Ehefrau erbt Bürgermeisteramt in Aham:Die Alleinerbin

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Elisabeth Kobolds Mann war Bürgermeister - nach seinem plötzlichen Tod übernahm sie sein Amt. Bei ihrer ersten Wahl erreichte sie 67 Prozent der Stimmen, nun tritt sie ohne Gegenkandidat an.

Hans Kratzer

Jenes Wochenende im Mai 2005, an dem Elisabeth Kobolds Leben eine dramatische Wendung nahm, begann mit einem fröhlichen Feuerwehrfest auf dem eigenen Anwesen - und es endete mit dem jähen Tod ihres Mannes, des Bürgermeisters der kleinen Vilstalgemeinde Aham am östlichen Zipfel des Landkreises Landshut.

Seltenes Phänomen in der Politik: Elisabeth Kobold hat ihren Mann im Bürgermeisteramt von Aham beerbt. (Foto: Foto: Armin Weigel)

Helmut Kobold war erst 43 Jahre alt, als ihn eine Gehirnblutung aus dem Leben riss. Er hinterließ seine Frau, zwei kleine Töchter und eine Gemeinde, die er seit 1990 nachhaltig geprägt hatte. "Er hat wirklich viel auf den Weg gebracht", sagt seine Frau, die das mittlerweile gut beurteilen kann. Schließlich hat sie ihn im Bürgermeisteramt beerbt.

Ein Phänomen, das in der Politik Seltenheitswert hat, auf Anhieb fallen einem da nur die Rottaler Landrätin Bruni Mayer ein, die 1987 ihrem amtsenthobenen Mann Ludwig nachfolgte, und vielleicht noch Paula Volkholz aus Kötzting, die schon 1970 - stellvertretend für ihren Mann, der nicht kandidieren durfte - zur Landrätin gewählt wurde.

Wer mit Elisabeth Kobold, 43, durch das 2000-Einwohner-Dorf Aham spaziert, in dessen Schloss übrigens Maximilian von Montgelas, der Vater des modernen Bayern, begraben liegt, der kann das Lebenswerk ihres Mannes gar nicht übersehen. In der Ortsmitte erhebt sich ein stattliches Gemeindezentrum mitsamt Kindergarten, etwas abseits davon die Grundschule, die Ortsränder fransen aus mit Neubaugebieten, auch die Kläranlage und das Kanalnetz zeugen vom Fortschrittswillen der Gemeinde.

"Dafür war mein Mann viel unterwegs", erinnert sich Elisabeth Kobold. Schon damals bekam sie die Schattenseiten einer ehrenamtlichen Bürgermeisterstelle zu spüren. Die Familie musste zurückstecken, weil der Vater täglich in der Pflicht stand: Abendtermine, Gemeinderatssitzungen und Generalversammlungen knüpften nahtlos an die Termine der örtlichen CSU und des Kreistags an.

"Du wärst es halt"

Einige Wochen nach dem Tod von Helmut Kobold klopften einige Gemeinderäte an der Haustür seiner Frau. Sie wüssten jetzt jemanden, "der gut als Bürgermeister passen tät'", teilten sie der jungen Witwe mit. "Hoffentlich ist es keiner, den ich gut kenne", erwiderte sie. "Schließlich ist in Aham noch jeder Bürgermeister jung gestorben."

Da platzte es aus ihnen heraus: "Du wärst es halt." Elisabeth Kobold war sprachlos. Sie war CSU-Mitglied, doch daran hätte sie nie einen Gedanken verschwendet. Aber ihre Gäste ließen nicht locker. "Mama, du packst das", ermunterten sie ihre Töchter, die heute elf und 13 Jahre alt sind. Nach ein paar schlaflosen Nächten stand ihr Entschluss fest: "Ich mach's."

Elisabeth Kobold trat ihr Amt ohne kommunalpolitische Erfahrung an. Bevor sie heiratete, hatte sie eine Ausbildung als Metzgereifachverkäuferin gemacht, dann arbeitete sie in einer Fabrik, schließlich als Verkäuferin in einer Bäckerei. Kommunaler Haushalt, Flächennutzungsplan, Kanalgebühren, Kreisumlage - selbst Grundbegriffe wie diese waren ihr, wie den meisten Bürgern, nur oberflächlich geläufig.

