Edmund Stoiber zum Bürokratieabbau:Ohne Hosenträger und Reißzwecke

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Im Bayerischen Landtag berichtet Chef-Entbürokratisierer Stoiber erstmals vor einem Parlament über seine Arbeit in Brüssel - und liefert wieder eine Wortakrobatik, die es mit seiner Transrapidrede aufnehmen kann.

Birgit Kruse

Edmund Stoiber ist in seinem Element, er genießt es, wieder einmal im Rampenlicht zu stehen. Und dann auch noch an dem Ort, den er als "Wurzel seiner politischen Karriere" bezeichnet.

Zufriedenes Strahlen: Edmund Stoiber, einst Bayerns Ministerpräsident, heute Chef-Entbürokratisierer der EU. (Foto: Foto: dpa)

Fast auf die Minute pünktlich erscheint er zu seinem ersten offiziellen Auftritt im Bayerischen Landtag, seit er als Chef-Entbürokratisierer in Brüssel unterwegs ist - als er noch Ministerpräsident war, musste man mindestens mit "einem Stoiber" Verspätung, also mit etwa 45 Minuten, rechnen.

Beschwingt kommt er auf den Konferenzsaal im Bayerischen Landtag zu, sonnt sich im Scheinwerferlicht der Fernsehkameras und stellt sich bereitwillig den Fragen der Journalisten. Erst dann geht er mit festem Schritt in den Fraktionssaal seiner CSU, um dem Europaausschuss über erste Erfolge in Brüssel zu berichten.

Gerade mal 23 Minuten braucht er, um dem Ausschuss wild gestikulierend zu erläutern, was die sogenannte High Level Group seit ihrer ersten Arbeitssitzung Ende Februar 2008 bereits alles geleistet hat. Das ist wenig. Zum einen, weil Stoiber immer noch gerne ausschweifende Sätze beginnt, ohne sie dann zu Ende zu führen. Zum anderen, weil der CSU-Politiker dafür berüchtigt ist, Reden zu halten, die mehr als 50 Seiten lang sind und schon mal mehrere Stunden dauern können.

Nicht so heute. Und das Strahlen in seinem Gesicht ist wohl so zu deuten, dass er mit dem Geleisteten äußerst zufrieden ist.

"Das ist mir der Idealismus für Europa wert"

Auch wenn seine Arbeit als Leiter der 15-köpfigen Entbürokratisierungstruppe "nur" ehrenamtlich ist - das hindere ihn nicht daran, sich voll in die Sache hineinzuhängen, betonte er. Denn: Es gehe um mehrere Milliarden Euro jährlich, die sich durch die Streichung überflüssiger Bürokratie einsparen ließen.

Vorrechnen darf die möglichen Einsparungen dann aber ein anderer: Roland Berger, Unternehmensberater und ehrenamtliches Mitglied der Arbeitsgruppe ("Das ist mir der Idealismus für Europa wert"). Und der ist ebenfalls stolz auf das Geleistete.

Durch ein Paket von Sofortmaßnahmen, so Berger, sei bislang rund eine Milliarde Euro eingespart worden - eine Maßnahme mit Potential. Denn wenn man dem Experten glauben will, könne sich das Volumen leicht noch verdoppeln, auf etwa zwei Milliarden Euro jährlich.

Auch beim Gesellschaftsrecht, das erste von insgesamt 13 Rechtsgebieten, die die Arbeitsgruppe in den kommenden drei Jahren überprüfen soll, könnten bis zu acht Milliarden Euro jährlich eingespart werden.

Summen, die jeden Politiker euphorisch werden lassen. Zumal die Kosten, die die Arbeitsgruppe verursacht, laut Berger äußerst gering sind. Gerade mal 60.000 Euro hätten die vier Sitzungen gekostet, die für die Erarbeitung der Vorschläge nötig gewesen seien. "Wir sind extrem zurückhaltend, was die Kosten angeht und extrem erfolgreich, was die Ergebnisse angeht", lobt der braungebrannte Unternehmensberater. Ein echter Stoiber-Satz.

Doch was das Zahlenspiel wert ist, entscheiden andere. Denn die High Level Group, die Stoiber zufolge mit dem Bürokratieabbau ganz wesentlich zur Akzeptanz der EU und damit der Zukunftsfähigkeit der Staatengemeinschaft beiträgt, macht nur Vorschläge. Was davon am Ende wie umgesetzt wird, entscheidet die Kommission.

Doch dies spielt im Ausschuss an diesem Tag keine Rolle. Denn selbst der grüne Ausschussvorsitzende Martin Runge, der sonst auf Stoiber nicht besonders gut zu sprechen ist, ist zufrieden. Denn von all den Vorschlägen, die Stoiber mit seinem Team ausgearbeitet hat, könnte Bayern besonders profitieren. Könnte.

Und noch ein Problem könnte Stoibers Erfolg im Wege stehen. Zwar komme der Wunsch nach weniger Regelungen bei den Mitgliedsländern grundsätzlich gut an. Sobald es aber konkret werde, überwögen wieder Sicherheitsinteressen der einzelnen Länder, so Stoiber. Doch diese Einstellung sei falsch, beklagt er und fordert - zusammengefasst - mehr Mut zur Lücke.

Oder in Stoibers Worten: "Dann habe ich oft den Eindruck, dass nicht Gürtel oder Hosenträger ausreichen, sondern beides gefordert wird und darüber hinaus Hemd und Hose noch mit Reißzwecken verbunden werden sollen". Aber, so Stoibers Forderung: "Ich glaube, dass wir mit dem Gürtel alleine hinkommen." Ein Vergleich, der es mit der Transrapidrede durchaus aufnehmen kann.

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