro hat er seit 1994 verkauft - die größten Brocken waren die Anteile am Bayernwerk und der Bayerischen Versicherungskammer (je 1,2 Milliarden Euro), an der VIAG AG (1,6 Milliarden) und an Eon (gut zwei Milliarden Euro). Stoiber hat das meiste davon in die sogenannte "Offensive Zukunft Bayern" gesteckt: Sie umfasste vier Abschnitte, ihr dritter wurde auch als "Hightech-Offensive" bekannt. Die Förderliste ist unüberschaubar.

Darin finden sich Großprojekte wie der Forschungsreaktor in Garching ebenso wie regionale Wirtschaftsförderung, ein Umwelt- und ein Arbeitsmarkt-Fonds ebenso wie das "Museum der Phantasie" in Bernried. Schon unter Stoibers Vorgänger Max Streibl war diskutiert worden, ob man nicht die Beteiligungen wie die am damaligen Energieversorger Bayernwerk verkaufen könne. "Doch Streibl war zögerlich", erinnert sich Georg von Waldenfels, damals Finanzminister. Anders Stoiber, der das schnell als "große Chance" begriffen habe. "Nicht besitzen, sondern gestalten", gab er als Parole aus.

Ein paar Flops

Doch es ist unklar, inwieweit Stoibers Offensiven-Politik auch erfolgreich war. Bis heute gibt es keine unabhängige Analyse. Der Oberste Rechnungshof (ORH) hat nur einzelne Projekte geprüft und ist auf ein paar Flops gestoßen, wie die 180 Millionen Euro teure Initiative "BayernOnline", die ein bayerisches Hochgeschwindigkeitsnetz aufbauen sollte. Auch bemängelte der ORH, dass Zuschüsse manchmal allzu freigiebig und ohne Erfolgskontrolle vergeben wurden. Insgesamt aber, resümiert ORH-Präsident Heinz Fischer-Heidlberger, der in den neunziger Jahren als Spitzenbeamter in der Staatskanzlei die Privatisierungspolitik mitverantwortete, hätten die Offensiven "das Land vorangebracht".

Das sieht der SPD-Haushaltspolitiker Jürgen Dupper anders: Schließlich habe sich in Stoibers Amtszeit trotz der vielen Milliarden der Anteil der Investitionsausgaben am Staatshaushalt von 21,6 auf 12,7 Prozent fast halbiert. "Viel von dem guten Geld floss in den Aufbau von Apparaten, nicht in notwendige zusätzliche Investitionen", sagt Dupper.

Stoiber hingegen ließ sich von einem von ihm eingesetzten Expertengremium attestieren, dass in seiner Regierungszeit das bayerische Wirtschaftswachstum im Schnitt um 0,6 Prozentpunkte höher war als das bundesweite. Kein Wunder, dass der Mann der Offensiven, als sein Rückzug noch nicht abzusehen war, gleich noch eine neue planen ließ: "Zukunft Bayern 2020" nannte er sie und verkündete forsch, sie werde zu einem um 0,5 Prozentpunkte höheren Wirtschaftswachstum führen.

"Versteckte Verschuldung"

Zu Beginn der Offensiv-Politik hatte er versprochen, es würden nur "völlig neue, also zusätzliche Projekte" gefördert. Doch in "Bayern 2020" fanden sich die dringend benötigte Aufrüstung der Unis für den Studentenansturm und so uralte Themen wie der Straßenbau wieder.

Daran zeigt sich das Dilemma von Stoibers Haushaltspolitik: Als seine größte Leistung wird bleiben, dass der Freistaat 2006 erstmals keine neuen Schulden mehr aufnahm. Dank tiefgreifender Einschnitte - und um den Preis, dass viele nötige Investitionen liegenblieben. Dass Staatsstraßen und -gebäude zunehmend verrotten, beklagt der ORH als "versteckte Verschuldung".

Der Grünen-Haushaltspolitiker Thomas Mütze sagt, die schwarze Null sei "erkauft, indem man von der Substanz lebt". Den schuldenfreien Etat 2006 hatte sich Bayern 1999 als Ziel gesetzt, als die Wirtschaftsprognosen noch viel günstiger waren und als die rot-grüne Bundesregierung dasselbe Ziel ausgegeben hatte.

Da wollte Stoiber nicht nachstehen. Doch anders als der Bund legte er sich auch verbindlich fest. Vor allem 2004, kurz nach der vergangenen Landtagswahl, kürzte die CSU radikal Ausgaben. Anders hätte man das Ziel des ausgeglichenen Haushalts nicht erreichen können, argumentierte Stoiber. Man hätte in der wirtschaftlich labilen Situation nicht noch weiter sparen dürfen, entgegnete die SPD.

Sie ließ in einem Gutachten errechnen, dass der Sparetat 2004 das bayerische Wirtschaftswachstum um ein Prozent reduziert habe. Seinen ausgeglichenen Haushalt erreichte Stoiber auch nur um den Preis, dass er noch 2005 mit 1,8 Milliarden Euro so viele neue Schulden aufnahm wie nie zuvor. Insgesamt ist die Schuldenlast in seiner Regierungszeit von 15 auf 23 Milliarden Euro gewachsen.

SPD und Grüne beklagen vor allem die Kurzlebigkeit der Stoiberschen Politik: "Das war keine stetige Finanzpolitik, sondern Rumgehüpfe", sagt Mütze. Ein schönes Beispiel war 2004, als die Mittel für Straßen und Wasserbau im Haushalt gestutzt wurden, um dann im Rahmen einer "Investitionsoffensive Zukunft Bayern" noch im selben Jahr wieder aufgestockt zu werden - diesmal aus Privatisierungserlösen bezahlt, die sich im Laufe der Jahre zunehmend als Instrument der herkömmlichen Etatfinanzierung entpuppten.

Sein Nachfolger Günther Beckstein muss nun mit den Folgen klarkommen, muss wieder investieren, ohne Schulden zu machen. Anders als Stoiber aber hat er kaum noch Tafelsilber zu verkaufen. Dem Freistaat ist de facto nur noch ein Zwei-Prozent-Anteil an Eon verblieben. Wenn die Steuereinnahmen einmal nicht so gut sind wie dieser Tage, wird Beckstein tatsächlich sagen können: "Die fetten Jahre sind vorbei."

© SZ vom 21.9.2007 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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