"Natürlich, am Anfang ist das nicht leicht", sagt Elisabeth Kobold in ihrem Amtszimmer, in dem sie die Vormittage verbringt. Vor allem das weite Feld des Kanalwesens mitsamt seinen technischen Verzahnungen machte ihr gehörig zu schaffen. Und das bei einer ehrenamtlichen 40-Stunden-Woche, die sich nicht selten auf 60 Stunden dehnt, da ist die Arbeit auf dem heimischen Bauernhof noch nicht eingerechnet.

Zum Glück braucht sich ein Ahamer Bürgermeister in derlei komplizierten Verwaltungs- und Bausachen nicht verlassen fühlen. Die Gemeinde ist Mitglied der Verwaltungsgemeinschaft Gerzen, die dortige Schaltzentrale mit Geschäftsführung, Kämmerei und dem Verwaltungspersonal hat in der Regel alles im Griff. "Sie unterstützen mich vorbildlich", sagt Frau Kobold. Und auch die Bürgermeisterkollegen haben stets gute Ratschläge parat - in der Elefantenrunde, die alle vier Bürgermeister der Verwaltungsgemeinschaft einmal in der Woche zusammenspannt.

Was ihr an Kenntnissen fehlte, das glich Elisabeth Kobold durch andere Qualitäten aus. Zum Beispiel durch ihren Humor und ihre erfrischende Herzlichkeit, die offensichtlich auch den Gemeinderat angesteckt hat. Jedenfalls werden seit ihrem Amtsantritt die allermeisten Beschlüsse mit 13:0-Stimmen verabschiedet, obwohl mehrere politische Lager unter einen Hut gebracht werden müssen.

Auf der Straße widmet die Bürgermeisterin jedem Passanten, der ihr begegnet, einen Gruß und bei Gelegenheit auch ein freundliches Wort. Diesmal trifft es den Mieter der Gemeindewohnung, der gerade etwas zerzaust aus dem Haus tritt: "Servus Martin, du hast aber ned viel geschlafen, stimmt's?", frotzelt sie ihn an.

Ein Ständchen

Mit diesem engen Kontakt zu den Bürgern bringt sie zum Ausdruck, dass sie keine Bürgermeisterin sein will, die große Reden schwingt und sonst nur am Schreibtisch hockt. Sie wolle sich durch das Amt nicht verbiegen lassen wie der eine oder andere Kollege, den sie beobachtet hat: "Manche glauben schon, über ihnen steht grad noch der Herrgott." Wenn sie unterwegs ist, sagt sie nie, dass sie Bürgermeisterin ist. "Man muss doch Mensch bleiben. Ich brauche die Leute, ich rede mit ihnen", lautet die Maxime von Elisabeth Kobold. Vielleicht belasten sie deshalb emotionale Probleme am meisten. Eine Zwangsräumung zum Beispiel. "Da musst du sagen, pass auf, es ist jetzt fünf vor zwölf." So etwas raubt ihr den Schlaf.

Im Kindergarten blüht sie dafür wieder auf. Kaum tritt sie dort durch die Tür, springen die Kinder gleich auf ("I hob di im Fasching gseng") und bringen ihr ein lustiges Ständchen dar, selbstverständlich singt die Bürgermeisterin gleich mit. Die Kinder liegen ihr sehr am Herzen. Ihre Gemeinde leidet unter dem Geburtenrückgang. 1990 besuchten 33 Kinder jede der vier Grundschulklassen, jetzt sind es nur noch 15. Deshalb hatte sie einige Tage vorher an die jungen Eltern appelliert: "Packts an!"

Sie selber initiierte den Zweckverband Kindergarten, der bayernweit Schule machen könnte. Unter ihrer Federführung bieten einige Gemeinden zusammen einen Montessori-, einen Wald- und zwei Regelkindergärten an, auch in den Ferien stehen Kindergartenplätze offen. Und wer mehr als zwei Kinder bekommt, dem schenkt die Gemeinde Geld. Noch aber konnte diese "Pampersprämie" die Geburtenflaute nicht stoppen.

Bei ihrer ersten Wahl hatte Elisabeth Kobold einen Gegenkandidaten. Damals wurde sie mit 67 Prozent der Stimmen gewählt. Diesmal steht sie ganz allein zur Wahl. Bei ihrer letzten Versammlung war das Wirtshaus gesteckt voll. Heißt das, dass die Bürger mit ihr zufrieden waren? "Ich glaube schon. Geschimpft hat jedenfalls keiner", sagt sie. Das gilt im Vilstal als höchste Anerkennung: "Ned gschimpft, ist gelobt genug."

© SZ vom 14.02.2008/aho - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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